Bereits zweimal ist Richard Eduje in den vergangenen Tagen auf eine Corona-Infektion getestet worden. Beide Male war das Ergebnis negativ. „Die Ansteckungsgefahr ist bei meinem Beruf doch recht groß“, sagt Eduje mit einem Schulterzucken.
Der 22-jährige Nigerianer absolviert derzeit nämlich eine Ausbildung zum Altenpflegehelfer im Senioren-Zentrum Stutensee, das wegen der zahlreichen Corona-Infektionen bei Pflegepersonal und Betreuten in den vergangenen Tagen sogar überregional bekannt wurde.
Mehr Sorgen vor Abschiebung als vor Ansteckung
Viel mehr Sorgen als eine mögliche Covid-19-Erkrankung bereitet Eduje allerdings sein schwebendes Asylverfahren. Wird der Antrag abgelehnt, kann er theoretisch aus seiner Ausbildung heraus abgeschoben werden.
Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus im Überblick
„Es fehlen noch Dokumente“, sagt Eduje. Aber eigentlich habe er ohnehin wenig Hoffnung auf eine Anerkennung als Asylbewerber und erlebe deshalb ein tägliches Wechselbad der Gefühle zwischen Hoffen und Bangen.
Das ist eine Situation, die auch Samba Sabally sehr gut kennt. „Ich schlafe mittlerweile nicht mehr gut“, sagt der 33-jährige Gambier, der vor fünf Jahren nach Deutschland kann und dessen Asylantrag bereits abgelehnt wurde.
Dass jeden Tag die Polizei vor der Tür stehen und mich einfach mitnehmen kann, ist eine echte Horrorvorstellung.Samba Sabally, geduldeter Flüchtling aus Gambia
Mit einer Duldung, aber ohne alle Papiere, absolviert er derzeit eine Ausbildung zum Altenpfleger im Senioren-Zentrum Pfinztal. Wenn er die dreijährige Ausbildung wie geplant im September beendet, hat Samba Sabally zumindest für zwei Jahre eine Arbeitserlaubnis sicher.
Der Wunsch, in Deutschland zu bleiben und zu arbeiten
Bis es vielleicht einmal so weit ist, bleibt die Angst vor einer möglichen Abschiebung allerdings Saballys ständiger Begleiter. „Dass jeden Tag die Polizei vor der Tür stehen und mich einfach mitnehmen kann, ist eine echte Horrorvorstellung“, sagt Sabally.
Manchmal falle es ihm deshalb sogar schwer, sich zum Weitermachen zu motivieren. „Die Arbeit mit den älteren Menschen macht aber meistens Spaß. Deshalb will ich auch gerne in Deutschland bleiben“, sagt der angehende Altenpfleger.
Afrikanischen und afghanischen Azubis in Karlsruhe droht die Abschiebung
Richard Eduje und Samba Sabally sind keine Einzelfälle. Alleine unter den Teilnehmern des Projekts „Perspektive Now“ des Internationalen Begegnungszentrums (IBZ) Karlsruhe sind derzeit ein gutes Dutzend Geflüchtete aus Afrika und Afghanistan akut von einer Abschiebung bedroht.
„Diese Menschen sind alle gut integriert und stehen mitten in der Ausbildung. Trotzdem haben sie keine Bleibeperspektive“, sagt Iris Sardarabady. Die Geschäftsführerin des IBZ fordert die Politik deshalb zum Handeln auf. „Es geht dabei nicht nur um die Menschen. Auch die Wirtschaft braucht diese Leute mehr denn je“, betont sie.
Viele der abgelehnten Asylbewerber arbeiteten schließlich in Berufen mit einem hohen Fachkräftebedarf. Zahlreiche Geflüchtete sind im systemrelevanten Pflegebereich tätig, andere landen im Handwerk oder in der Gastronomie, wo seit Jahren ebenfalls viele Lehrstellen unbesetzt bleiben.
Wirtschaft will Flüchtlinge halten
Dass unbesetzte Ausbildungsplätze mittlerweile mit Flüchtlingen besetzt werden können, haben nach Sardarabadys Einschätzung auch die regionalen Vertretungen von Handel und Handwerk erkannt.
Organisationen wie die Industrie- und Handelskammer (IHK) Karlsruhe und die Handwerkskammer Karlsruhe würden schließlich mit entsprechenden Programmen um die Aus- und Weiterbildung von Geflüchteten werben und Druck auf die Politik ausüben.
„Trotzdem werden immer wieder gut integrierte, berufstätige Leute abgeschoben. Nur manchmal können diese Menschen dank der Unterstützung von Arbeitgebern oder Hilfsorganisationen gerettet werden“, sagt Sardarabady.
Karlsruher Begegnungszentrum fordert aufenthaltsrechtlichen Spurwechsel
Von der Bundesregierung fordert die IBZ-Geschäftsführerin deshalb einen „aufenthaltsrechtlichen Spurwechsel“. Doch auch die baden-württembergische Landesregierung sei bei dem Thema in der Pflicht und müsse ihren Spielraum beim Schutz von integrierten Flüchtlingen besser nutzen. Asylrecht genießen in Deutschland nur Menschen, die in ihren Heimatländern politisch verfolgt wurden.
Subsidiären Schutz gibt es für Geflüchtete aus dem Bürgerkriegsland Syrien, eine sichere Bleibeperspektive haben dazu noch Menschen aus Eritrea. Asylanträge von Flüchtlingen aus Nigeria oder Gambia werden derzeit fast ausschließlich abgelehnt.
Paten helfen Flüchtlingen beim Ankommen in Deutschland
Richard Eduje und Samba Sabally entschlossen sich wegen der Gewalt in ihren Heimatländern durch militärische Organisationen wie Boko Haram und wegen der damit verbundenen Perspektivlosigkeit für eine Flucht. Eine Perspektive haben die beiden Männer auch dank des Programms „Perspektive Now“ gefunden, wo sie von ehrenamtlichen Paten an das Leben in Deutschland herangeführt wurden.
„Als ich hier ankam, war ich vollkommen auf mich alleine gestellt“, sagt Sabally. „Aber dann haben mir sehr viele Menschen geholfen und mich unterstützt. Diese Leute sind für mich inzwischen eine Familie.“