Skip to main content

Tod in der Heilanstalt

Die Stadt Bretten erneuert den Stolperstein für Mina Schabinger

Am 26. Januar wird in Bretten ein Stolperstein neu verlegt. Die Zehntklässler des Melanchthon-Gymnasiums beleuchten das Martyrium einer psychisch kranken Adventistin.

Mit weißen Rosen, einem Grablicht und nachdenklichen Texten erinnern Zehntklässler an die Brettener Adventistin Mina Schabinger die von den Nazis entmündigt, zwangssterilisiert und in Anstalten eingewiesen wurde, wo sie unter ungeklärten Umständen 1944 starb.
Mit weißen Rosen, einem Grablicht und nachdenklichen Texten erinnern Zehntklässler an die Brettener Adventistin Mina Schabinger, die 1944 unter ungeklärten Umständen starb. Foto: Hansjörg Ebert

Die Würde des Menschen kann antastbar sein. Einmal mehr wurde das deutlich bei der Neuverlegung eines Stolpersteins für die 1905 in Bretten geborene und 1944 in der Heilanstalt Hoerdt ums Leben gekommene Mina Schabinger. Die Nazis hatten sie zunächst entmündigt, dann zwangssterilisiert und in verschiedene Heilanstalten einweisen lassen. Die genauen Umstände ihres Todes sind nicht bekannt.

Etwa zwei Dutzend Bürgerinnen und Bürger waren zu der Stolperstein-Verlegung in die Brettener Schillstraße gekommen. Dort befindet sich der letzte bekannte Wohnort von Mina Schabinger. Für sie gab es zwar schon einen Stolperstein in Bretten, weil sich aber einige Daten auf dem alten Stein als nicht korrekt erwiesen hatte, wurde ein neuer Stein gefertigt und in den Boden gepflanzt.

Bei der Verlegung mit dabei waren die Schüler der Klasse 10d des Melanchthon-Gymnasiums, die sich intensiv mit der Lebensgeschichte von Mina Schabinger und dem Thema Euthanasie beschäftigt hatten.

Durch eine uneheliche Tochter geriet Mia Schabinger ins Visier der Behörde

Die Schabinger-Familie gehörten der Religionsgemeinschaft der Sieben-Tage-Adventisten an, was sie vermehrt den Anfeindungen des Regimes aussetzte. Als Mina Schabinger Anfang 1933 ihre uneheliche Tochter Irmgard zu Welt brachte, geriet sie ins Visier der Fürsorgebehörden. Mutter und Tochter wurden in ein Heim gebracht, wo die Mina durch angeblich „anormales Verhalten“ auffiel. Ein Bezirksarzt diagnostizierte „Schizophrenie“, was zunächst die Entmündigung, dann die Zwangssterilisation nach sich zog.

Damit begann das Martyrium beider, die Tochter wurde von der Mutter getrennt und wuchs unter schwierigen Bedingungen in Heimen auf. Ihr ganzes Leben lang litt Irmgard Schabinger, bei der man gleichfalls eine psychische Beeinträchtigung diagnostizierte, unter der Trennung von ihrer Familie. Sie starb im Dezember 2018 in einem Altersheim in Schwarzach.

Historikerin bezweifelt die Ermordung der Mutter

Vergeblich versuchte Mina Schabinger, ihr Kind wiederbekommen. Mit der psychiatrischen Einstufung als ‘geistig minderwertig’ wurde ihr das verwehrt. Vergeblich bemühte sich auch ihre Familie, sie aus dem Heim wieder nach Hause zu holen. Fast zehn Jahre verbrachte die Brettenerin in verschiedenen Anstalten. Am 28. August 1944 starb sie in Hördt, angeblich an Fieber, einer Lungenentzündung und Herzschwäche. Die genaue Ursache für ihren für die Familie unerwarteten Tod ist unbekannt.

Das schlimme Schicksal von Mina Schabinger hat mich sehr berührt.
Clara 
Schülerin

Aus diesem Grund hatte sich auch im Vorfeld der Stolperstein-Verlegung ein Disput über den Begriff „ermordet“ entwickelt. Denn die Historikerin Lea Münch bezweifelt in ihrer Dissertation über die Leidensgeschichten von Mina und Irmgard Schabinger, dass es sich beim Tod der Mutter um einen bewusst herbeigeführten Todesfall handelt.

Es sei wohl auch nicht richtig zu behaupten, an ihr seien „unübliche medizinische Experimente vorgenommen worden“, moniert die Historikerin. Von „Ermordung“ will Münch deshalb nicht sprechen und auch die Einordnung des Falls in die Sparte „Euthanasie“ sieht die Historikerin kritisch.

In diesen großen Zusammenhang aber stellen das Brettener Stadtarchiv und das Städtische Museum den Fall Schabinger. So in der jüngsten NS-Ausstellung wie auch in deren Online-Version. Die Ausführungen der Melanchthon-Schüler beziehen sich auf diese Unterlagen.

Brettener Schüler haben im Stadtarchiv recherchiert

„Die Nationalsozialisten verwendeten den Begriff Euthanasie, um den systematischen Massenmord tausender Menschen zu beschönigen“, führten die Zehntklässer des MGB aus und referierten, wie die Nazis Menschen mit psychischen Krankheiten oder körperlichen und geistigen Behinderungen als minderwertiges und lebensunwertes Leben abqualifizierten und umbrachten.

„Alle unsere Informationen stammen aus dem Stadtarchiv und von der Historikerin Lea Münch, die über die Lebensgeschichte von Mina Schabinger promoviert hat“, erklärt Klassenlehrerin Natalia Lakman. Auf dem Stein stehe „ermordet“, dafür gebe es zwar keine letzten Beweise. „Doch wir wissen, wie die Behandlung in den Heilanstalten war und dass die Todesumstände mehr als merkwürdig waren. Und was soll man denn sonst auf den Stolperstein schreiben?“, gibt sie zu Bedenken.

Schicksal von Mina Schabinger aus Bretten berührt die Schüler

Man habe auch in der Klasse darüber gesprochen, und die Schüler hätten überlegt, ob es nicht eine Verharmlosung wäre, einfach zu schreiben, dass Mina Schabinger dort gestorben ist. Sie sei ja schließlich nicht freiwillig in dieser Anstalt gewesen. Wichtig sei doch, dass der Stein hier liege und daran erinnere, dass hier ein Opfer des Nationalsozialismus gelebt hat.

Das sieht die 15-jährige Clara genauso: „Ich finde es sehr wichtig, dass man die Stolpersteine verlegt, die Geschichten der Opfer erzählt und an sie erinnert. Das schlimme Schicksal von Mina Schabinger hat mich sehr berührt, auch weil es hier in Bretten passiert ist“, erzählt die MGB-Schülerin.

nach oben Zurück zum Seitenanfang