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Zehnjähriger Kampf mit Trockenheit

Der Regen im Winter war ein Segen für das Weingartener Moor

So schön wie in diesem Frühjahr zeigt sich das Naturschutzgebiet ganz selten. Der Grundwasserspiegel hat sich erholt. Die Moorflächen sind gesättigt. 

Im Bruchwald im Weingartener Moor steht das Grundwasser. Der Naturschützer Hans-Martin Flinspach setzt sich für das artenreiche Biotop ein.
Im Bruchwald im Weingartener Moor steht das Grundwasser zwischen den Bäumen. Der Naturschützer Hans-Martin Flinspach setzt sich für das artenreiche Biotop ein. Foto: Pia Frei

Ein selten gewordenes Naturschauspiel können Besucher aktuell im Weingartener Moor erleben. Die reichlichen Niederschläge der vergangenen Monate haben den Grundwasserspiegel ansteigen lassen. Der Moorsee ist gefüllt. Im Bruchwald steht Wasser zwischen den Bäumen.

Naturschützer berichtet über die Probleme mit der Trockenheit in Weingarten

Naturschützer Hans-Martin Flinspach ist begeistert. 16 Jahre hat er beim Regierungspräsidium für den Naturschutz gearbeitet, danach über 20 Jahre als Kreisökologe für die Untere Naturschutzbehörde des Landratsamts Karlsruhe. Während dieser Zeit war er maßgeblich an der Gründung von 13 Naturschutzgebieten in der Region beteiligt.

Wie geht es dem Weingartener Moor?
Flinspach
 Die letzten zehn Jahre hatte das Moor immer wieder mit Trockenheit zu kämpfen. Große Bereiche drohten trockenzufallen. Der Moorsee war im Sommer oft ausgetrocknet. Die vielen Niederschläge des letzten Winters sind ein wahrer Segen. Der Grundwasserspiegel hat sich erholt. Die Moorflächen sind gesättigt. So schön wie in diesem Frühjahr zeigt sich das Naturschutzgebiet ganz selten.
Wird der Moorsee in diesem Sommer austrocknen?
Flinspach
Die Chance ist groß, dass die Wasserfläche in diesem Jahr erhalten bleibt. Vermutlich hat der Moorsee im Moment einen Wasserstand von rund 70 Zentimetern. Auch die Moorfläche hat sich wie ein Schwamm vollgesaugt. Was man sieht, ist Grundwasser.  
Was passiert, wenn der Grundwasserspiegel sinkt?
Flinspach
Kurzfristig ist das kein Problem. Wenn das Moor aber über längere Zeit trockenfällt, dann beginnt sich der Torf unter Luftzufuhr zu mineralisieren. Bei der Zersetzung werden große Mengen CO2 freigesetzt. Der Zersetzungsprozess geht schnell vonstatten, der Moorbildungsprozess ist dagegen sehr langsam. Bei guten Bedingungen – wie in diesem Jahr – bildet sich pro Jahr nur ein Millimeter Moorboden.  
Wie ist das Weingartener Moor entstanden?
Flinspach
Vor über 4.000 Jahren gab es parallel zum Rhein die Kinzig-Murg-Rinne, die von den Schwarzwaldbächen und in unserer Gegend aus dem Kraichgau gespeist wurde. Mit der Zeit ist die Rinne verlandet. An den tieferen Stellen blieb das Wasser zurück. Da kein Zu- und Abfluss mehr vorhanden war, sank der Sauerstoffgehalt. Abgestorbene Pflanzen und Lebewesen konnten nicht verrotten, es bildeten sich Moore. Mit der Besiedlung wurden große Flächen für Siedlungs- und Ackerflächen trockengelegt. Anfang des letzten Jahrhunderts wurde das Moor auch wirtschaftlich genutzt. Insgesamt wurden rund 40.000 Kubikmeter Torf gestochen. An der Stelle befindet sich heute der Moorsee.  
Wird das Moor heute noch wirtschaftlich genutzt?
Flinspach
Bereits 1940 wurde das Weingartener Moor zum Naturschutzgebiet erklärt. 1984 kamen der Erlen-Bruchwald und der nördliche Teil des Grötzinger Baggersees dazu. Heute wird das 260 Hektar große Gebiet nicht mehr bewirtschaftet, sondern vom Forst im Auftrag der beiden Kommunen gepflegt. An Wegen und Waldrändern werden Verkehrssicherungsmaßnahmen gemacht. Das Naturschutzgebiet beherbergt viele seltene Tier- und Pflanzenarten.  
Welchen Einfluss hat der Klimawandel?
Flinspach
Die Hitzesommer der letzten Jahre haben dem Moor zugesetzt. Das Weingartener Moor wird vom Grundwasser gespeist. Der Grundwasserstand sank mehrfach um über einen Meter ab. Das Moor lag trocken. Verschwindet das Wasser, dringen Baumarten von trockeneren Standorten in die nässeren Bereiche des Moores ein, wie der Bergahorn, die Ulme, die Stieleiche. Es wurden Überlegungen angestellt, Wasser ins Moor einzuleiten. Letztendlich wurde davon abgesehen. Die benötigte Menge zur Anhebung des Grundwasserspiegels ist nicht zu schaffen. Wandelt sich das Klima über Jahrtausende, ist das für die Natur kein Problem. Sie passt sich an. Der heutige Klimawandel passiert aber rasend schnell, die Natur kann nicht mithalten.  
Wird es Moor und Bruchwald also in Zukunft noch geben?
Flinspach
Wie genau die Entwicklung sein wird, wissen wir heute noch nicht. Aktuell werden die ersten Ergebnisse eines vom Regierungspräsidium durchgeführten hydrologischen Gutachtens bekannt. Es kommt darauf an, ob unterirdische Grundwasserströme bleiben werden. Das Weingartener Moor ist ein wertvolles Biotop. Sein Erhalt ist für Menschen, Tiere und Pflanzen wichtig. Deshalb appelliere ich auch an alle Besucher: Genießen Sie die Schönheit der Natur. Aber bleiben Sie auf den Wegen. Und helfen Sie mit, dieses Kleinod zu schützen.
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