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Bürgerbegehren abgelehnt

„Wenn man nicht laut ist, wird man nicht gehört“: IG Dettenheim kämpft weiter gegen Geothermie

Der Gemeinderat Dettenheim hat sich gegen ein Bürgerbegehren der IG gegen Geothermie ausgesprochen. Wie geht es jetzt für die Mitglieder und Unterstützer weiter?

Bernd Oberacker sitzt mit zahlreichen Papieren an einem Tisch.
Bernd Oberacker hat sich viele Stunden mit dem Thema Geothermie beschäftigt. Er ist weiter strikt gegen ein Werk der Deutschen Erdwärme auf Dettenheimer Gemarkung. Foto: Christel Manzey

Einen Bürgerentscheid zur Überlassung eines Grundstücks an die Deutsche Erdwärme wird es in Dettenheim nicht geben. Dagegen sprach sich der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung aus.

Doch was bedeutet das nun für die Interessengemeinschaft (IG) gegen Geothermie? Deren Initiator Bernd Oberacker kritisiert die – seiner Meinung nach – vorschnelle Unterschrift unter dem Vertrag mit der Deutschen Erdwärme weiter scharf.

Mit ihrem Bürgerbegehren gegen die Tiefengeothermie hatte die IG vor dem Dettenheimer Gemeinderat keinen Erfolg. Wie geht es jetzt für Sie weiter? 
Bernd Oberacker
Allzu viel gibt es für uns aktuell nicht zu tun. Wenn wir einen Geldgeber hätten, würden wir versuchen, juristisch dagegen vorzugehen. Die Verordnung, auf die sich die Gemeinde beruft, ist eine „sollte“-Vorschrift und eigentlich nur für Notfälle gedacht. Wenn zum Beispiel marode Bäume drohen umzufallen, könnte die Gemeinde eine Bürgerinitiative gegen deren Fällung übergehen. In unserem Fall aber war das nicht der Fall, die Unterschrift unter den Vertrag mit der Deutschen Erdwärme war kein Notfall.
Die Gemeinde hat aber doch damit argumentiert, dass man sich gewisse Mitspracherechte erhalten will. Die Deutsche Erdwärme hätte das Reservoir ja auch über Huttenheimer Gemarkung aus anzapfen können. 
Bernd Oberacker
Genau das werfen wir der Gemeinde vor. Diese Aussage käme einer sanften Drohung gegenüber der Gemeinde gleich. Unserer Meinung nach ist das nicht so einfach, sonst hätte die Deutsche Erdwärme ja gleich nach Huttenheim gehen können. Ein Geothermie-Werk ist ja keine Bonbonfabrik, die man ohne Weiteres einfach versetzen kann. Außerdem: Ein Vertrag ohne Rücktrittsklausel suggeriert nicht viel Mitspracherecht.
Geothermie-Kraftwerk in Graben-Neudorf
Die Deutsche Erdwärme bohrt bereits in Graben-Neudorf nach Erdwärme. Die Wassertemperaturen dort liegen aber weit über den Erwartungen. Foto: Wolfgang Schuster
Die Kritik der IG richtet sich vor allem gegen die Deutsche Erdwärme. Die EnBW arbeitet ja auch an Geothermie, steht aber bei Weitem nicht so im Fokus. Woher kommt das „Feindbild“ Deutsche Erwärme? 
Bernd Oberacker
Es ist kein Feindbild und ich begrüße auch bei jeder Begegnung die Leute von der Erdwärme mit Handschlag. Wir kritisieren aber zum Beispiel, dass die Deutsche Erdwärme ihren Sitz in München-Grünwald, einem deutschen Steuerparadies, hat. Dort saß auch Andrea Tandler, die jetzt wegen fragwürdiger Maskendeals verurteilt wurde. Und dort gibt es viele Briefkastenfirmen.
Aber kann man eine Firma verurteilen, nur, weil sie ihren Sitz an einem bestimmten Ort hat? 
Bernd Oberacker
Es hat auf jeden Fall ein „Gschmäckle“. Sie stellen sich auf ihrer Homepage als Deutschlands größter Betreiber von Geothermie-Anlagen dar, dabei haben sie noch gar kein Werk am Laufen. In Graben-Neudorf sind sie jetzt erst einmal gescheitert, da ist ein halbes Jahr oder Dreivierteljahr – vielleicht sogar aufgrund der „elektronikfeindlichen“ 200 Grad heißen Thermalbrühe dauerhaft – Ruhe. Und nun ziehen sie einfach weiter nach Dettenheim – frei nach dem Motto „Prinzip Hoffnung“? Diese Intransparenz werfen wir der Deutschen Erdwärme vor. 

