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Erinnerung und Versöhnung

Gedenktag in Kämpfelbach stärkt deutsch-italienische Freundschaft

Ein Historiker von Weltrang, eine bekannte Autorin und ein preisgekrönter Fotokünstler sind gekommen, um über ein wichtiges Thema zu sprechen: die Verbrechen der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkriegs in Italien.

Verschiedene Menschen stehen auf dem Dorfplatz im italienischen Civitella.
Terzilio Bozzi, Ivano Cappacci, Dino Tiezzi, Raffaela Guarneri, die Bürgermeister Andrea Tavarnesi und Thomas Maag sowie Fotokünstler Luigi Toscano (von links) stehen im Sommer 2023 auf dem Dorfplatz im italienischen Civitella. Foto: Thomas Maag, Archiv

Sie schauen ernst, aber freundlich. Ihre Gesichter zeigen weder Groll noch Hass. Die Porträts zweier Frauen und dreier Männer bilden am Samstag in der Bilfinger Weinbrennerkelter einen würdigen Rahmen für eine Veranstaltung, die nicht nur das Gedenken an ein grausames Verbrechen in den Mittelpunkt rückt, sondern auch die Versöhnung und die fruchtbare Freundschaft, die längst daraus entstanden ist.

Es geht um das Massaker, bei dem deutsche Soldaten am 29. Juni 1944 im italienischen Civitella fast 100 Menschen und damit etwa ein Drittel der Einwohner brutal ermordet haben, darunter Frauen, Kinder und Jugendliche.

Der Kämpfelbacher Bürgermeister Thomas Maag (parteilos) hat die italienische Partnergemeinde im vergangenen Sommer besucht – nicht allein, sondern zusammen mit dem renommierten Fotokünstler Luigi Toscano, der dort die fünf noch lebenden Zeitzeugen des grausamen Massakers porträtiert hat.

Hier werden die Samen für ein friedliches Zusammenleben gelegt.
Thomas Maag
Bürgermeister 

„Hier werden die Samen für ein friedliches Zusammenleben gelegt“, sagt Maag, als er am Samstag die Gäste in der Bilfinger Weinbrennerkelter begrüßt. Mehr als 100 Interessierte sind gekommen, darunter Vertreter des Gemeinderats, der Kirchen, der Vereine, der Verwaltung und der Wirtschaft.

Maag betont, wie viele Menschen zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben, die die Gemeinde Kämpfelbach zusammen mit dem Verein für Heimatpflege und Kultur sowie dem Freundeskreis Civitella auf die Beine gestellt hat.

Als Kooperationspartner hat man die Konrad-Adenauer-Stiftung gewonnen, die ein Programm mit hochkarätigen Rednern wie dem Historiker Carlo Gentile und der Autorin Christiane Kohl zusammengestellt hat.

Ein Programm, das die Sparkasse Pforzheim Calw mit einer großzügigen Spende von 10.000 Euro unterstützt. Es ist ein Tag voller Emotionen und Geschichte.

Ein Tag, der ganz im Zeichen der deutsch-italienischen Freundschaft steht. Maag betont, ein friedliches Zusammenleben beginne mit dem, was man fühle und denke, was man sage und tue.

„Kirchturmdenken“ besorgt Kommunalpolitiker im Enzkreis

„Nie wieder“ ist das Schlagwort, das Maag immer wieder benutzt: in Bezug auf Krieg, Gewalt und Grausamkeiten. Eindringlich appelliert der Bürgermeister, aus der Vergangenheit zu lernen, um die Zukunft im positiven Sinn gestalten zu können, auch und gerade für kommende Generationen.

Für ihn ist das Gedenken an das grausame Massaker in Civitella der Beweis, dass Versöhnung gelingen kann, dass ein friedliches Zusammenleben möglich ist.

Er macht sich aber auch Sorgen darüber, dass nationale Strömungen überall in Europa auf dem Vormarsch sind. Auch Landrat Bastian Rosenau beklagt: „Die ganze Welt versinkt wieder in Kirchturmdenken.“

Auch ihm ist die Partnerschaftsarbeit ein Herzensanliegen – allein schon deshalb, weil die Verbrechen der Deutschen in Italien in den Medien und im Geschichtsunterricht oft nur eine marginale Rolle einnehmen.

Damit Derartiges nie wieder passieren kann, braucht es für Rosenau unbedingt den persönlichen Kontakt. „Wir müssen die Menschen erleben, es müssen Emotionen entstehen.“

Es sei ein großes Glück, dass in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg mutige Menschen die Grenzen des Hasses überwunden haben, betont Daniel Caspary (EVP).

Der Europa-Abgeordnete appelliert an die Bundesregierung, den europäischen Gedanken wieder mehr in den Fokus zu rücken. Und ruft dazu auf, sich Anfang Juni an der Europawahl zu beteiligen.

Berichte über Massaker sind nur schwer zu ertragen

In der Bilfinger Weinbrennerkelter ist es am Samstag mucksmäuschenstill – auch, als zwei aus der Ukraine geflohene Kinder auf der Geige eine Melodie aus dem Film „Schindlers Liste“ spielen.

Als Historiker Carlo Gentile vom Ablauf des Massakers, von massenhaft per Kopfschuss getöteten Männern und in Brand gesteckten Gebäuden berichtet, könnte man eine Stecknadel fallen hören.

Seine Schilderungen sind teilweise nur schwer zu ertragen. Erst recht, als es um die Kinder geht, die miterleben mussten, wie ihre Eltern brutal ermordet wurden.

Emotional wird es auch, als Luigi Toscano über seine Arbeit und seine Begegnungen mit den Überlebenden des Massakers spricht.

Als Referentin der Konrad-Adenauer-Stiftung für West- und Südeuropa beleuchtet Loretta von Plettenberg die aktuelle Situation bei den deutsch-italienischen Beziehungen, während die Autorin Christiane Kohl aus ihrem Buch „Wie der Krieg in die Toskana kam“ liest.

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