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Straßentheater-Spektakel

Theater für alle: Wie das Festival „tête-à-tête“ in Rastatt sein Publikum verzaubert

Lachen, staunen und nach Luft schnappen: Das Publikum bekommt bei der Rückkehr des Rastatter Straßentheater-Festivals „tête-à-tête“ nach der Corona-Pause viel zu sehen.

Joshua Monten: Game Theory hinterm LWG
Artistik und Theater ganz nah am Publikum bietet die 15. Auflage des Straßentheater-Festivals „tête-à-tête“ in Rastatt noch bis Sonntag. Das Bild zeigt eine Szene des Tanzstücks „Game Theory“. Foto: Frank Vetter

„Und, wie war’s?“, fragt Katharina Emslander ihre Tochter Tilda. „Mega!“, sagt die Kleine strahlend. Gerade hat das niederländisch-belgische Artistikduo Zinzi & Evertjan das Publikum vor dem Rastatter Rathaus staunen und jubeln lassen. Und nach Luft schnappen.

Etwa wenn die zierliche Zinzi von den Schultern ihres Partners in die Luft springt, sich überschlägt, kopfüber dem Marktplatzpflaster entgegen stürzt – und kurz davor von Evertjan aufgefangen wird.

Innenstadt wird bis Sonntag zum Bühnenraum

Unübersehbar ist in Rastatt das „tête-à-tête“ zurück. Das größte Straßentheater-Festival Deutschlands verwandelt die Innenstadt noch bis Sonntag in einen Spielraum mit zahlreichen Bühnen. Dort sind bei freiem Eintritt Artistik, Clownerie, Musik und Tanz von rund 40 internationalen Künstlern und Gruppen zu erleben.

Wir haben den Familienbesuch gezielt auf das Festivalwochenende gelegt.
Katharina Emslander, angereist aus Nordrhein-Westfalen

Und auch das Publikum ist zurück – mit teilweise langen Anreisewegen. Familie Emslander beispielsweise ist aus dem nordrhein-westfälischen Dülmen gekommen, mehr als 400 Kilometer entfernt.

„Wir haben den Familienbesuch gezielt auf das Festivalwochenende gelegt und sind quasi direkt vom Bahnhof auf den Marktplatz gekommen“, sagt Katharina. Ihr Schwiegervater Stefan Emslander bestätigt, er habe nach dem Auftritt des Duos beim Eröffnungsabend in der Badnerhalle sofort gewusst: „Da müssen wir mit der ganzen Familie hin.“

Die erste „richtige“ Ausgabe des Festivals seit vier Jahren knüpft direkt an den Stärken an, mit denen „tête-à-tête“ stets zehntausende Besucher anlockt.

Denn hier wird bereits seit der Gründung 1993 das geboten, was im Theaterbetrieb erst in den vergangenen Jahren verstärkt als kulturpolitisches Ziel ausgegeben wird: Theater für alle.

Programm ohne Sprach- und Generationsbarrieren

Ob der traurig-tollpatschige Clown Matthias Romir nun hinter der Fruchthalle vergeblich versucht, Luftballons an eine angeschmachtete Besucherin zu verschenken („Ach, Annemarie...“), ob sein katalanischer Kollege Pere Hosta am Faneser Platz als penibler Bürobeamter die Besucher vor den mannigfaltigen Gefahren im öffentlichen Raum warnt oder das Tanzstück „Game Theory“ des US-Choreografen Joshua Monten sich mit Spielprinzipien wie Regeln, Ritualen und Freiheit auseinandersetzt – das Gebotene funktioniert fast durchweg ohne Sprach- oder Generationsbarrieren.

Western-Parodie mit hinreißender Perfektion

Und es bezaubert oft durch die leichtfüßige Selbstverständlichkeit, mit der schwierigste Kunststücke vollbracht werden. Diese müssen nicht immer artistischer Natur sein.

Auch beim französischen Duo Bruital Cie würde dem Publikum angesichts der gebotenen Perfektion wohl die Spucke wegbleiben, wenn es nicht so viel zu lachen gäbe. Lorraine Brochet und ihr Bühnenpartner Barnabe Gautier bringen mit „Wanted“ einen kompletten Western auf die Bühne im Pfarrgarten.

Der Witz dabei: Von ihm kommen alle Geräusche und Dialoge, während sie sämtliche Figuren und Vorgänge im wahrsten Wortsinn verkörpert. Und mehr noch: Zunächst erschafft das Duo durch beeindruckende Präzision eine hinreißend humorvolle Western-Illusion – und dreht dann kräftig an der Irrwitz-Schraube, indem es immer mehr „Fehler“ einbaut, die aber ebenfalls in präziser Synchronisation von Gautiers Geräuschen und Brochets Bewegungen ablaufen.

Die Western-Parodie wird zur Aufführung, die neben viel Witz auch Denkanstöße liefert zu Fragen über Abhängigkeiten, Aufgabenverteilung und Autonomie des Individuums.

Auch ernste Themen finden ihren Platz

Solche Beiträge lassen das Genre des Straßentheaters über das reine Schauwert-Spektakel hinauswachsen. Auch inhaltlich gibt es in dieser Hinsicht in Rastatt einiges zu entdecken.

So bringt der Schauspieler Peter Trabner in seinem Stück „Zirkus Empedokles“ den 225 Jahre alten Hölderlin-Text „Der Tod des Empedokles“ mit der gegenwärtigen Plastikvermüllung der Natur zusammen und konfrontiert das Publikum im Schlossgarten mit diesem höchst drängenden Thema.

Und quasi direkt nebenan setzte am Donnerstag der britische Choreograf Joseph Toonga mit dem packenden Tanzstück „Born to protest“ ein Zeichen gegen Rassismus, dessen überschäumende Energie mit begeistertem Jubel belohnt wurde.

Service

Weitere Termine: „Wanted“ und „Born to protest“ am 27. Mai, „Game Theory“ am 27. und 28. Mai, „Zirkus Empedokles“ täglich bis Festivalabschluss am 29. Mai. Infos und Gesamtprogramm: www.tete-a-tete.de.

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