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„Kulturgesichter 0721“

Wie die Karlsruher Geigerin Anja Gerter den zweiten Lockdown erlebt

Mit der Fotoaktion „Kulturgesichter0721“ machen derzeit zahlreiche Karlsruher Kulturschaffende auf ihre schwierige Situation aufmerksam. Eine davon ist die Geigerin Anja Gerter.

Die Karlsruher Geigerin Anja Gerter bei der Aktion „Kulturgesichter0721“.
Hofft auf baldige Möglichkeit, wieder aufzutreten: Die Geigerin Anja Gerter ist eines von vielen „Kulturgesichtern“, die derzeit in Karlsruhe auf die schwere Situation von Kulturschaffenden aufmerksam machen. Foto: Niklas Braun/Kulturgesichter0721

„A“ wie Anja. „A“ wie anspruchsvoll. So empfindet die Geigerin Anja Gerter diese Zeit und deren seltsamen Umstände, die sie mit sich bringt. Anja Gerter ist eines der vielen „Kulturgesichter“, die in den letzten Wochen vor dem erneuten Herunterfahren der Kulturbetriebe fotografiert wurden, damit sie sichtbar werden: die Frauen und Männer, die davon leben, dass sie ein Instrument spielen, am Theater in eine Rolle schlüpfen, ein Kunstwerk schaffen, etwas erzählen, etwas gestalten, Gästen das Bier ausschenken, für die Sicherheit an und im Veranstaltungsort sorgen, Konzerte planen, für Sauberkeit sorgen, Kabel verlegen, Scheinwerfer steuern, Klangregler bedienen und, und, und...

Vom Pazifik an die Alb

Dass Musik die Gefühle der Menschen bewegt, weiß jeder. Im Leben Anja Gerters war die Musik aber auch ein konkreter Anlass für Bewegung, denn sie führte dazu, dass sie von Russland nach Deutschland kam. Ihrem Vater, einem Professor für die Bajan, einer russischen Variante des Akkordeons, wurde 1992 während einer Deutschland-Tournee eine Lehrstelle in Ulm angeboten.

Und weil die Verhältnisse kurz nach dem Ende der Sowjetunion sehr unsicher waren, übersiedelte die Familie im Jahr 1994. So kam Anja Gerter vom am Pazifik gelegenen Wladiwostok an die Donau und im Jahr 2009 nach Karlsruhe, wo ja immerhin die Alb fließt.

Zur Reihe

Die Kulturszene ist besonders hart getroffen von den Corona-Maßnahmen: Hier arbeiten zahlreiche Menschen, denen seit dem ersten Lockdown im März die Einnahmen größtenteils oder sogar komplett weggebrochen sind. Auch viele Karlsruherinnen und Karlsruher sind davon betroffen und machen derzeit mit der Fotoaktion „Kulturgesichter0721“ auf die bedrohliche Lage ihrer Berufsgruppen aufmerksam. Einige hiervon stellen die BNN in einer Porträt-Reihe vor.

Sie zog hierher, weil sie an der hiesigen Musikhochschule studieren wollte. Eigentlich war die 1986 geborene Musikerin da schon recht alt, um ein Musikstudium auf sich zu nehmen. Noch dazu war die Musik nicht ihre erste Wahl gewesen. Zuvor hatte sie bereits in Bonn zwei Jahre Literaturwissenschaft studiert: „Meine Eltern sind ja auch beide Musiker, und da wollte ich wissen, ob ich nicht da reingedrängt würde“, antwortet sie auf die Frage nach dem Grund. Sie spürte dann doch recht bald, dass sie die Musik zu sehr vermisste. Sie bereut diesen Umweg nicht, denn er habe ihr gezeigt, dass die Musik ihre Sache sei: Bei Albrecht Breuninger absolvierte sie daraufhin ein Bachelor- und Masterstudium.

Musik ist ihre Sache

Das Wissen, dass Musik ihre Sache ist, hilft ihr auch seelisch durch diese Zeiten zu kommen, in der ihr das öffentliche Auftreten verwehrt ist. Ansprüche stelle diese Situation eben. Sie reagierte auf ihre Weise: Bisher ließ sie die Tonspuren, die sie nutzt, wenn sie alleine auftritt, in anderen Studios produzieren, jetzt hat sie sich gemeinsam mit ihrem Mann ihr eigenes Studio eingerichtet.

Sie hat das Glück, dass ihr Gatte seinen Beruf auch im Lockdown ausüben kann. Der ist in der Baubranche tätig, sei aber jemand, der gerne neue Dinge lerne. Bei ihren Auftritten kümmert er sich um die Technik und sitzt an den Reglern.

Spaß am Spiel mit Technik

Was Technik und vorproduzierte Tracks mit klassischem Violinspiel zu tun haben, wird sich jetzt vielleicht der eine oder andere fragen. Die Antwort ist einfach: Anja Gerter ist zwar klassisch ausgebildete Violinistin. Aber so wie das Literaturstudium ihr gezeigt hat, dass die Musik ihre Sache ist, hat sie im Musikstudium gemerkt, dass es das Orchester nicht ist. Ihre Musik ist eine breite Mischung aus Pop, Rock und Jazz, viel Crossover, auch Filmmusik.

Wenn Anja Gerter nicht als Solokünstlerin auftritt, dann ist sie mit den Damen des Quartetts „La Finesse“ unterwegs. Einem Showact, in dem sie die Position der 1. Geige hält, und auch Sarah Lombardi, Adel Tawil, Sarah Connor oder Mousse T versichern sich gerne der Kunst Anja Gerters.

Noch ist Hoffnung da

Noch fühlt sie sich gut in der Situation – oder besser gesagt: Noch ist Hoffnung da und als Mutter von zwei Kindern müsse sie diese auch behalten. Hoffnung macht ihr auch, dass man durch die Aktion „Kulturgesichter0721“ neue Leute kennenlernt. Mit einer Karlsruher Tänzerin hat sie bereits Ideen für ein gemeinsames Projekt entwickelt. Wenn, ja wenn man denn endlich wieder auftreten kann. Alles Digitale könne einfach kein Ersatz sein, weder fürs Publikum, noch für sie, denn, sagt sie lachend, „ich bin eine Rampensau.“

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