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Vor Kommunalwahl

Erstwählerinnen treffen in Ottersweier zwischen Pizza und Popcorn auf Gemeindepolitik

Ottersweier hat sich ins Zeug gelegt, um Erstwähler ins Gemeindezentrum zu locken. Einige sind gekommen – und lobten danach die Idee. Doch wo waren die männlichen Jungwähler?

Mehrere Menschen stehen an einem Stand der CDU in Ottersweier.
Für die CDU Ottersweier sprechen Magdalena Kist (hinten links), Maximilian Wald (Mitte) und Richard Höß (hinten rechts) mit den Erstwählerinnen. Foto: Christoph Kölmel

Der Saal im Gemeindezentrum Ottersweier ist gerade zur Hälfte voll, als Bürgermeister Jürgen Pfetzer (CDU) zur Begrüßung ansetzt. Sein Blick schweift über die knapp 15 jungen Menschen, die sich zusammen in die letzten Sitzreihen gedrängt haben.

Einen „Quotenmann“ könne er darunter nicht finden, sagt Pfetzer. Tatsächlich sind nur Erstwählerinnen zum „Pizza-Speed-Dating“ gekommen.

Pizza und Popcorn sollen bei Jungwählern in Ottersweier Interesse wecken

„Gespräche, Pizza und Popcorn satt“ hatte die Gemeinde in einer Einladung versprochen, die an alle Erstwähler verschickt und auch auf Instagram gepostet wurde. Das Ziel: Junge Einwohner zwischen 16 und 20 Jahren für die Kommunalwahl am 9. Juni begeistern.

Die Kandidaten für den Gemeinderat füllen die übrigen Plätze im Saal und sind deutlich in der Überzahl. Eine Erstwählerin könnte sich theoretisch mit mehr als zwei Bewerbern gleichzeitig unterhalten.

Doch bevor die Wählerinnen im Gespräch herausfinden, wen sie wählen wollen, stellen sie sich eine andere Frage. Wie wähle ich überhaupt?

Insbesondere in Ottersweier mit seiner unechten Teilortswahl zwischen den Bezirken Ottersweier und Unzhurst ist das gar nicht so einfach.

Lars Hobich und Jan-Henrik Albertsen stehen vor einer Leinwand.
Jan-Henrik Albertsen (links) und Lars Hobich Foto: Christoph Kölmel

Die Antwort liefern Lars Hobich und Jan-Henrik Albertsen von der Landeszentrale für politische Bildung in einem kurzen Vortrag. Das Wahlrecht in Baden-Württemberg sei ohnehin schon besonders kompliziert, sagt Albertsen. „Und die unechte Teilortswahl macht alles noch komplizierter.“

In wenigen Minuten klären die beiden über Kumulieren und Panaschieren auf. Dann leiten sie in den wichtigsten Teil des Abends über: zum Speed-Dating, zunächst noch ohne Pizza.

In kleinen Gruppen verteilen sich die Erstwählerinnen auf die Stände von CDU, SPD, Freien Wählern und Grünen. Nach ein paar Minuten klingelt ein Wecker, dann wird durchgewechselt.

Junge Bewerber stellen sich in Ottersweier den Erstwählerinnen vor

An den Ständen stehen nicht nur altgediente Gemeinderäte, sondern auch Kandidatinnen wie Cheyenne Riehle von der SPD – Jahrgang 2003. Ihr Einsatz für Ottersweier ist nicht neu: Vor einigen Jahren machte sich Riehle für einen Bauwagen als Treffpunkt für Jugendliche stark. Was treibt sie jetzt in die Kommunalpolitik?

„Wir haben hier so einen familiären Umgang, da will ich gerne mitmachen“, sagt Riehle. Ihr Ziel sei es, die jüngere und ältere Generation wieder näher zusammen zu bringen. „Junge und Alte haben einige Vorurteile übereinander“, stellt Riehle fest.

Sie wolle ins Gedächtnis rufen, dass die Älteren viel für Ottersweier geleistet hätten. Umgekehrt sei deren hartes Urteil über die Jüngeren oft nicht ganz fair.

Am CDU-Stand warten Magdalena Kist, Maximilian Wald und Richard Höß auf die Erstwählerinnen. Kist ist mit 18 Jahren die jüngste Bewerberin in Ottersweier. Wald und Höß sind 19 und 20 Jahre alt.

Kist, selbst Mitglied der Burg-Windeck-Musikanten, tritt mit einer klaren Mission an: Sie will das Vereinsleben im Ort stärken und so die Gemeinde enger zusammenwachsen lassen. „Ich kann allen nur sagen: Geht in die Vereine, dafür ist es nie zu spät“, appelliert sie.

Angst vor der oft etwas trockenen Sacharbeit in Ausschüssen haben die drei nicht. Wald erwähnt beispielhaft das neue Hochwasserrückhaltebecken – es sei wichtig, sich um solche Dinge zu kümmern. „Was sonst passieren kann, hat man ja im Ahrtal gesehen.“

Als junger Mensch habe ich vielleicht noch eher ein Gefühl dafür, was die Jüngeren interessiert.
Lavdim Hocak
FWG

Lavdim Hocak (Jahrgang 2000) tritt für die Freie Wähler Gemeinschaft (FWG) an. Er lobt den guten Kurs, auf dem sich Ottersweier seit Langem befinde. Den wolle er im Gemeinderat stärken und auch die gute Zusammenarbeit zwischen den Parteien fortführen.

„Als junger Mensch habe ich vielleicht noch eher ein Gefühl dafür, was die Jüngeren interessiert“, sagt er. Er wolle aber für alle Einwohner der Gemeinde ein Sprachrohr sein.

Zum Ende des Speed-Datings weht ein unverkennbarer Geruch durch den Saal: Pizza. Die Erstwählerinnen Sophia Henrich und Sofia Huber haben sich schon ein Stück gesichert.

Dass es Popcorn und Pizza gibt, hat auf jeden Fall geholfen.
Sophia Henrich
Erstwählerin

„Ich finde gut, dass man die Kandidaten kennenlernen konnte und jetzt ein echtes Bild von ihnen hat“, sagt Huber. Auch Henrich lobt den Abend – ohne die Lockmittel der Gemeinde wäre sie aber vielleicht nicht gekommen. „Dass es Popcorn und Pizza gibt, hat auf jeden Fall geholfen.“

Ist ein Abend zur Kommunalpolitik für männliche Jugendliche nicht cool genug?

Warum sich keine männlichen Erstwähler ins Gemeindezentrum verirrt haben, können die beiden nicht beantworten. Auch Bürgermeister Pfetzer ist ratlos.

Er wolle sich aber ohnehin nicht über die ärgern, die nicht gekommen sind. „Ich freue mich vor allem über die, die hier waren“, sagt er.

Eine mögliche Erklärung liefert Jan-Henrik Albertsen von der Landeszentrale für politische Bildung. Männlichen Jugendlichen sei etwas anderes wichtiger: Coolness.

„Cool“ zu sein und aktiv einen Abend mit Informationen zur Kommunalwahl zu besuchen, passe in ihren Augen schlecht zusammen. Wenn Albertsen seinen Vortrag in Schulen halte, stelle er hingegen keinen Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Interesse fest.

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