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Die schönste Sackgasse der Welt

Was die Florida Keys für Reisende so attraktiv macht

Die Inselkette der Florida Keys gilt als Paradies für Wassersportler, Naturbegeisterte und Lebenskünstler. Gegen die Bedrohung eines Schatzes am Meeresboden durch den Klimawandel kämpfen Naturschützer an.

Straße im Ozean
Über den Overseas Highway führt der Weg schnurgerade Richtung Key West. 42 Brücken sind zu überqueren. Foto: Andy Newman

So schwungvoll wie er auf dem Fahrrad voranprescht, so eloquent plaudert James Pierce über das Städtchen, das seine Heimat geworden ist. „Hier hat jeder seine Geschichte“, sagt der studierte Lehrer für englischsprachige Literatur über Key West, die Sonnenstadt am südlichsten Zipfel Floridas.

Pierce hat sich vor Jahren nach einem Fußmarsch von rund 750 Kilometern in Key West niedergelassen. „Für immer“, wie er erzählt. Heute führt er Touristen per Rad durch die 26.000 Einwohner zählende Stadt. Geschichte und Geschichten also – über die Keys, wie die Inselkette in Kurzform genannt wird.

Schnorchler im Meer.
Wer schnorcheln will, kommt auf den Keys auf seine Kosten. Foto: Rob O`Neal

Liebhaber sprechen von der „schönsten Sackgasse der Welt“. Die Florida Keys bestehen aus mehr als 800 Inseln, die sich einer Perlenkette gleich vom südlichsten Ende Floridas aus über 250 Kilometer ins offene Meer erstrecken. Sackgasse deshalb, weil die wichtigsten Inseln über 42 Brücken auf dem Overseas Highway verbunden sind.

Am Ende liegt Key West. Südlicher geht’s auf Florida nicht mehr. Und der steinerne Beweis dafür steht in der South Street direkt am Atlantik. Hier lassen sich Touristen vor der massiven Beton-Boje am Southernmost Point ablichten. Die Ecke gehört zu den meistfotografierten Plätzen in Key West. Die Beschriftung auf der Boje erinnert daran, dass von hier Floridas Metropole Miami mit 260 Kilometern fast doppelt so weit entfernt ist wie Havanna auf Kuba mit einer Distanz von 144 Kilometern.

Conch-Häuser schmücken die Stadt Key West

Kein Wunder, dass die US-Marine sich hier positioniert hat. Das Militär gehört ebenso zur Stadt wie die vielen schmucken Conch-Häuser, benannt nach der gleichnamigen Muschel. Meist ein bis zwei Stockwerke hoch, verströmen sie mit kräftigem Holzrahmen, Fensterläden, umlaufenden Veranden sowie pastellfarbenem Anstrich einen warmen Charme.

Einige ältere dieser Wohngebäude seien für Arbeiter der früheren Zigarrenfabriken und Soldaten errichtet worden, erzählt Pierce auf der Rundfahrt, während plötzlich zwei Hähne mit demonstrativem Stolz über die Straße stolzieren. Diese tierische Begegnung mit dem frei lebenden Geflügel spielen sich an vielen Ecken der Stadt ab. Die Hühner seien quasi Überbleibsel der einstigen Hahnenkämpfe im Ort, erzählt Pierce. Heute seien die Tiere geschützt.

Haus
Die typischen Conch-Häuser in Key West verströmen einen warmen Charme aus. Foto: Egbert Mauderer

Zur Geschichte von Key West gehört auch die Literatur. Der Literaturnobelpreisträger Ernest Hemingway besaß ein Haus, das heute als Museum bis zu 800 Gäste am Tag anlockt. Im Arbeitszimmer des Autors – James Pierce spricht halb ehrfürchtig, halb ironisch vom „Superstar“ – steht noch die Schreibmaschine, auf der Hemingway die bekannten Romane „Wem die Stunde schlägt“ und „Schnee auf dem Kilimandscharo“ getippt haben soll. Und dass der berühmte Schriftsteller ein Herz für Katzen hatte, zeigt sich beim Rundgang selbst im Schlafzimmer, wo es sich Stubentiger Joe gerade bequem gemacht hat.

Arbeitszimmer
Auf dieser Schreibmaschine in seinem Arbeitszimmer soll Nobelpreisträger und Katzenliebhaber Ernest Hemingway zwei seiner bedeutenden Romane geschrieben haben. Foto: Rob O’Neal

Wer wissen will, wo der trinkfeste Schriftsteller während seiner fast zehn Lebensjahre in Key West Gesellschaft (und Alkohol) gesucht hat, der kann den Kneipen „Sloppy Joe’s“ oder „Captain Tony’s Saloon“ einen Besuch abstatten. Rund um die zentrale Duval Street pulsiert nicht nur am Abend das Leben. Schon mittags dringt aus manchen Wirtshäusern Live-Musik.

Zahlreiche Prominente haben ihr Herz an Key West verloren

Hemingway war übrigens längst nicht der einzige Promi, der sein Herz an Key West verloren hatte. US-Präsident Harry S. Truman verbrachte 175 Tage seiner Präsidentschaft in der Stadt. Das „kleine Weiße Haus“ legt heute noch Zeugnis ab, wie der Machthaber fernab von Washington im warmen Süden eine zweite Kommandozentrale nutzte.

Key West steht sozusagen für den städtetouristischen Aspekt der Keys. Aber da wären ja noch Meer und Natur. Wer ganzjährig baden, tauchen oder schnorcheln will, kommt auf den Keys selbstredend auf seine Kosten. Wer mit dem Boot hinausfährt, stößt mit etwas Glück auf Delfine, die im Rudel durchs Meer ihre Kreise ziehen. Mit dem Kajak kann man sich durch Mangroven-Wäldchen schlängeln und Dschungel-Atmosphäre in absoluter Stille genießen.

