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Langfristige Lösung heißt Qualifizierung

Armut kann in Karlsruhe jeden treffen – aber eine Gruppe ist besonders gefährdet

Der Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands offenbart erschreckende Zahlen. Armut und Abstieg bedroht immer noch vor allem eine Bevölkerungsgruppe.

Eine Person hält Münzgeld in der Hand.
Insgesamt hat die Einkommensarmut der Studie zufolge von 2021 auf 2022 leicht abgenommen. Seit 2010 sei die Armutsquote im Trend jedoch spürbar gestiegen. Foto: Friso Gentsch/dpa/Illustration

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat den Armutsbericht 2024 vorgestellt. „Langfristig ist es nötig, dass Menschen sich qualifizieren können: Wir können es uns nicht leisten, potenzielle Führungskräfte und Facharbeiter im Stich zu lassen“, sagte Sabine Wild bei der Veranstaltung. Sie leitet die Armutsprojekte beim Paritätischen Wohlfahrtsverband.

Und sie nennt auch Beispiele, wo dringend kurzfristige Unterstützung für arme oder von Armut bedrohte Menschen im Land nötig ist: Kostenloser öffentlicher Nahverkehr, bezahlbares Wohnen, eine gesunde kostenlose Verpflegung in Schulen, kostenlose Kinderbetreuung, eine niederschwellige Aufklärung über ihre Rechte und eine Beratung, wie und wo man Hilfe bekommen kann. Kurzfristige Forderungen für schnelle Effekte.

Langfristig zähle Qualifizierung, so Wild. „Wir brauchen vor allem faire Arbeitsverhältnisse und müssen in Bildung investieren: Die Jugend ist unsere Zukunft.“

Für das Land Baden-Württemberg sieht es nicht viel besser aus

Es ist ein erschreckender Bericht, den der Gesamtverband in der Bundespressekonferenz vorgestellt hat, und für das Land Baden-Württemberg sieht es nicht besser aus. Mit 13,5 Prozent liegt das Land zwar, mit Bayern und Brandenburg, noch unter der 15-Prozent-Marke, dennoch heißt das, dass 1,5 Millionen Menschen im Land arm sind: „Das sind die Einwohner von Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim und Freiburg zusammen.“

Obendrein nehmen die Zahlen zu: Verglichen mit 2005 stieg die Armut um 28 Prozent, und es sind die Zahlen des Jahres 2022 – vor Krieg und Inflation. Es kann jeden treffen: ein Unfall, Arbeitsunfähigkeit, bei Frauen die Scheidung, man rutscht schnell in Armut ab.

Am schlimmsten betroffen von Armut, vor allem von Altersarmut, sind immer noch Frauen: Sie verdienen zeitlebens weniger, kümmern sich unbezahlt um die Familie und bekommen im Alter weniger Rente. Viele von ihnen schämen sich und gehen nicht zum Amt, um Bürgergeld zu beantragen, weiß Lissi Hohnerlein, Geschäftsführende Vorständin des Tagestreffs von Sozpädal. „Sie müssen da zudem alles offenlegen, was sie getan haben und was nicht“, sagt Hohnerlein, „da schreit sonst jeder: Datenschutz!“

Viele Frauen berichten von herabsetzenden Bemerkungen im Amt

Viele Frauen berichten auch von herabsetzenden Bemerkungen im Amt, wie Michaela Engels, deren Sachbearbeiter vom „Bodensatz der Gesellschaft“ sprach: „Ich dachte, die helfen mir, die arbeiten für mich“, aber sie sei enttäuscht worden.

Lobend äußerte sich Christian Braunagel, Leiter der Regionalgeschäftsstelle Mittelbaden, über die Stadt Karlsruhe: „Es gibt ein gutes Miteinander mit der Stadt, dem Gemeinderat und den Fraktionen. Aber es reicht nicht aus: Es gibt viele freiwillige Leistungen, die müssten dringend verstetigt werden, damit es in Zukunft keine finanziellen Engpässe für Beratungsstellen gibt.“

Er findet, man müsse mehr Geld in Menschen investieren statt in eine Untertunnelung. Und stellt fest: „Sozialpolitik ist eine demokratiebildende Maßnahme, da geht es um die Zukunft der Gesellschaft, gerade jetzt.“ Hohnerlein ergänzt: „Vor jeder Wahl kommt von konservativen Parteien die unsägliche Aussage, dass die Armen Arbeitsscheue seien. Das ist Quatsch.“

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