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Weniger Hausärzte und Apotheken

Diskussion in Karlsbad: Wie geht es mit der medizinischen Versorgung im Land weiter? 

„Medizin in Not“ – so lautet der Titel einer fast dreistündigen Diskussion in Karlsbad-Langensteinbach. Der Name ist dabei Programm.

Hausarzt untersucht Patientin
Gerade in den ländlichen Gemeinden werden Allgemeinmediziner immer rarer – hier ein Symbolbild Foto: Christin Klose/dpa

„Vom Hausarzt wie bisher werden wir uns verabschieden müssen.“ Diese Bilanz hat einer der rund 60 Besucher zum Abschluss einer fast dreistündigen Diskussion im Bibelheim Bethanien in Langensteinbach gezogen

Es war fast ausschließlich älteres Fachpublikum – Ärzte, Apotheker, Physiotherapeuten – das zur von der CDU-Landtagsabgeordneten Christine Neumann-Martin initiierten Veranstaltung „Medizin in Not“ gekommen war.

Auf dem Podium dabei: der bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion und Mediziner Michael Preusch sowie die Apothekerin Tabea Erdmann aus Karlsbad.

Starker Apotheken-Rückgang auf dem Land

Erdmann betonte, es gebe seit 1980 derzeit in Baden-Württemberg die geringste Apothekenzahl, „insbesondere auf dem Land“. Sie führte das auf hohe Kosten für Personal und Nebenkosten, vor allem aber den enormen bürokratischen Aufwand zurück, der dafür sorge, dass „Fachkräfte mit Papier und nicht dem Kunden beschäftigt sind“.

Die letzte Packung Penicillin habe ich im März gesehen.
Tabea Erdmann
Apothekerin aus Karlsbad

Hinzu komme, dass geringste Formfehler bei Rezepten zu Rückforderungen der Krankenkasse führten. „Das ist jungen Apothekern nicht mehr vermittelbar“, betonte sie.

Hinzu kommen Lieferengpässe bei Medikamenten. Fiebersäfte für Kinder habe sie selbst herstellen müssen und „die letzte Packung Penicillin habe ich im März gesehen“.

Das war auch Thema von Marius Mahl aus Hambrücken. Für ihn wäre es wichtig, dass die Medikamenten-Produktion in Deutschland finanzierbar werde und nicht in Indien oder China erfolge.

„Pharmazie ist nicht nur Produktion, sondern auch Forschung und muss gefördert werden. Auch Rohstoffe sind sicherzustellen“, warf ein Pharmazeut ein.

Mann referiert am Podium vor Versammlung.
Bei der Diskussion am Tisch Landtagsabgeordnete Christine Neumann-Martin und Apothekerin Tabea Erdmann (von links), hinten am Rednerpult Landtagsabgeordneter und Mediziner Michael Preusch. Foto: Ulrich Krawutschke

Michael Preusch hatte ein paar Zahlen parat: „Die Zahl der Ärzte in Deutschland ist so hoch wie noch nie, auch die Zahl der Medizinstudierenden ist stark gestiegen.“

Dem gegenüber stehe, dass viele Ärzte „den unternehmerischen Mut für eine eigene Praxis nicht haben“, lieber als Angestellte mit reduziertem Aufwand arbeiten würden. Viele Ärzte der geburtenstarken Jahrgänge hätten den Ruhestand vor Augen.

Viele Ärzte ziehen eine Anstellung der freien Tätigkeit vor

„20 bis 30 Prozent werden wir absehbar verlieren“, so Preusch. „Das ist seit 20 Jahren bekannt, aber die Politik hat nicht reagiert“, lautete ein kritischer Zwischenruf.

Laut Preusch seien die Arbeitsbedingungen in Kliniken deutlich verbessert worden, sodass viele Ärzte wegen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Anstellung der freien Tätigkeit vorziehen.

Die Politik verfolge daher in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) eine Strategie mit einem genossenschaftlichen Modell für die Versorgung auch auf dem Land: Aufbau medizinischer Versorgungszentren, in denen Ärzte Anstellung und attraktive Arbeitsbedingungen finden.

Um die Landarztquote zu erhöhen, werde auch an eine Verbundweiterbildung gedacht, bei der junge Ärzte vor der Entscheidung über ihre künftige Berufsausübung zwei bis drei Monate Erfahrungen in einer Klinik und einen Monat in einer Praxis sammeln können.

Ein Arzt im Publikum kritisierte, dass „wir Ärzte ersetzt werden sollen, indem man Physiotherapeuten, Ergo- oder Logopäden akademisiert“.

Die Politik muss den Bürgern klarmachen, dass es nicht mehr alles gibt.
Susanne Fischer
Hausärztin aus Pfinztal-Söllingen

Hausärztin Susanne Fischer aus Pfinztal-Söllingen sprach sich wegen der überforderten Notdienste deutlich für eine Notdienstreform aus.

„Die Politik muss den Bürgern klarmachen, dass es nicht mehr alles gibt“, sagte sie. Ein neues Leitstellengesetz für Notfälle sei erforderlich, bestätigte Preusch. Gemeinderat Thomas Gegenheimer aus Berghausen, wo es bald wohl keinen Landarzt mehr gebe, sah in der Diskussion zur Behebung des Ärztemangels „gute Ansätze“, auf die Umsetzung sei er aber gespannt.

Mehr Förderung, um Ärzte zu gewinnen, forderte Jochem Bertram aus Malsch, wo viele Ärzte vor dem Ruhestand stünden. Dort soll es einen Runden Tisch der Ärzte mit dem Bürgermeister geben.

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