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„Nie wieder ist jetzt“

Kundgebung für Demokratie und Vielfalt in Knittlingen: Schweigende Mehrheit zeigt Gesicht

Rund 300 Teilnehmer sind bei der Kundgebung für Demokratie und Vielfalt in Knittlingen. Alle eint ein Gedanke: Sie wollen die Demokratie und die Vielfalt gegen Extremisten verteidigen.

Rund 300 Bürgerinnen und Bürger haben am Freitagabend ihre Stimme gegen Rechtsextremismus und für Demokratie und Vielfalt erhoben. Ein Bündnis aus vielen Gruppen und allen Gemeinderatsfraktionen hatte zu der Kundgebung auf dem Rathausplatz eingeladen.
Rund 300 Bürgerinnen und Bürger haben am Freitagabend ihre Stimme gegen Rechtsextremismus und für Demokratie und Vielfalt erhoben. Ein Bündnis aus vielen Gruppen und allen Gemeinderatsfraktionen hatte zu der Kundgebung auf dem Rathausplatz eingeladen. Foto: Hansjörg Ebert

Besonders eindrücklich war das Statement von Leni Rauch und Marlen Großkopf. Beide Mädchen sind zwölf Jahre alt und besuchen die siebte Klasse des Brettener Melanchthon-Gymnasiums. „Wir möchten für alle Kinder und Jugendlichen sprechen, die sich zurzeit über ihre Zukunft viele Sorgen und Gedanken machen“, bekunden die beiden unerschrocken am Rednerpult auf der Kundgebung vor dem Knittlinger Rathaus.

Und erklären auch, warum sie hier sind: Um den Kindern eine Stimme zu geben, für ein gutes Miteinander, für die Freiheit in aller Welt und dafür, dass alle wertgeschätzt werden, egal welche Hautfarbe sie haben.

300 Demonstranten kommen auf Knittlinger Rathausplatz

Rund 300 Demonstranten sind der Einladung gefolgt, um trotz Schmuddelwetter Flagge zu zeigen. Und dies nicht nur gegen bedenkliche rechtsextreme Bestrebungen in unserem Land, sondern für die Demokratie, wie die Veranstalter betonen: für Freiheit, für Menschenrechte, für Toleranz.

Dicht gedrängt und mit Schildern und bunten Regenschirmen in den Händen füllen sie den Platz vor dem Rathaus, klatschen den Rednern Beifall und zeigen, dass die vermeintlich schweigende Mehrheit Gesicht und Stimme hat.

Der Nieselregen tut der guten Stimmung keinen Abbruch. Eine gute Stunde dauert die Kundgebung mit einem Dutzend kurzer Redebeiträge. Sie endet mit einer Menschenkette rund um das Rathaus.

„Nie wieder ist jetzt“ steht auf vielen Schildern zu lesen, dazu „Vielfalt statt Einfalt“ oder „Bunt statt Hetze“.  Auch die „Omas gegen rechts“ sind dabei, die SPD zeigt dem Rassismus die Rote Karte, die Grünen machen sich für Menschenrechte stark.

Vertreten sind auch die CDU, die Aktive Liste für Mensch und Umwelt, die Parteilose Wählervereinigung, die Evangelische Kirchengemeinde, der Freundeskreis Asyl sowie viele Bürgerinnen und Bürger aus Knittlingen und den Stadtteilen.

Gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie und die Vielfalt

Man wolle nicht nur dem Rechtsextremismus entgegentreten, sondern auch bewusst ein Zeichen für Demokratie und Vielfalt setzen, erklärt Gitta Lampert von der Aktiven Liste für Mensch und Umwelt. Die Ziele von Rechtsextremen, dass nur noch Deutsche im Land leben sollen, seien verantwortungslos und niederschmetternd. Dagegen müsse die schweigende Mehrheit nun ihre Stimme erheben.

Bürgermeister Alexander Kozel (Grüne) warnt vor einer Polarisierung der Gesellschaft. Es dürfe nicht heißen, wir gegen die, Demokraten seien niemals Feinde. Doch es gebe auch Situationen, in denen die Toleranz ende, etwa wenn Minderheiten, Behinderte oder Migranten betroffen seien – „unsere Freunde, Nachbarn und Kollegen“.

Wenn Parteien den Parteienstaat abschaffen wollen, ist es an der Zeit aufzustehen, hinauszugehen und zu sagen, nie wieder ist jetzt.
Werner Reininghaus
Einer der Redner bei der Kundegebung

Der pensionierte Knittlinger Hausarzt Werner Reininghaus erinnerte an die NS-Verbrechen und die Zerstörung der Weimarer Demokratie. „Wenn Parteien den Parteienstaat abschaffen wollen, ist es an der Zeit aufzustehen, hinauszugehen und zu sagen, nie wieder ist jetzt“, bekundet der Mediziner.

„Die schweigende Mehrheit darf keine schweigende Mehrheit mehr sein“, so das Statement von Andreas Schwing (Aktive Liste), die Hetzparolen von Höcke und Gauland dürften nicht ohne Widerspruch bleiben.

Bürgermeister-Stellvertreter Martin Reinhard (CDU) erinnert daran, dass 20 Prozent der Azubis in seiner Firma einen Migrationshintergrund haben. Wichtig sei jedoch nicht, wo jemand herkomme, sondern wo er hinwolle.

Ralf Schwarzien von der Parteilosen Wählervereinigung zeigt anhand des Parteiprogramms auf, was eine AfD-Regierung für Deutschland bedeute. „Wir sind die Mehrheit, und das ist gut so“, stellte er klar.

Landtagsabgeordnete Stefanie Seemann von den Grünen zeigt sich höchst erfreut darüber, dass der Protest gegen menschenverachtende und rassistische Vertreibungspläne auch auf dem Land angekommen sei.

Mehr als zwei Millionen Menschen seien in den vergangenen Wochen bundesweit für die demokratischen Werte auf die Straße gegangen. Dabei gehe es nicht um links gegen rechts, sondern darum, die demokratische Grundordnung gegen ihre Feinde zu verteidigen.

Ich habe sechs Kinder und 13 Enkel, und es ist mir wichtig, dass sie in einem freien und demokratischen Land aufwachsen.
Jutta Glökler
Teilnehmerin an der Kundgebung

Gernoth Klug vom Freundeskreis Asyl, der die Kundgebung zusammen mit Volker Riedel von der Aktiven Liste auf die Beine gestellt hat, berichtet von den traumatisierenden Erfahrungen seiner Mutter und seines Onkels in Nazi-Deutschland. Die Frage, wie es dazu kommen konnte, beschäftige ihn Zeit seines Lebens. Und wenn er an seine Kinder und Enkel denke, dann sei ihm klar, dass es höchste Zeit ist aufzustehen für Demokratie, Freiheit und Vielfalt.

„Ich habe sechs Kinder und 13 Enkel, und es ist mir wichtig, dass sie in einem freien und demokratischen Land aufwachsen“, erklärt die Knittlingerin Jutta Glökler auf die Frage, warum sie zu dieser Kundgebung gekommen sei. So etwas wie im Dritten Reich dürfe nie wieder passieren. Auch Petra und Armin Heeb aus Knittlingen müssen über die Frage nicht lange nachdenken: „Weil wir die Demokratie verteidigen wollen, weil es sein muss und wenn nicht wir, wer dann“.

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