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Aktion für Bewerber

Warum die Polizei in Bruchsal in der Nacht auch nach Nachwuchs fahndet

Auch die Polizei sucht Nachwuchs. Rund 1.400 Beamtenstellen sollen landesweit im kommenden Jahr besetzt werden. Dabei sollte die Nacht der Bewerber bei der Bereitschaftspolizei in Bruchsal helfen.

Geschossen wird nur mit Platzpatronen: Bei der Nacht der Bewerber demonstrieren Einsatztrainer eine Festnahme
Geschossen wird nur mit Platzpatronen: Bei der Nacht der Bewerber demonstrieren Einsatztrainer eine Festnahme Foto: David Heger

„Es geht uns nicht anders als den übrigen Behörden“, beschreibt Jürgen Schöfer, der beim Polizeipräsidium Karlsruhe für die Einstellungsberatung zuständig ist. Das bedeutet: Nachwuchspolizisten werden händeringend gesucht. Rund 1.400 Stellen für künftige Polizeibeamte und -beamtinnen sollen landesweit im nächsten Jahr besetzt werden, so Schöfer – wer sich jetzt bewerbe, könne bereits im März mit Ausbildung oder Studium beginnen: „Wir suchen aktiv und haben noch Plätze frei.“

Aus der Gruppe der Zuschauer löst sich plötzlich ein Mann, er pöbelt, fuchtelt wild mit einem Messer in Richtung der Polizisten. Ein hektisches Wortgefecht entsteht: „Messer weg“, ruft einer der Beamten, „Was wollt ihr?“, schreit der Mann und geht unbeirrt auf die Beamten zu.

Plötzlich fallen Schüsse – drei, vier, fünfmal wird der Angreifer in Arme und Beine getroffen, bevor er stöhnend zu Boden geht, entwaffnet wird und die Handschellen hinter seinem Rücken klicken.

„Wer hat jetzt noch Lust auf den Polizeiberuf?“, fragt einer der Polizisten in die Menge. Im Publikum gehen beinahe alle Hände hoch. Der eben noch niedergestreckte Angreifer mit Messer steht da schon wieder und verbeugt sich, denn geschossen wird hier, bei der Nacht der Bewerber auf dem Gelände der Bereitschaftspolizei Bruchsal in den Dittmannswiesen, nur mit Platzpatronen.

„Sorgen mache ich mir deshalb keine“, sagt der 15-jährige Pascal Stange gefragt danach, ob solche Szenen nicht eher abschrecken als begeistern. „Der Polizei-Alltag sieht anders aus“, sagt er und ergänzt: „Zum Glück.“ Der Schüler aus Bruchsal besucht die neunte Klasse einer Realschule, nach seinem Schulabschluss in anderthalb Jahren kann er sich eine Ausbildung bei der Polizei gut vorstellen. Zeit zu überlegen hat er noch, schlaumachen über den Beruf will er sich heute schon. Im Polizeidienst – soviel steht heute schon fest – würde er gebraucht.

Für die Bewerber wird in Bruchsal schweres Gerät aufgefahren

Den Nachwuchs für den Polizeidienst begeistern – das ist die Idee hinter der Nacht der Bewerber, bei der dafür so manch schweres Gerät aufgefahren wird. Dafür kooperiert das Karlsruher Polizeipräsidium mit dem Polizeipräsidium Einsatz, dem Spezialeinheiten wie die Bruchsaler Bereitschaftspolizei oder die Reiterstaffel angehören – die Gründe dafür sind offensichtlich: Schweres Gerät vom Wasserwerfer bis zum Räumpanzer ist vor allem hier, in den Dittmannswiesen, zu finden.

Die Idee zur Aktion stammt aus der Vor-Pandemiezeit. „2019 hatten wir schon einmal eine Bewerbernacht“, erklärt Schöfer – mit 600 Besucherinnen und Besuchern war die Aktion damals ein voller Erfolg, an den er heute gerne anknüpfen würde. „Wir wollen die ganze Vielfalt des Polizeiberufs zeigen“, betont Schöfer, während sich in seinem Rücken gerade ein junger Mann am Eintreten einer Tür versucht, an der sonst die Einsatzkräfte trainieren.

Der Beruf ist vielfältiger geworden

„Welche Noten brauche ich?“, das ist vielleicht die an diesem Abend am häufigsten gestellte Frage, die oft unbegründet ist – die Zahl 3,2 unter dem Realschulzeugnis genügt, um eine Ausbildung bei der Polizei zu beginnen. Und der gefürchtete Sporttest? „Davor muss niemand Angst haben“, sagt Schöfer und lacht – ein Sportabzeichen reicht in den meisten Fällen als Nachweis für die Fitness aus.

Der Beruf habe sich gewandelt, sei vielfältiger und weiblicher geworden, findet Schöfer, der selbst vor 35 Jahren als Streifenpolizist begonnen hat. 40 Prozent der Anwärter im Bundesland sind heute Frauen. Und noch etwas sei anders: „Dass ein Schutzmann mal weint, wäre früher undenkbar gewesen. Da haben wir uns geändert.“

Ich wollte nicht nur vor dem Rechner sitzen.
Nicolai Klein, Quereinsteiger im Polizeidienst

Die Wege zur Polizei sind vielfältig, das wird an diesem Abend deutlich. Da sind die Quereinsteiger wie Nicolai Klein, der 2020 als Anwärter im gehobenen Dienst an der Polizeihochschule begonnen hat. „Ich wollte nicht nur vor dem Rechner sitzen“, erklärt er, warum er sein Studium der Sportwissenschaften hinter sich gelassen hat.

Zulauf kommt auch aus den Polizeifamilien: „Es gibt in diesem Beruf keinen Alltag“, beschreibt eine junge Kripo-Beamtin ihre Begeisterung, die sie bereits in die Wiege gelegt bekommen hat. Schon ihr Vater, erzählt sie, war Polizist, sie hat es ihm nach einem kurzen Ausflug in ein BWL-Studium gleichgetan.

Doch bleibt nicht eine Unsicherheit? „Klar müssen Polizisten viel einstecken“, sagt Nicole Maid, die mit ihrer Tochter Mailin zur Nacht der Bewerber gekommen ist. Doch Sorgen mache sie sich als Mutter keine: „Dafür werden die Polizisten immerhin gut ausgebildet.“ Für Neuntklässlerin Mailin steht der spätere Wunsch-Einsatzort derweil schon fest: „Ich würde gerne zur Hundestaffel gehen.“

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