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Diskussion um Feinstaub

Lungenexperte: Verteufelung des Dieselmotors grenzt beinahe an "Fake News"

Feinstaub, Stickoxid, Diesel-Fahrverbote: In der Verkehrspolitik wird die Debatte um Luftreinheit teilweise erbittert geführt. Ein prominenter Kritiker der Gegenmaßnahmen ist Internist Curt Diehm von der Max-Grundig-Klinik.

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Feinstaub, Stickoxid, Umweltzonen, Diesel-Fahrverbote: In der Verkehrspolitik wird die Debatte um Luftreinheit in Innenstädten seit Jahren teilweise erbittert geführt. Foto: N/A
Feinstaub, Stickoxid, Umweltzonen, Diesel-Fahrverbote: In der Verkehrspolitik wird die Debatte um Luftreinheit in Innenstädten seit Jahren teilweise erbittert geführt. Klar ist, dass Feinstaub und Stickoxide schädliche Auswirkungen auf den Menschen haben. Aber Fachärzte zeigen sich immer wieder skeptisch gegenüber den politischen Gegenmaßnahmen.

Am Mittwoch wurde bekannt, dass mehr als hundert Lungenspezialisten den gesundheitlichen Nutzen der aktuellen Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide bezweifeln . Ein prominenter Kritiker ist auch der Internist Curt Diehm, seit 2014 ärztlicher Leiter der Max-Grundig-Klinik auf der Bühlerhöhe. Unser Mitarbeiter Stefan Jehle unterhielt sich mit dem Mediziner über seine Folgerungen aus der aktuellen Debatte.

Welche Bedeutung hat der von Menschen eingeatmete Feinstaub in Ihrer täglichen ärztlichen Praxis?

Diehm: Es steht heute außer Zweifel, dass Feinstaub nicht nur die Lunge schädigt. Feinstaub kann in der Lunge eine chronische Entzündungsreaktion verursachen. Besonders ultrafeine Staubpartikel können Gefäßveränderungen hervorrufen und damit Herzinfarkt und Schlaganfall begünstigen.

Wie groß sind dabei die Risiken?

Diehm: Wir sind weit davon entfernt, die Mechanismen genau zu kennen. Es gibt wenig evidenzbasierte – also als bewiesen geltende – Informationen zur Entstehung dieser Lungen- und Gefäßveränderungen. Eine Mainzer Studie, die unter der Leitung des Kardiologen Thomas Münzel durchgeführt wurde, zeigt aber, dass Feinstaub in Verbindung mit Lärm einen wichtigen Stress-Faktor für das Herz-Kreislauf-System darstellen. Blutdruckerhöhungen und Erhöhungen der Herzschlagfrequenz sind eindeutig nachgewiesen worden.

Man muss auch die Grenzwerte diskutieren

Welche Quellen machen Sie für Feinstaub verantwortlich?

Diehm: Da sind zu nennen Ruß und Bremsabrieb, auch Aerosole aus Abgasen, die Abluft von Kaminöfen und Schwedenöfen, dazu Saharastaub und die Stäube von Baustellen. Natürlich waren Quarzstäube lange Zeit ein Riesenproblem im Ruhrgebiet. Und man muss auch die Grenzwerte diskutieren.

Wie bewerten Sie die aktuellen Einstufungen?

Diehm: Der Grenzwert für Feinstaub in Deutschland ist mit 40 mcg (Mikrogramm) pro Kubikmeter wahrscheinlich viel zu niedrig angesetzt. Für den Menschen schädliche Werte liegen nach meiner Einschätzung ungleich höher. Natürlich ist der Autoverkehr besonders in Innenstädten nicht alleine verantwortlich für die Feinstaubbelastung. Man geht davon aus, dass in Städten rund die Hälfte des freien Staubes von Autos stammt. Mit einem Verbot von Dieselmotoren kann man dieses Problem also nicht lösen.

Welche Folgerungen ziehen Sie daraus?

Diehm: Seit langem vertrete ich die Meinung, dass unter dem Strich beim Diesel die Fokussierung der Diskussion auf den Feinstaub viel zu einseitig aufgebauscht und vielfach fehlinterpretiert wird. Aus medizinischer Sicht wird da meist auch viel zu parteiisch argumentiert und am Ende ein Mythos kreiert, der dann über lange Zeit nicht mehr aus den Köpfen geht. Für mich grenzt die Verteufelung des Dieselmotors mithilfe medizinischer Argumente inzwischen schon beinahe an „Fake News“.

Wir treiben derzeit die falsche Sau durchs Dorf

Warum solch eine drastische Wortwahl?

Diehm: Wenn mutmaßlich bis zu 6.000 vorzeitige Todesfälle mit der Stickstoffdioxid-Exposition assoziiert werden, sind für mich solche Zahlen pseudo-wissenschaftliche Behauptungen. Wie man eine derartige Aussage evidenzbasiert, als unbezweifelbare Tatsache, nachweisen will, bleibt mir ein Rätsel. Wir treiben derzeit die falsche Sau durchs Dorf.

