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Gefahr für Jugendliche

Warum Experten die Vermarktung von E-Zigaretten für kriminell halten

E-Zigaretten sind Gesundheitsexperten ein Dorn im Auge. Sind sie tatsächlich weniger schädlich als Tabakzigaretten? Und was macht sie attraktiv? Wir beantworten wichtige Fragen rund ums Thema.

Mehrere Einweg-E-Zigaretten liegen auf einem Tisch.
Der Dampf von E-Zigaretten enthält weniger Schadstoffe als Zigarettenrauch. Unbedenklich sind sie trotzdem nicht. Foto: Moritz Frankenberg/dpa

Rauchen liegt bei deutschen Jugendlichen wieder im Trend. Zu diesem Schluss kommt die Deutsche Befragung zum Rauchverhalten (Debra). Und das, obwohl die Zahl der Tabaknutzerinnen und -nutzern weltweit sinkt. Laut Experten spielen dabei auch E-Zigaretten eine Rolle. Sie locken mit einem jungen Design, Fantasienamen und einer Vielzahl an Geschmacksrichtungen.

Welche gesundheitlichen Folgen hat der Konsum von E-Zigaretten?

Aber ist der Dampf weniger schädlich als der Rauch einer Tabakzigarette? Welche Gefahren das Rauchen besonders für Jugendliche hat, wie der Rauchstopp gelingen kann und warum die Langzeitfolgen von E-Zigarettenkonsum schwer vorherzusagen sind, hat unsere Redaktion hier zusammengestellt.

