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Urlaub in Deutschland

Der Schlamm im Ahrtal ist abgewaschen

Das Ahrtal kämpft noch mit den Folgen der Flut, erfindet sich dabei jedoch neu. Weshalb es sich lohnt, der Weinregion einen Besuch abzustatten.

Der Rotweinwanderweg verbindet über 36 Kilometer die Weinorte des Ahrtals und bietet schöne Aussichten im Überfluss.
Der Rotweinwanderweg verbindet über 36 Kilometer die Weinorte des Ahrtals und bietet schöne Aussichten im Überfluss. Foto: Thomas Trittmann

Mit dem energisch-trotzigen Slogan „We AHR open“ wirbt das Ahrtal mehr als zwei Jahre nach der Flutkatastrophe vom Juli 2021 um Urlaubsgäste. Vielerorts im Tal prangt der Slogan, auf Aufklebern, auf Transparenten.

Weiß auf rotem Grund; rot wie der Wein, der im Ahrtal wächst. Was drunter steht, bringt die Dinge auf den Punkt: „Noch lange nicht fertig. Aber offen und froh über deinen Besuch.“

Es ist schon viel geschafft

Urlaub im Ahrtal – geht das? Klare Antwort: Ja, das geht. Natürlich: Die Spuren des Hochwassers sind noch lange nicht beseitigt. Wer ins Ahrtal reist, wird verlassene, kaputte Häuser sehen, zerstörte Verkehrswege, aufgegebene Geschäfte. Bis alle Wunden verheilt sind, werden noch Jahre vergehen. Doch zugleich merkt man als Besucher, wie viel schon geschafft worden ist, weil Menschen nach der Flut nicht aufgegeben, sondern angepackt haben.

„Mittlerweile ist die Stadt in einem Zustand, dass man wieder mit einem Glas Wein durch die Straßen gehen kann, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben“, sagt Armin Küpper. Er ist Stadtführer in Ahrweiler, das beim großen Hochwasser besonders viele Opfer zu beklagen hatte. Stolz führt er Gäste durch die Fußgängerstraßen der Innenstadt.

Fast alles erstrahlt mittlerweile in frischem Glanz, alter Muff wurde durch neue Ideen und modernes Design ersetzt. Es ist wahrscheinlich schöner, als es vorher war.

Stadtführer Armin Küpper steht in Ahrweiler an einer Stelle, wo bis 2021 eine Brücke über die Ahr führte.
Stadtführer Armin Küpper steht in Ahrweiler an einer Stelle, wo bis 2021 eine Brücke über die Ahr führte. Foto: Thomas Trittmann

Wenn Küpper Gäste ans Ahr-Ufer führt, wo nahe dem historischen Ahrtor bis 2021 eine Brücke stand und jetzt ein Loch klafft, dann glaubt kaum einer, dass dieses zahme Rinnsal namens Ahr eine solche Zerstörungskraft entfalten konnte. 200-mal so viel Wasser wie im Jahresschnitt rauschte in jener verhängnisvollen Nacht hier durch, die Ahr war in Ahrweiler einen halben Kilometer breit, und selbst Häuser, die weit weg vom Fluss sind, standen mannshoch im Wasser.

Und doch ist das Leben zurück. „Es ist jetzt endlich richtig viel Bewegung drin, fast jede Woche eröffnet ein Laden“, sagt Küpper. Die Gastronomie sei zu 80 Prozent wieder da, und das schöner denn je. „Verhungern muss niemand“, sagt er trocken.

Erkunden per Rad oder zu Fuß

Vieles ist wieder da, aber manches war auch nie weg. Die herrliche Landschaft des Ahrtals zum Beispiel, die sich trefflich zu Fuß oder per Rad erkunden lässt.

Der Ahrtal-Radweg etwa verläuft von der Quelle in Blankenheim bis zur Mündung in den Rhein bei Sinzig durchs ganze Tal. Etwa 80 Kilometer, ein Paradies für Genussradler – doch derzeit fehlt ein Stück des Weges. Radeln kann man nur von Blankenheim bis Altenahr und von Bad Neuenahr-Ahrweiler bis Sinzig am Rhein.

Das Mittelstück wird zusammen mit der Ahrtalbahn neu gebaut – angepeilter Fertigstellungstermin: Ende 2025. Fast keine Einschränkungen hingegen gibt es für alle, die zu Fuß unterwegs sind. Der 108 Kilometer lange Ahrsteig, der eher die ambitionierteren Wanderer lockt, ist auf kompletter Länge begehbar. Und selbiges gilt auch für den Rotweinwanderweg, der über insgesamt 36 Kilometer die Weinorte des Ahrtals verbindet und auch für Urlauber attraktiv ist, die einen gemütlichen Spaziergang und keine sportliche Herausforderung suchen.

