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Jahrzehntelange Recherchen

Briefe gegen das Vergessen: Buch zeigt die Schicksale von Zwangsarbeitern in Pforzheim

Der Deutscher Gewerkschaftsbund und die IG Metall haben ein Buch veröffentlicht, das die Zwangsarbeit im Raum Pforzheim zur Zeit des Zweiten Weltkriegs thematisiert. In Briefen kommen diese selbst zu Wort.

Gerhard und Brigitte Brändle, Kai Burmeister, Susanne Nittel und Jürgen Schroth stellen der Presse das Buch im Pforzheimer Kupferhammer vor. Dort waren einst Zwangsarbeiterinnen mit ihren Kindern untergebracht.
Gerhard und Brigitte Brändle, Kai Burmeister, Susanne Nittel und Jürgen Schroth stellen der Presse das Buch im Pforzheimer Kupferhammer vor. Dort waren sie während des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeiterinnen mit ihren Kindern untergebracht. Foto: Nico Roller

In Baracken und Lagern waren sie untergebracht, oft unter schlimmen Bedingungen. Als menschliche Werkzeuge wurden sie für die Rüstungsindustrie und die Landwirtschaft missbraucht. Auch in Pforzheim hat es während des Zweiten Weltkriegs massenhaft Zwangsarbeiter gegeben, auch in Pforzheim wurden Menschen von Unternehmen skrupellos ausgebeutet.

Mit ihren Schicksalen befasst sich ein Buch, das Jürgen Schroth, Brigitte und Gerhard Brändle in jahrzehntelanger Arbeit erstellt haben. Herausgegeben vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Baden-Württemberg und der Pforzheimer IG Metall, stellt es 77 Briefe in den Mittelpunkt, in denen ehemalige Zwangsarbeiter über ihre Zeit in Pforzheim berichten.

Zudem enthält das mehr als 250 Seiten umfassende Buch mehr als 850 Kurzbiografien, zahlreiche Hintergrundinformationen, Fotos und Datenbanken, darunter auch eine lange Liste der Unternehmen, die einst Zwangsarbeiter ausgebeutet haben.

Zwangsarbeiter aus osteuropäischen Staaten stehen im Mittelpunkt

Vor dem Hintergrund der aktuellen Enthüllungen über die AfD hätte es aus Susanne Nittels Sicht für die Veröffentlichung des Buchs keinen besseren Zeitpunkt geben können. Die Regionssekretärin des Kreisverbands ist der festen Überzeugung, dass Erinnerungskultur die Demokratie stützt und die grausamen Verbrechen der Nazis nie in Vergessenheit geraten dürfen.

„Die Menschenverachtung der Rechtsextremen richtet sich gegen alles, was aus ihrer Sicht nichts wert ist“, sagt Kai Burmeister. Für den baden-württembergischen DGB-Vorsitzenden zeigt das Buch in eindrücklicher Weise, wohin eine menschenfeindliche Ideologie und Faschismus führen können.

Er ist überzeugt, dass es angesichts der aktuellen Entwicklungen einen Weckruf aller Demokraten braucht, um die Lawine zu stoppen, solange das noch möglich ist. Im Mittelpunkt des Buchs stehen Zwangsarbeiter aus osteuropäischen Staaten wie Russland, der Ukraine, Polen und Weißrussland.

Vorarbeiten für das Buch haben vor 20 Jahren begonnen

Den Autoren war es wichtig, dass alle Briefeschreiber einen Namen haben, dass Fotos nicht einfach so, sondern mit Informationen zu den Abgebildeten veröffentlicht werden. Für Gerhard Brändle geht es dabei um Respekt: darum, den Zwangsarbeitern zumindest einen Teil ihrer Würde zurückzugeben.

Seine Frau Brigitte, Jürgen Schroth und er recherchieren schon seit den 1980er-Jahren intensiv zu den Schicksalen der Pforzheimer Zwangsarbeiter. Mit den Vorarbeiten für das Buch haben sie schon vor rund 20 Jahren begonnen. Sie durchforsteten Archive und studierten Akten, die vorher noch nie jemand gelesen hatte.

Viel Unterstützung erhielten sie von engagierten Muttersprachlerinnen, die beim Übersetzen der Briefe halfen. Bei den meisten handelt es sich um Antworten auf einen Fragebogen, den DGB und Friedensinitiative um die Jahrtausendwende im Zusammenhang mit der Diskussion über Entschädigung versandt haben.

Was in ihnen zu lesen ist, findet Brändle „sehr berührend“. Sie berichten von Leid und Elend, aber auch von Unterstützung aus der Bevölkerung. Brändle vermeidet das Wort „Zwangsarbeiter“ und redet stattdessen von Arbeitssklaven, die im öffentlichen Raum sichtbar waren: „Jeder hat es gesehen und hinterher will es keiner gewusst haben.“

Service

Das Buch kann in den Räumen des DGB (Turnstraße 1) kostenlos abgeholt und auf seiner Internetseite heruntergeladen werden: www.nordbaden.dgb.de.

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