IG Dettenheim weist Kritik an fehlender Präsenz zurück

In der jüngsten Gemeinderatssitzung kam die Kritik auf, die IG sei bislang nicht präsent gewesen, vor allem in den Sitzungen. 
Bernd Oberacker
Das stimmt so nicht. Wir waren unter anderem bei zwei Sitzungen und auf den beiden Bürgerinformationsveranstaltungen – im Gegensatz zu Bürgermeister Frank Bolz und einigen Gemeinderäten. Wir haben als IG sehr früh auf uns aufmerksam gemacht. Briefe an die Bevölkerung und an Ministerpräsident Winfried Kretschmann, eine Traktorfahrt durch Dettenheim, wöchentliche Veröffentlichungen im Gemeindeblatt – niemand kann sagen, er wusste von nichts. Diese Ignoranz ärgert mich einfach unheimlich, gerade weil wir sehr frühzeitig auf das geplante Bürgerbegehren hingewiesen haben. 
Das Wissen um das geplante Bürgerbegehren ist eine Sache, die Teilnahme an Sitzungen eine andere. Muss sich die IG nicht fragen lassen, warum sie nicht jede einzelne Sitzung des Gemeinderats wahrgenommen und genutzt hat, um sich zu positionieren? 
Bernd Oberacker
Die Ignoranz hat uns das Gegenteil bewiesen. Anfangs gab es Abstimmungen mit einzelnen Gegenstimmen. Glauben Sie wirklich, dass wir da was hätten bewegen können? Die Entscheidung war für die Gemeinderäte doch schon gefallen. Wir waren ihnen von Anfang an ein Dorn im Auge, weil wir den Finger in die Wunde gelegt haben. Grund für unser Tun ist nach wie vor das Beben mit Stärke 3,0 im Jahr 1989 in unmittelbarer Nähe des geplanten Geothermie-Standortes. Wir halten es für unverantwortlich über dieser tektonischen Störzone ein Tiefengeothermiewerk errichten zu wollen, welches Druck auf den Untergrund ausübt. Sinngemäß: „In der Nähe eines trockenen Holzstapels sollte man nicht mit Feuer zündeln!“ Wir – und viele Dettenheimer Bürger auch – haben schlicht und einfach Angst vor Erdbeben, deren zerstörerischer Gewalt der Mensch nichts entgegenzusetzen hat. Was, wenn die Erde mal wirklich mit Stärke 6,9 bebt und Menschen vielleicht zu Tode kommen, was bei vielen stärkeren Beben üblich ist? Diesen Schaden kann kein Versicherungsschutz wiedergutmachen.
Was kritisieren Sie konkret?
Bernd Oberacker
Der Versicherungsschutz im Sachschadenfall ist schon katastrophal. Der Gemeinderat nimmt es billigend in Kauf, dass Bürger im Schadenfall – unverschuldeterweise – mitunter auf vielen Tausend Euro Eigenbeteiligung sitzen bleiben. Im Januar noch machte man bei Ministerpräsident Kretschmann eine Landesbürgschaft für Schäden zwingend erforderlich für eine Zustimmung. Doch trotz einer abschlägigen Antwort hat man wenige Wochen darauf dann der Tiefengeothermie grünes Licht gegeben. Ein Skandal! Aber auch der Umstand, dass keine unabhängigen Geologen und Erdbebenforscher im Gemeinderat vor der Abstimmung gehört wurden, ist unverantwortlich. Fazit: Wir werfen dem Gemeinderat vor, bei diesem gefährlichen Risiko – insbesondere, weil wir in unserer Region Versuchskaninchen sind – die für die Prüfung erforderliche besondere Sorgfalt außer Acht gelassen zu haben! „Am Anfang war das vorsätzliche, schwere Foulspiel“. Der Bürgermeister hat gemeinsam mit dem Gemeinderat Fakten geschaffen, die uns alle Handlungsmöglichkeiten genommen haben. Im Fußball hätte das einen Platzverweis nach sich gezogen. In der Politik bleibt das jedoch unbestraft und wurde auch vom Landratsamt toleriert.
Hat sich die Mitgliederzahl der IG im Nachgang der Gemeinderatssitzung denn erhöht?
