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Projekt auf der Waldweide

Bella und Camillo: Zwei Walldorfer Esel für den Artenschutz

Im Walldorfer Wald läuft ein Projekt, bei dem zwei tierische Helfer etwas für die Umwelt tun. Es ist so erfolgreich, dass eine Erweiterung geplant ist.

Bella (rechts) und Camillo genießen ihr Eselleben in ihrem Winterquartier in Walldorf.
Bella (rechts) und Camillo genießen ihr Eselleben in ihrem Winterquartier in Walldorf. Foto: Jörg Runde

Bella und Camillo geht es gut. In ihrem Winterquartier in Walldorf kriegen die beiden Esel immer frisches Heu, sie haben einen Stall, in den sich zurückziehen können, wenn es mal kälter ist und ab und zu gibt es von Besitzer Horst Kempf auch ein Kräuterleckerli. Natürlich inklusive Schmuseeinheit.

Dass die zehnjährige Eselstute und der elfjährige Wallach bis vor wenigen Wochen die Hauptakteure eines besonderen Naturschutz-Projekts waren, ist den beiden ziemlich egal. Sie erfreuen sich ihres Eselsdaseins, wo man sie lässt und gut behandelt. „Ihnen gefällt es hier bei mir, aber auch auf der Waldweide“, betont Kempf. Seit nunmehr fünf Jahren leben die Esel von Mai bis in den Herbst hinein im Walldorfer Wald, beim Reilinger Eck inmitten eines Kiefernwaldes.

Weidetiere sieht man in den Wäldern der Region eigentlich nicht

Weidetiere, insbesondere Esel, sieht man in den Wäldern der Region sonst eigentlich nicht. Die Weidetierhaltung im Wald ist nämlich schon seit über 100 Jahren verboten. Das „Naturschutzprojekte im Wald“ des Forstamts Rhein-Neckar bildet da aber eine Ausnahme. Der Grund dafür liegt laut Revierförster Achim Freund auf der Hand. Nicht nur er sieht neben dem Klimawandel nämlich vor allem im Artensterben „eines der größten Probleme unserer Zeit“.

Biologen sagen, das weltweite Artensterben schreite aktuell bis zu hundertmal schneller voran als in den letzten zehn Millionen Jahren. Das gefährdet die Funktion ganzer Ökosysteme, da sich die verschiedenen Arten gegenseitig beeinflussen und oft komplex miteinander verbunden sind. Diese Vernetzungen sind nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Die Folgen zeigen sich häufig erst, wenn es zu spät ist. „Da gilt es aktiv gegenzusteuern“, sagt Freund. 

Esel Bella und Camillo sind gute und günstige Helfer für den Naturschutz

Genau hier kommen Bella und Camillo ins Spiel. Die beiden Tiere sind Teil des Waldweideprojektes der Stadt Walldorf. Auf etwa fünf Hektar Fläche wird diese historische Form der Waldnutzung heute noch praktiziert. Der Sinn dahinter: seltenen Tieren und Pflanzen einen geeigneten Lebensraum schaffen, damit sie sich dort wieder ansiedeln und langfristig etablieren können.

Früher hielten die Menschen ihre Tiere im Wald. Dort hatten sie viel Platz und konnten kostenlos fressen. Dabei reichte das Nahrungsangebot von Gräsern über Kräuter, Früchte bis hin zu Knospen und Rinde. Sogar Laub- und Nadelstreu wurde im Winter zur Fütterung genutzt oder aufgesammelt, um damit die Äcker zu düngen und die Ställe einzustreuen.

Revierförster Achim Freund ist sehr zufrieden mit dem Artenschutzprojekt auf der Waldweide.
Revierförster Achim Freund ist sehr zufrieden mit dem Artenschutzprojekt auf der Waldweide. Foto: Jörg Runde

Auf diese Weise entstanden im Wald „arme“ Standorte, die häufig durch Nährstoffarmut, eine fehlende Krautvegetation und lichte Strukturen gekennzeichnet waren. Nach dem Verbot der Waldweide und der Aufgabe der Waldstreunutzung wurden diese besonderen Lebensräume seltener und mit ihnen die darauf angewiesenen Arten.

Mithilfe der beiden Esel stellen sich im eingezäunten Waldstück die Bedingungen von früher wieder dauerhaft ein. Bella und Camillo sind also ohne es zu wissen bereits seit fünf Jahren tatkräftige Helfer für den Artenschutz. Und zwar richtig gute und darüber hinaus auch sehr günstige. „Eine händische oder motorisierte Pflege wäre jedenfalls deutlich aufwendiger und teurer“, sag Freund.

Esel tragen durch ihr natürliches Verhalten zum Artenschutz bei

Esel sind optimal an trockene, nahrungsarme Lebensräume angepasst. Zugunsten artenreicher Sand- und Steppenrasen drängen Bella und Camillo Gebüsch, dominante Gräser wie das Land-Reitgras und selbst trockene und verfilzte Grasbestände zurück und schaffen durch ihr Wälzen in sandigen Gebieten offene Bodenstellen - ideale Lebensräume für Sandlaufkäfer, Grabwespen und Sandbienen.

Insgesamt entwickelt sich das Projekt sehr gut.
Achim Freund
Revierförster

Auch der Bestand an Vogelbrutarten hat sich bereits verdoppelt. Und Pflanzen wie der Gelbe Enzian und das Kahle Ferkelkraut breiten sich ebenfalls wieder aus. „Esel tragen durch ihr natürliches Verhalten zum Artenschutz bei. Selbst durch ihren Kot sorgen sie für Biodiversität“, sagt Freund und ergänzt: „Insgesamt entwickelt sich das Projekt sehr gut.“

So gut, dass das Forstamt plant, die Projektfläche im kommenden Jahr noch zu erweitern. Eventuell haben die beiden Esel ab dem kommenden Frühjahr in ihrem Waldgehege also noch ein oder zwei Hektar mehr Auslauf. Bella und Camillo würde das sicherlich gefallen.

Freuen tun sie sich übrigens auch über Besuch. „Sie sind sehr zutraulich und lassen sich auch gerne streicheln“, sagt Kempf. Um sofort anzuschließen: „Füttern sollte man sie aber auf gar keinen Fall. Auch wenn es gut gemeint ist. Das tut nicht nur den Tieren nicht gut, es schadet auch dem Artenschutzprojekt.“ 

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