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Es brodelt

Wucher, Abzocke und Mafia-Methoden: Karlsruher machen ihrem Ärger über Wertstoffsammlung Luft

Stadt und Betreiber stehen unter Druck, die Karlsruher sind wütend. Doch wer ist eigentlich schuld an der desaströsen Wertstoffsammlung?

Übervolle Wertstofftonnen
Der Frust über nicht geleerte Wertstofftonnen nimmt in Karlsruhe weiter zu. Foto: Rake Hora /BNN

Überquellende Mülltonnen und eine Zusatzgebühr für den Vollservice: Der Frust zahlreicher Karlsruhe über die Wertstoffsammlung wird immer größer. Nun hat die Debatte auch die Kommunalpolitik erreicht.

Die Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Bürgervereine (AKB) fordert von sämtlichen Fraktionen und den zuständigen Dezernaten, dass das Thema in der Gemeinderatssitzung am 20. Februar diskutiert und nach Lösungen gesucht wird. Die CDU-Fraktion des Gemeinderats will dazu prüfen lassen, ob seitens des Entsorgungsunternehmens „Knettenbrech + Gurdulic“, das seit Januar für die Wertstoffsammlung in Karlsruhe zuständig ist, mit einem kostenpflichtigen Zusatzangebot eine Vertragsverletzung vorliegt.

Stadt Karlsruhe will mit Entsorger ins Gespräch

Die Stadtverwaltung hat bereits angekündigt, dass nach Gesprächen mit Knettenbrech vorerst keine Zettel mit der Aufforderung zum Bezahlen einer Zusatzgebühr für den Vollservice mehr verteilt werden sollen.

Außerdem will die Stadt noch in dieser Woche mit dem Entsorger über mögliche Verbesserungen bei der Wertstoffsammlung reden. Der CDU ist das nicht genug. Die Stadt müsse darlegen, welche Vorgaben sie für eine reibungslose Übergabe des bewährten Prozedere getroffen habe und wie es zu den jetzigen Unstimmigkeiten kommen konnte.

Eine Erklärung dafür hatten das Team Sauberes Karlsruhe (TSK) und Knettenbrech auf Anfragen der Redaktion bereits geliefert. Das TSK hat die Abfallsatzung mit Vorgaben zum Vollservice nach eigenen Angaben im Sinne des Bürgerservice sehr kulant ausgelegt, Knettenbrech beruft sich auf Vorgaben wie einer maximalen Entfernung von 15 Metern von der Mülltonne zum Müllauto für einen kostenlosen Vollservice.

Karlsruher sind verärgert über Müllabfuhr

Während Stadt, Knettenbrech, Bürgervereine und Politik öffentlich und hinter verschlossenen Türen um Lösungen ringen, schwillt der Ärger vieler Karlsruher über die Wertstoffsammlung weiter an. Wegen einer Stufe von zehn Zentimetern Höhe soll eine Hausgemeinschaft in der Weststadt künftig 116 Euro pro Leerung zahlen, schreibt ein Bewohner eines Hauses in der Nelkenstraße. „Auch in vielen anderen Wohnhäusern bleiben die Wertstofftonnen stehen“, heißt es in der Mail weiter. „Die Empörung in der Weststadt ist groß.“

Die Empörung in der Weststadt ist groß.
Anwohner
Weststadt

Auch andere Karlsruher halten mit ihrem Ärger in Mails und Briefen an die Redaktion nicht hinter dem Berg. Von „Wucher“ ist dabei ebenso die Rede wie von „Mafia-Methoden.“ Hubert Keller, dem Vorsitzenden des Bürgervereins Waldstadt, erscheinen die Zusatzgebühren als „Abzocke“. In einigen Reihenhaussiedlungen der Waldstadt sorgt die strikte Auslegung der Abfallsatzung laut Keller für komplettes Unverständnis. „Die Reihenhäuser sind von der Straße aus nur zu Fuß erreichbar“, sagt Keller.

„Und wo der Weg von der Straße weiter als 15 Meter betrug, blieben die Tonnen teilweise stehen.“ Ähnliches berichtet eine Zeitungsleserin aus Grünwinkel.

Vollservice wird nicht in ganz Karlsruhe angeboten

Beim Vollservice werden die Tonnen am Standplatz abgeholt, zum Fahrzeug gebracht, geleert und wieder zurückgestellt. Der Vollservice wird laut der Abfallentsorgungssatzung in allen Stadtteilen angeboten, außer in Hohenwettersbach, Neureut, Grünwettersbach, Palmbach und Wolfartsweier ohne das Wohngebiet Zündhütle.

Die Einteilung der Voll- und Teilservicegebiete sei „historisch bedingt“ und wurde im Zuge der Eingemeindung der Stadtteile festgelegt, teilt das TSK mit. In Teilservicegebieten sind die Gebühren für die Müllabfuhr etwas günstiger.

Ausgeschrieben wurde die Vergabe der Wertstoffsammlung von den Betreibern Dualer Systeme (BDS). Nach welchen Kriterien die Vergabe erfolgte und was in der Ausschreibung alles gefordert wurde, dazu wollen die BDS in der kommenden Woche Auskunft erteilen, sagt Pressesprecher Axel Subklew auf Anfrage der Redaktion. Die BDS folgen den Vorgaben des Verpackungsgesetzes und sind für die Sammlung und Entsorgung von wiederverwertbarem Verpackungsmüll in Haushalten zuständig.

Oberbürgermeister Frank Mentrup hält von diesem Konstrukt nur wenig. „Das ganze Duale System ist aus meiner Sicht eine Fehlentwicklung“, sagte er bei einer Gemeinderatsdiskussion über die Wertstoffsammlung im März 2023. Allerdings könne der Gemeinderat nicht über den Sinn und Zweck des Dualen Systems entscheiden, sondern lediglich darüber, was in die eigene Wertstofftonne komme.

Das Duale System ist eine Fehlentwicklung.
Frank Mentrup
Oberbürgermeister

Obwohl Mentrup eindringlich dafür warb, dass das Stadtparlament dem Vorschlag der Verwaltung folgen und für eine Änderung bei der Wertstoffsammlung im Sinne der BDS stimmen solle, beschloss der Gemeinderat mit 23 zu 21 Stimmen die Beibehaltung des bisherigen Systems, bei dem wie bisher außer den Leichtverpackungen auch die sogenannten Stoffgleichen Nichtverpackungen in den Wertstofftonnen entsorgt werden dürfen. Eine Entscheidung, die laut Mentrup mit drei Millionen Euro Mehrkosten verbunden war und die unter anderem von der CDU und der AKB forciert wurde.

Bald wird es in Karlsruhe noch teurer

Hauptgrund für die Neuvergabe der Wertstoffsammlung war die hohe Fehlwurfquote von über 50 Prozent Restmüll in den Wertstofftonnen, die von den BDS über mehrere Jahre beanstandet wurde und die nun aller Voraussicht nach durch schärfere Kontrollen unterbunden werden soll.

Man werde Wertstofftonnen mit zu vielen Fehlwürfen bald stehen und dann kostenpflichtig über den Restmüll vom TSK entsorgen lassen, kündigte Knettenbrech auf Anfrage bereits an. Oder, wie es Mentrup bereits bei der Gemeinderatsdebatte formulierte: „Für alles, was dann dort falsch landet, werden wir noch einmal eine saftige Rechnung kriegen.“

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