Bernd Oberacker
Die IG hat ja keine wirklichen Mitglieder. Es sind mehr Unterstützer. Vor und nach der Sitzung haben weitere Menschen angeboten, uns zu unterstützen. Wir hätten zweifellos auch noch mehr Unterschriften zusammenbekommen, wenn wir mehr Zeit gehabt hätten. Auch bei der Traktorfahrt im letzten Jahr – mit BNN-Begleitung – hat sich damals spontan ein Traktorfahrer angeschlossen.
Die Diskussion um die Geothermie wird mitunter sehr hitzig geführt. Geht es um lautstarke Bürgerforderungen, wird mitunter auch mal der Begriff des „Wutbürgers“ bemüht. Empfinden Sie sich als solcher? 
Bernd Oberacker
Absolut nicht. Von Wutbürgern, die unqualifiziert herumbrüllen und wahllos gegen alles schießen, distanzieren wir uns ausdrücklich. Wir haben inzwischen dagegen ein in mehreren hundert Stunden erworbenes Grundwissen. Unsere Argumente sind fundiert. In den Diskussionen mit CDU und Freien Wählern und einem späteren Termin mit den Fraktionsspitzen aller Parteien und Bürgermeister Bolz haben wir gemerkt, dass man uns nichts entgegenzusetzen hat. SPD und Grüne haben uns übrigens verschmäht. Fakt ist: Wenn man nicht laut ist, wird man nicht gehört. Man muss schon plakativ vorgehen, damit die Bevölkerung eine Bewegung wie die IG auch wahrnimmt. Kritische Stimmen scheinen oft nicht gewünscht, auch auf den Bürgerveranstaltungen. Wir stehen auch mit anderen Bürgerinitiativen im Austausch, zum Beispiel in Waghäusel. 
Wie funktioniert denn die Zusammenarbeit mit den anderen Initiativen? Mitunter hat man den Eindruck, dass die Geothermie-Gegner an allen Fronten aktiv sind. 
Bernd Oberacker
Das Schöne ist, dass es bei den verschiedenen IG und BI keine Egos gibt, die sich in den Vordergrund drängen. Nicht jeder will in einer Versammlung sprechen, manche sammeln lieber Unterschriften oder verteilen Flyer. Wir arbeiten alle zusammen und tauschen unsere Erfahrungen untereinander aus. So wissen wir zum Beispiel aus Waghäusel, welche Bedeutung der genaue Wortlaut für ein Bürgerbegehren hat. Aus diesem Grund haben wir das Protokoll der Gemeinderatssitzung angefordert, bei der der Entschluss für die Vertragsunterschrift fiel. Wir wussten, wir haben nur einen Versuch. Mit dem alleinstehenden Beschlusssatz, den uns die Gemeinde zunächst geschickt hat, konnten wir ohne die ergänzenden Informationen nichts anfangen. 
Zum Abschluss noch eine Frage: Wie sollte man die Energiewende denn Ihrer Meinung nach angehen, wenn nicht mit Geothermie?
Bernd Oberacker
Nicht mit Tiefengeothermie, zumindest nicht bei uns. In Bayern zum Beispiel funktioniert das gut, da ist der Untergrund einfach anders beschaffen. Hier im Oberrheingraben liegt die Sache anders, da ändert sich die Bodenbeschaffenheit innerhalb weniger hundert Meter. Stattdessen sollte man auf Oberflächen-Geothermie setzen. Für mich ist der wichtigste Baustein in der Energiewende aber Photovoltaik. Das ist das Nonplusultra und wird spätestens, wenn auf dem Gebiet der Speichertechnik weitere Fortschritte erzielt werden, durch die Decke gehen. Das ist ja auch der Punkt, den wir überhaupt nicht verstehen können. Im Gespräch mit den Freien Wählern wurde bestätigt, dass keine Alternativen belastbar geprüft wurden. Die Vorstellung der Deutschen Erdwärme wurde als allein selig machend akzeptiert, eine Risikoabwägung fand für uns erkennbar nicht statt.
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