Findige Idee: Weinautomat für durstige Wanderer direkt in den Reben.
Findige Idee: Weinautomat für durstige Wanderer direkt in den Reben. Foto: Thomas Trittmann

Und da für Spaziergänger bekanntlich keine Promillegrenze gilt, muss auch der Weingenuss nicht zu kurz kommen. Findige Ahrtäler Winzer haben in Mayschoß Weinautomaten aufgestellt – wer auf dem Ahrsteig unterwegs ist, kann zum Beispiel auf der Ruine Saffenburg ein gutes Ahrtäler Tröpfchen samt Gläsern aus dem Automaten ziehen und eine längere Pause bei Wein und atemberaubender Aussicht einlegen. Auch am Rotweinwanderweg hat man in Mayschoß mittlerweile einen Automaten aufgestellt, direkt in den Reben.

Apropos Wein: Die dominierende Rebsorte auf den warmen Schieferböden des Ahrtals ist der Spätburgunder, und im ganzen Tal wird ausnahmslos von Hand gelesen. Die Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr ist nach eigenen Angaben die älteste der Welt und besteht seit 1868. Auch der WG-Keller, in dem 1,7 Millionen Liter lagern, war im Juli 2021 komplett überflutet – doch die Fässer hielten dicht. Das Stammhaus der Genossenschaft indes, das seit 1874 idyllisch an einer Ahrschleife stand, wurde so in Mitleidenschaft gezogen, dass es abgerissen und durch einen schmucken Neubau ersetzt werden wird.

Im Keller der Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr lagern 1,7 MIllionen Liter Wein. Auch hier stand im Juli 2021 das Wasser bis unter die Decke.
Im Keller der Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr lagern 1,7 MIllionen Liter Wein. Auch hier stand im Juli 2021 das Wasser bis unter die Decke. Foto: Thomas Trittmann

Es ist überall im Ahrtal so: Die Flut war schrecklich, und sie hat unermessliches Leid gebracht. Aber sie hat auch viel Altes davongerissen und Platz für Neues gemacht. „So mancher Hotelier sagt: Es war nicht um alles schade, was davongeschwommen ist“, sagt Tourismusförderer David Bongardt. Sprich: Wer ins Ahrtal reist, wird kaum ein Hotel mit 70er- oder 80er-Jahre-Interieur finden.

Was offen ist, empfängt die Kundschaft in zeitgemäßer Eleganz. Auch die Infrastruktur wird kräftig auf Vordermann gebracht: Glasfaser- und Fernwärmenetze werden gebaut, und die völlig zerstörte Ahrtalbahn – ein wichtiger Faktor besonders für Radtouristen – wird gleich zweigleisig und elektrifiziert wiederaufgebaut und soll dann alle 20 Minuten fahren.

Das Hochwasser hat auch einen Modernisierungsschub ins Tal gebracht. „Wir haben durch die Flut jeden Staub einer Kurstadt verloren und werden künftig ein moderner Gesundheitsstandort sein“, sagt der Bürgermeister von Bad Neuenahr-Ahrweiler, Guido Orthen.

Im ganzen Tal gibt es große Pläne. „Wir wollen das Ahrtal als nachhaltige und innovative Natur- und Weinregion positionieren“, sagt Bongardt, „gastlich, authentisch und regional in allen Bereichen.“ Auf dem Wunschzettel stehen neue Rad- und Wanderwege, aber auch eine Seilbahn, eine Hängebrücke und ein „Skywalk“. Die große Flut, sie hat im Ahrtal vieles in Bewegung gebracht.

Reisetipps

Anreise: Per Auto von Karlsruhe aus über die A65 und die A61 bis zum Dreieck Sinzig, von dort weiter ins Ahrtal. Mit der Bahn entweder per IC über Mannheim und Koblenz oder per ICE über Köln bis Remagen. Die Ahrtalbahn fährt von dort derzeit bis Walporzheim.
Unterkunft: Viele Hotels und Restaurants sind wieder offen. Viele Ferienwohnungen hingegen dienen immer noch als Notquartier für Flutopfer und stehen nicht für Touristen zur Verfügung.
Info: Ahrtal-Tourismus Bad Neuenahr, Telefon (0 26 41) 9 17 10, www.ahrtal.de
Die Recherche wurde von Rheinland-Pfalz Tourismus unterstützt. Über Art und Inhalt des Artikels entscheidet allein die Redaktion.

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