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Sterben Buchhandlungen aus?

Buchhandlung am Bruchsaler Kübelmarkt: Bestellservice und Antiquariat bleiben erhalten

Zum Jahresende hat Günter Majewski seine Buchhandlung am Bruchsaler Kübelmarkt geschlossen. Der 72-Jährige betrieb sie aus Leidenschaft.

Buchhändler vor Bücherregal
Günter Majewski ist Literaturliebhaber und Buchhändler mit Leib und Seele. Nach 41 Jahren hat er nun seine Buchhandlung am Bruchsaler Kübelmarkt geschlossen. Das Antiquariat und den Onlinehandel betreibt er weiter. Foto: Hansjörg Ebert

Die Situation im Buchhandel wird immer schwieriger. „Seit etwa 15 Jahren stirbt in Deutschland jeden fünften Tag eine Buchhandlung ersatzlos“, sagt Günter Majewski. Von über 50 Buchhandlungen, die es in Heidelberg in den 1980er Jahren noch gab, bestehe heute nur noch ein knappes Dutzend.

41 Jahre hat Majewski selbst durchgehalten. Zum Jahresende hat er seine Buchhandlung am Bruchsaler Kübelmarkt ebenfalls geschlossen. Seiner Leidenschaft für Bücher hat der 72-Jährige dennoch nicht abgeschworen. Seine Kunden können auch weiterhin Bücher bei ihm und seiner Mitarbeiterin Regina Riegger-Trenkle bestellen. Und auch ihr Antiquariat wollen die beiden weiterhin betreiben.

Ein Grund unter vielen für das Buchladensterben ist nach Einschätzung von Majewski eine indirekte Aufhebung der Preisbindung. Über Online-Plattformen wie könne man die meisten Bücher gebraucht zum halben Preis oder für noch weniger kaufen. Da könne kein Buchhändler mehr mithalten.

Warum hört er auf? „Ich bin jetzt einiges über 70 und auch schon ein wenig müde“, räumt der altgediente Buchhändler freimütig ein. Außerdem habe sich der Markt seit der Pandemie gravierend gewandelt. Die Konditionen für Bestellungen hätten sich geändert, die Zustellgebühren seien gestiegen und die Besorgung von Büchern von heute auf morgen funktioniere oft auch nicht mehr.

Für die wenigen Kunden lohnen sich die Öffnungszeiten in Bruchsal nicht

Und für die wenigen Kunden sei der Aufwand viel zu groß, ein Geschäft permanent offen zu halten. Deshalb werde man sich in Zukunft auf den Online-Betrieb beschränken. „Unsere hohe Zeit war in den 90er Jahren, da brummte das Geschäft gewaltig“, erzählt Majewski, der die Buchhandlung am Kübelmarkt 1982 gegründet hat.

Für 20.000 Deutsche Mark habe er sich 1990 seinen ersten Computer samt Bildschirm, Tastatur und Drucker angeschafft. Seinerzeit hatte er noch sechs Angestellte und bildete angehende Buchhändlerinnen und Buchhändler aus.

Dabei war der literarische Mainstream nie das Metier des Buchliebhabers, die etwas anspruchsvollere Literatur war sein Ding und das, was seine rund 800 Stammkunden und -kundinnen bei ihm suchten: die individuelle Beratung und das gepflegte Gespräch für besondere Ansprüche.

In Bruchsal ist er bekannt als Adresse für anspruchsvolle Literatur

„Unsere Kunden fragen auch schon mal nach dem Gilgamesch-Epos oder der Grabinschrift von Francois Villon“, ergänzt Regina Rieggert-Trenkle, die Majewskis Begeisterung für Bücher teilt und ihm seit 15 Jahren im Geschäft zur Seite steht. Weil sie auch eine Ausbildung zur Steuerfachgehilfin absolviert hat, ist sie für Majewski auch die Idealbesetzung für die Buchhaltung. Im Ehrenamt ist sie Vorsitzende des Fördervereins der Stadtbibliothek.

„Das Internet hat seinerzeit den mündigen Leser erzeugt“, bekundet der Chef des Hauses. Die Leute hätten im Netz recherchiert, was sie interessiert und seien dann mit dem Zettel in den Laden gekommen, um die ausgewählten Titel zu bestellen. Damit entfiel allerdings auch ein guter Teil der Beratung, die zuvor den Großteil seiner Arbeit ausgemacht hatte.

Bruchsaler Händler hat vier Universitätsabschlüsse

Majewski ist kein gelernter Buchhändler. Dafür hat er vier abgeschlossene Universitätsstudiengänge und einen Doktortitel im Fachbereich Interkulturelle Erziehungswissenschaft. Die für die Lehrlingsausbildung benötigte Abschlussprüfung als Buchhändler absolvierte er 1986 gleichsam nebenbei.

Das Antiquariat war und ist nach wie vor ein Standbein des Geschäfts. „Wir hatten schon mal 1.000 Titel im Angebot, aktuell sind es noch 600“, bekundet der Buchhändler. Doch 12.000 Bücher lagerten noch im ganzen Haus und warteten darauf, mit allen bibliografischen Angaben in das Onlineportal eingestellt und übers Internet verkauft zu werden. Damit wollen sich Majewski und Riegger-Trenkle in den nächsten Jahren schwerpunktmäßig beschäftigen.

Lesen ist für den Bruchsaler Händler eine Überlebensstrategie

Lesen ist für Majewski eine der größten Errungenschaften der Menschheit und für ihn persönlich eine Bereicherung, weil man auf diesem Weg eintauchen könne in andere Welten, die man sich sonst gar nicht erschließen kann. Die Neugier und die Frage, was Menschen bewegt und sie treibt, machen das Lesen für ihn so spannend.

Außerdem sei das Lesen eine Überlebensstrategie. „Mit Lesen kann ich mich über Wasser halten in dieser schrecklichen Zeit“, sagt der Buchhändler. Ohne diesen geistigen Ausgleich könne man angesichts der täglichen Nachrichten gar nicht überleben.

„Das gedruckte Buch ist – anders als vor Jahren mit dem Aufkommen der E-Books prognostiziert – nicht gestorben, doch die Konditionen, es zu vermarkten, sind schwieriger geworden“, skizziert Regina Riegger-Trenkle die Perspektiven ihrer Zunft. Die Nachfrage habe sich auf einem akzeptablen Niveau eingependelt.

Mit bestimmten Büchern zu bestimmten Themen in besonderen Sparten könne man aber durchaus auch noch junge Leser gewinnen, meint sie im Blick auf jüngste Eindrücke auf der Frankfurter Buchmesse. Unbestritten sei aber, dass die treuen Kunden mit den Buchhändlern älter werden. Und manche im Alter auch ärmer.

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