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75 Jahre nach Bomben

Pforzheim verbietet rechte „Fackelmahnwache“ auf dem Wartberg

Die Stadt Pforzheim will die Fackelmahnwache des rechtsextremen Vereins "Ein Herz für Deutschland" am Sonntag, 23. Februar, dem 75. Gedenktag der Zerstörung Pforzheims, verbieten: Das ist der Ausgang von vermutlich vielen Gesprächen an einem langen Freitags.

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IMAGE-252450 Foto: N/A

Die Stadt Pforzheim verbietet die „Fackelmahnwache“: Der rechtsextreme Verein "Ein Herz für Deutschland" soll sich am Sonntag, 23. Februar, dem 75. Gedenktag der Zerstörung Pforzheims, nicht zu seiner Veranstaltung auf dem Wartberg treffen dürfen: Das ist der Ausgang von vermutlich vielen langen Gesprächen am Freitag, über den sehr viele Menschen in der Stadt mehr als erleichtert sein dürften.

Oberbürgermeister Peter Boch und Bürgermeister Dirk Büscher gaben ihre Entscheidung am späten Nachmittag in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz bekannt. Vor dem Hintergrund der Morde in Hanau sehe man eine andere Gefährdungseinschätzung, betonte Boch. Er verwies auch auf Absprachen mit dem Pforzheimer Polizeipräsidenten Wolfgang Tritsch und dem baden-württembergischen Innenminister.

Nun bleibt abzuwarten, ob der rechtsextreme Verein gegen diese Verfügung der Stadt vorgehen wird. Tut er dies, landet die Angelegenheit noch an diesem Samstag beim Verwaltungsgericht in Karlsruhe. Sollten die Richter dort dem Ansinnen der Rechtsextremen entsprechen, will die Stadt sich an die nächsthöhere Instanz wenden, den Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. „Wir werden alle rechtlichen Mittel ausschöpfen“, stellte Boch klar. Die Einschätzung der Sicherheitslage sei ausschlaggebend für die juristische Begründung des Verbots.

Aufatmen in der Stadt

Ein kollektives Aufatmen geht mit diesem bedeutenden Schritt der Verwaltungsspitze durch die Stadtgesellschaft. Mit großer Erleichterung nehmen ihn etwa die SPD-Gemeinderatsfraktion, das Bündnis Pforzheim nazifrei und die Initiative gegen Rechts (IgR) zur Kenntnis.

Ich habe plötzlich das Gefühl von Einmütigkeit in der Stadt.
Christof Grosse

Letztere hatte am Donnerstagabend – unter dem unmittelbaren Eindruck der Morde des Hanauer Rechtsextremisten – in einem Schreiben an die Verantwortlichen in der Stadt gefordert, „alles dafür zu tun, dass die rechte Fackelmahnwache verhindert wird“. Man habe auch den OB persönlich „inständig“ darum gebeten, sagte deren Sprecher Christof Grosse und ergänzte: „Ich habe plötzlich das Gefühl von Einmütigkeit in der Stadt.“

Nachahmer lassen sich nicht ausschließen

Der städtische Beschluss verbreitete sich am Freitag unmittelbar nach Bekanntwerden in Windeseile über verschiedene Kommunikationskanäle. „Ich bin froh über diese Entscheidung der Verantwortlichen der Stadt, die ihnen angesichts des hohen Guts der Demonstrationsfreiheit sicherlich nicht leicht gefallen ist“, sagte Dekanin Christiane Quincke auf Anfrage unserer Redaktion. Doch hätten die letzten Monate gezeigt, „dass von Rechtsextremisten derzeit die größte Gefahr für unsere demokratische Gesellschaft ausgeht“.

Boch war es am Freitag wichtig, darzulegen, dass er seine Entscheidung als Stadtoberhaupt unabhängig von der Forderung der IgR getroffen habe. Es sei schlichtweg nicht mehr tragbar, eine solche Veranstaltung stattfinden zu lassen. Nach den Morden von Hanau habe man sich zusammengesetzt und sei angesichts der aktuellen Gefährdungslage zu einer neuen Bewertung gekommen, sagte Boch. Potenzielle Trittbrettfahrer und Nachahmer könne man in Pforzheim nicht ausschließen.

Klares Statement von Boch

Die beiden Pforzheimer Bundestagsabgeordneten Katja Mast (SPD) und Gunther Krichbaum (CDU) begrüßten Bochs Entscheidung. Sie sei folgerichtig, so Mast. Der Jurist Krichbaum gab zu bedenken, es werde juristisch nicht ganz einfach, doch setze der OB damit ein wichtiges Zeichen. 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Zerstörung Pforzheims müsse es „entschlossener denn je heißen: ‚Nie wieder!’“

Peter Boch (CDU)
Oberbürgermeister Peter Boch hat mit Finanzdezernent Dirk Büscher eine Haushaltssperre für Pforzheim erlassen. Foto: Uli Deck/dpa/Archivbild

Es sei ihm wichtig, mit dem Verbot ein klares Statement abzugeben, sagte Boch. Er griff des Bild vom vergifteten Klima auf, von dem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gesprochen hatte. Einem solchen müsse man mit aller Macht entgegenwirken, indem man die Rechtsextremisten am Sonntag erst gar nicht nach Pforzheim lasse. Auch SPD-Fraktionsgeschäftsführer Ralf Fuhrmann betonte die Notwendigkeit, „ein klares und deutliches Zeichen zu setzen“. Rechtsextreme und rassistisch motivierte Morde bedrohten unsere Gesellschaft und Demokratie – „auch ganz konkret vor Ort“.

Erinnerung an den 75. Jahrestag der Zerstörung

Als Vertreterin des Bündnisses Pforzheim nazifrei äußerte Dekanin Quincke die Hoffnung, dass es nun dauerhaft bei dieser Entscheidung gegen die Rechten bleiben wird. „Das gesellschaftliche Klima wurde und wird durch diese Fackelmahnwache nachhaltig vergiftet.“

Unabhängig davon, ob es beim Verbot gegen die Fackelveranstaltung bleibt: Pforzheim will den 75. Jahrestag seiner Zerstörung würdevoll begehen mit der Gedenkfeier auf dem Hauptfriedhof und dem Lichtermeer und Segen der Religionen auf dem Marktplatz.

Pforzheims Polizeipräsident Tritsch ruft indessen zu respektvollem und friedlichem Verhalten am Gedenktag auf. Seine Kräfte seien so eingestellt, dass sie gegebenenfalls schnell und angemessen reagieren könnten.

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