Überlebenskampf für das drittgrößte Barriere-Riff der Welt

Ein besonderer Schatz unter Wasser ist allerdings bedroht. Das drittgrößte Barriere-Riff der Welt erstreckt sich etwa 560 Kilometer weit von Dry Tortugas bis zum St. Lucie Inlet – Heimstatt Dutzender Korallen, die keine Pflanzen, sondern Tiere, genauer gesagt Polypen sind.

Kajakfahrer im Wasser
Im John Pennekamp Park kann mit dem Kajak durch die Mangroven paddeln. Foto: Rob O’Neal

Das einstige Korallen-Eldorado gleicht streckenweise einem Friedhof. Vor allem die durch den Klimawandel befeuerte Wassertemperatur und Versauerung des Ozeans, Überfischung und andere Stressfaktoren setzen den kleinen Tieren zu. Korallenriffe bedecken zwar weniger als ein Prozent des Meeresbodens, beherbergen aber etwa 25 Prozent des Meereslebens. Ausdruck des Siechtums ist das Verblassen der oft farbenprächtigen Korallen. Sie leben mit verschiedenfarbigen Algen in einer Gemeinschaft zum gegenseitigen Nutzen. Bei hohen Temperaturen stoßen die Korallen die Algen jedoch ab – und verlieren so ihre Farbe.

Doch der Überlebenskampf ist in vollem Gange. Besuch im Mote Marine Lab in Key Largo. Das Institut mit acht Standorten wurde 1955 gegründet und ist eine wissenschaftliche Einrichtung, die mehr als 27 Meeresforschungs-, Technologieentwicklungs- und Naturschutzprogramme leitet. Mote-Wissenschaftler kultivieren verschiedene Korallen für Restaurierungs- und Forschungszwecke in den Korallengärten an Land und in Unterwasser-Gärtnereien, in denen Korallen auf „Bäumen“ aus Kunststoff gezüchtet werden.

Wie das geht, demonstriert die Meeresbiologin Summer Huber in dem Labor in Key Largo. Mit einer Diamantsäge trennt die Wissenschaftlerin Korallen. Je kleiner die Tierchen sind, desto schneller wachsen sie. Sobald sie groß genug sind, werden die in der „Baumschule“ gezüchteten, widerstandsfähigeren Korallen von Tauchern auf dem Riff ausgesetzt.

„90 Prozent überleben. Sie haben eine gute Zukunft“, gibt sich Huber optimistisch. Seit 2008 haben Mote-Wissenschaftler mehr als 216.000 Korallen mehrerer einheimischer Arten und mehr als 325 Genotypen gepflanzt, um erschöpfte Riffe wiederherzustellen.

Schildkröte
„Spa-Day“ in einer besonderen Tierklinik: Ein Pfleger behandelt eine Meeresschildkröte. Foto: Egbert Mauderer

Im Schildkröten-Krankenhaus werden verletzte Reptilien behandelt

Ein Sprung weiter widmen sich Tierschützer dem Überleben ganz anderer Tiere. Besucher können im Schildkröten-Krankenhaus von Marathon erfahren, wie die bis zu 300 Kilogramm schweren Reptilien behandelt werden, nachdem sie mit Verletzungen gefunden wurden. Auf dem Gelände eines früheren Motels werden Meeresschildkröten unterschiedlicher Größe und geheilt, und wenn möglich, wieder ausgewildert.

Taucher im Wasser
Die an Land gezüchteten Korallen werden ab einer bestimmten Größe auf dem Riff ausgesetzt. Foto: Mote Marine Laboratory

Die größten Gefahren für die Reptilien gehen von Klimaerhitzung, industrieller Fischerei, Plastikverschmutzung und Motorbooten aus. „Sechs Monate bis zu zwei Jahre“ bleiben die verletzten Tiere in der Klinik, berichtet Klinik-Mitarbeiterin Melissa Birmingham, während eines der angeschlagenen Pracht-Exemplare gerade am „Spa-Day“ von einem Pfleger geschrubbt wird.

Auf die Frage, wie man den Tieren helfen kann, gibt die Tierklinik auch diesen Tipp: Möglichst Plastik vermeiden. Kaum vorstellbar, dass die Amerikaner zum Beispiel die Empfehlung der Tierschützer beherzigen, eine wiederverwendbare Wasserflasche anstatt Einweg-Plastikflaschen zu verwenden.

Leuchtturm
Der Leuchtturm von Key West ist 1848 eröffnet worden. Besucher können die Spitze über 88 Stufen erklimmen. Foto: Rob O'Neal

Matt Sexton würde das sofort unterschreiben. Er ist Inhaber des Grassy Flats Resort & Beachclub in Marathon. Sein Credo: Nachhaltigkeit. Mit der Eröffnung des Hotels, das aus Ruinen nach einem Hurrikan entstanden ist, hat der Hotelier seit 2018 mehrere umweltfreundliche Initiativen im Anwesen umgesetzt. Verwendung pflanzlicher Reinigungsmittel, ein hauseigenes Recyclingprogramm, Verzicht auf Pestizide und Herbizide in den Gärten, ein Algenkompostierungsprogramm. Sein nächstes Ziel: ein „Negative Consumption Power Program“, um vor Ort nachhaltig Energie zu erzeugen.

Sexton weiß, dass er mit seiner Mission wohl einer der Propheten ist, die im eigenen Land (noch) nicht viel gelten. Aber das ist noch mal eine ganz andere Geschichte.

Service

www.fla-keys.de

Die Recherche wurde unterstützt vom Verband The Florida Keys & Key West. Über Art und Inhalt des Artikels entscheidet allein die Redaktion.

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