Sind E-Zigaretten weniger schädlich als normale Zigaretten?
Auch das Aerosol von E-Zigaretten enthält Schadstoffe. Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) zufolge sind es aber weniger als bei Tabakzigaretten. Das sei aber keine große Leistung: „Tabakrauch ist ein Giftgemisch von tausenden Substanzen – an die 100 davon krebserzeugend und rund 250 giftig.“ In E-Zigaretten-Liquid wurden bislang etwa 50 Stoffe nachgewiesen – manche von ihnen gesundheitsschädlich oder krebserregend. Die Zahl variiert Schaller zufolge stark je nach Sorte und benutztem Gerät.
Also sind die Gesundheitsfolgen beim Dampfen geringer als beim Rauchen?
Darauf gibt es noch keine eindeutige Antwort. Die Schadstoffbelastung für den Körper ist zwar geringer. Welche Folgen der Konsum langfristig hat, ist aber noch unklar. Erste Studien deuten darauf hin, dass regelmäßiges Dampfen das Immunsystem schwächen, die DNA beeinträchtigen und sich auf die Lunge und das Herz-Kreislaufsystem auswirken könnte.
Warum sind die Langzeitfolgen von E-Zigarettenkonsum so schwer vorherzusagen?
E-Zigaretten sind noch nicht lange genug auf dem Markt und noch nicht weit genug verbreitet, um aussagekräftige Studien machen zu können. Eine weitere Schwierigkeit ist, dass viele Dampfer zusätzlich Tabakzigaretten rauchen oder früher geraucht haben. Bei einer Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung gaben 90 Prozent der E-Zigaretten-Raucher an, zuvor geraucht zu haben oder parallel Tabakzigaretten zu rauchen. Deshalb ist es kaum möglich, die Folgen des Rauchens von Tabakzigaretten und E-Zigaretten voneinander abzugrenzen.
Verleiten E-Zigaretten eher zum klassischen Rauchen?
„Bei Jugendlichen besteht ein klarer Zusammenhang zwischen E-Zigarettenkonsum und späterem Rauchen“, sagt Katrin Schaller. Wer E-Zigaretten verwende, rauche später mit dreifach höherer Wahrscheinlichkeit. Suchtforscher der Universität Chicago haben nachgewiesen, dass schon die Handbewegung und das Inhalieren einer Substanz in die Lunge den Wunsch nach einem Nikotinkick auslösen.
Welche Gefahren hat das Rauchen gerade für Jugendliche?
Laut einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden Jugendliche schneller von Nikotin abhängig als Erwachsene. Es reichen wenige Zigaretten und eine kurze Zeit, um süchtig zu werden. Auch die gesundheitlichen Folgen sind schwerwiegender. Nikotin wirkt im Gehirn – und das ist bei Jugendlichen noch nicht voll entwickelt. Der Stoff kann dort zu bleibenden Veränderungen führen.
Rauchen wieder mehr Jugendliche?
Die Debra hat ergeben, dass der Anteil junger Raucherinnen und Raucher zuletzt stark gestiegen ist. Gleiches gilt auch für den Konsum von E-Zigaretten und ähnlichen Produkten (siehe Grafik). Der Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartigen Erzeugnisse (BVTE) zweifelt dieses Ergebnis an: „Wenn mehr geraucht werden würde, müssten wir das in der Absatzstatistik sehen. Das Gegenteil ist der Fall“, sagt Hauptgeschäftsführer Jan Mücke. Seit rund 20 Jahren werde immer weniger geraucht. Diese Abweichung weise auf methodische Schwächen der Befragung hin, kritisiert der Ex-Politiker.
Also alles halb so wild?
Daniel Kotz ist anderer Meinung. Der Suchexperte spricht von einer „gezielten Strategie“ der Tabakindustrie. „Sie hat schon immer versucht, Zweifel zu säen.“ Der Professor für Suchtforschung am Institut für Allgemeinmedizin und dem Centre for Health and Society der Universität Düsseldorf leitet die Debra. Für die repräsentative Studie habe man 2022 zu sechs Zeitpunkten 250 Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren und 920 junge Erwachsene (18- bis 24-Jährige) befragt. Eine ähnliche Studie aus England habe vergleichbare Zahlen hervorgebracht. 
Wie lässt sich die Abweichung zwischen Absatzstatistik und den Debra-Daten erklären?
Für Kotz sind das zwei verschiedene Paar Schuhe. Zum einen erfasse die Debra-Studie sowohl starke Raucher als auch Gelegenheitspaffer. Zum anderen spielt aus seiner Sicht der Schwarzmarkt eine wichtige Rolle – auch wenn es hierzu keine belastbaren Daten gebe.
Wie erklären Forscher den Anstieg junger Raucher?
„Die Corona-Pandemie hat auch hier deutlich ihre Spuren hinterlassen“, meint Kotz. Unsicherheit und Stress während der Hochphase seien Brandbeschleuniger für den Anstieg der Zahlen bei jungen Rauchern gewesen. Zudem hält es der Suchtexperte für sehr wahrscheinlich, dass einige Ex-Raucher in dieser Zeit rückfällig geworden sind.
E-Zigaretten sind für Jugendliche superattraktiv.
Katrin Schaller
DKFZ
Was reizt junge Menschen an E-Zigaretten?
„E-Zigaretten sind für Jugendliche superattraktiv“, sagt Schaller. Einweg-Modelle sind oft bunt und stylisch. Die zu verdampfenden Flüssigkeiten locken mit Aromen – süß, sauer, fruchtig. Dazu kommen Fantasienamen wie „Drachenblut“, eine Mischung aus den Aromen roter Früchte. „Sie werden vor allem an Jugendliche vermarktet, nicht an rauchende Erwachsene.“ Auch die WHO sieht das kritisch. Direktor Rüdiger Krech verweist auf Geschmacksrichtungen wie „Gummibärchen“ oder „Vanille-Eis“. Diese Aktivitäten der Tabakindustrie zielten auf Grundschulkinder ab und seien kriminell. Sämtliche Geschmacksrichtungen sollten verboten werden.
Warum fangen Jugendliche mit dem Rauchen an?
„Der größte Risikofaktor ist der Freundeskreis“, sagt Schaller. Rauchende Freunde sind der stärkste Motivator, selbst anzufangen. Wenn die Eltern rauchen, ist die Wahrscheinlichkeit ebenfalls höher. Auch die Verfügbarkeit ist ein Faktor. Wenn Werbung für ein Produkt gemacht oder es in Verkaufsstellen offensichtlich präsentiert wird, wird es attraktiver. Bei E-Zigaretten kommt hinzu: „Sie sind billig, sie schmecken super. Das erleichtert den Einstieg.“
Es klappt besser, wenn ich Hilfe annehme.
Katrin Schaller
DKFZ
Was fordern Experten, um die Zahl der Raucher zu senken?
Neben verstärkten Kontrollen fordert Kotz, die Verfügbarkeit und Sichtbarkeit von Nikotinprodukten zeitnah einzuschränken. In Norwegen muss man etwa gezielt nach solchen Produkten fragen. Zudem sei Tabak in Deutschland nach wie vor zu billig. „Der müsste doppelt so teuer sein“, findet der Suchtexperte. Das wären dann rund 18 Euro pro Packung. Zum Vergleich: In Australien müssen Raucher schon jetzt über 23 Euro für eine Schachtel bezahlen.
Wie gelingt der Rauchstopp?
Viele versuchen, auf eigene Faust mit dem Rauchen aufzuhören. Das schafft in etwa jeder Zweite. „Es klappt besser, wenn ich Hilfe in Anspruch nehme“, sagt Katrin Schaller. Neben Nikotinersatzprodukten wie Nikotinpflastern oder -kaugummis gibt es verschreibungspflichtige Medikamente oder Verhaltenstherapien. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung berät aufhörwillige Raucher auch telefonisch.
Macht es einen Unterschied, in welchem Alter man mit dem Rauchen aufhört?
Ein Rauchstopp lohnt sich in jedem Alter. Je früher man mit dem Rauchen aufhört, desto größer ist die Wirkung auf die Gesundheit. Frauen, die als junge Erwachsene mit dem Rauchen anfangen und vor dem 35. Geburtstag dem Tabak abschwören, leben nach Angaben der britischen Medizinzeitschrift „Lancet“ statistisch etwa zehn Jahre länger als ohne Rauchstopp. Bis zum 40. Lebensjahr sind es noch neun Jahre. Durch einen Rauchstopp zwischen 45 und 55 Jahren gewinnt eine Frau sechs bis sieben Lebensjahre im Vergleich zu einer Raucherin, die nicht aufhört. Und: „Man gewinnt nicht nur Lebenszeit. Der Gesundheitszustand verbessert sich und man gewinnt immer an Lebensqualität“, sagt Schaller.
Welche Aspekte kritisieren Experten an E-Zigaretten neben gesundheitlichen Auswirkungen?
Umweltschützer prangern die große Menge an Plastikmüll an, die durch Einweg-E-Zigaretten entsteht. Und auch die Abfallbranche kritisiert sie scharf. Die meisten Geräte werden falsch entsorgt und landen im Hausmüll, beobachtet Bernhard Schodrowski, Sprecher des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft. „Niemand wird eine Einweg-E-Zigarette vor dem Club leerrauchen und sie mit nach Hause nehmen, um sie richtig zu entsorgen.“ Sie müssten wie Batterien oder elektronische Geräte an geeigneten Sammelstellen, etwa in geeigneten Boxen im Supermarkt oder auf Wertstoffhöfen, entsorgt werden. Dabei unterschätzen viele die Akkuleistung der Geräte. Schodrowski sagt: „Nimmt man sieben solcher Einweg-E-Zigaretten, hat man etwa die Akkuleistung eines Smartphones.“ In Recycling-Anlagen haben falsch entsorgte Akkus schon mehrere verheerende Brände ausgelöst.
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