Aber die Probleme der Stickoxidkonzentrationen kann man doch nicht wegdiskutieren? Der EU-Grenzwert – als Jahresmittelwert – für die Stickstoffdioxidkonzentration (NO2) in der Außenluft beträgt immerhin 40 Mikrogramm pro Kubikmeter …

Curt Diehm ist seit 2014 an der Max-Grundig-Klinik auf der Bühlerhöhe.
Curt Diehm ist seit 2014 an der Max-Grundig-Klinik auf der Bühlerhöhe. Foto: pr

Diehm: Eigentlich ist da die Situation ähnlich wie beim Feinstaub. Es gibt praktisch keine evidenzbasierten Daten, schon gar nicht, dass Stickoxid jährlich für Tausende Todesfälle verantwortlich sein soll. Der Grenzwert am Arbeitsplatz in Deutschland liegt im Vergleich dazu bei 950 Mikrogramm. Ein Raucher inhaliert mit einer einzigen Zigarette bereits 1.000 Mikrogramm Stickoxid. Bevor man also den Diesel aus der Stadt verbannt, könnte der Gesetzgeber durchaus darüber nachdenken, das Rauchen sofort zu verbieten. In der Schweiz etwa liegt der Grenzwert für Stickoxide am Arbeitsplatz sogar bei 6.000 Mikrogramm, also sehr viel höher noch als in Deutschland.

Hat die Belastung mit Stickoxiden, nach Ihrer Wahrnehmung, in den vergangenen Jahren zugenommen – und wenn ja, mit welchen Auswirkungen?

Diehm: Die Stickoxidkonzentrationen haben noch nicht durchgreifend abgenommen. Trotz Umweltzonen und Luftreinhalteplan. Trotzdem sind die Konzentrationen nach meiner Einschätzung in Städten und in ländlichen Bereichen relativ gering. Generell sind Kamine und Öfen dabei stärkere Luftverpester als die Autos. In Deutschland gibt es über 14 Millionen sogenannter Einzelraumfeuerungsanlagen. Stickoxid bleibt Stickoxid, egal aus welcher Quelle es kommt.

Und wie sieht es mit dem Zigarettenrauch aus?

Diehm: Inhalatives Zigarettenrauchen stellt natürlich eine hohe Feinstaubbelastung dar. Man geht davon aus, dass jede Zigarette etwa ein bis zwei Stunden intensivem Abgaskonsum entspricht.

Gibt es direkte wissenschaftliche Vergleiche zu den Autoabgasen?

Diehm: Ja, im Jahr 2004 wurde ein Artikel im „British Medical Journal“ publiziert, der aufgezeigt hat, dass das Rauchen einer einzigen Zigarette so viel Feinstaub produziert wie ein damals gebräuchlicher Dieselmotor, der eineinhalb Stunden läuft. Mit anderen Worten: Die Mengen an Feinstaub, die Menschen von Dieselabgasen aufnehmen, dürfte über das Leben verteilt eine fast völlig vernachlässigbare Größe sein.

Ultra-Feinstaub darf nicht verharmlost werden

Ist das nicht eine Relativierung der Feinstaubabgase aus den Autos?

Diehm: Ultra-Feinstaub darf nicht verharmlost werden. Der Richtwert der Weltgesundheitsorganisation für die kleinen Feinstaubpartikel (PM 2,5) beträgt maximal zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Die kleinen Partikel schädigen nicht nur die Lunge, sondern auch die Blutgefäße und sind wahrscheinlich ein Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfälle. Selbst Wachstumsstörungen bei Kindern werden diesen Stäuben angelastet. Bewiesen ist aber nichts. Dabei zeigen die Befunde, dass Partikelfilter bei Diesel-Autos von größter Wichtigkeit sind. Früher war Feinstaub bei Dieselmotoren aber ein wesentlich größeres Problem. Durch Einführung von Partikelfiltern sind die Emissionen deutlich gesunken. Auch Tempolimits sind sehr wirkungsvoll. Das haben Studien in der Schweiz und in Tirol gezeigt.

Curt Diehm ist Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Angiologie, Phlebologie und Sportmedizin. Er studierte Humanmedizin an den Universitäten in Heidelberg, Genf und Paris. Nach der Habilitation und einer Professur für Sportmedizin in Heidelberg war Diehm von 1991 bis 2014 Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin im Klinikum in Karlsbad-Langensteinbach. Seit 2014 fungiert er als Ärztlicher Direktor und Leitender Arzt der Angiologie der Max-Grundig-Klinik auf der Bühlerhöhe. Die 1986 gegründete Fachklinik entstand in den Räumen des dort früher ansässigen Sanatoriums

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