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Eine Einordnung

Dekanat Baden-Baden spricht über Missbrauch in der katholischen Kirche

Das Dekanat Baden-Baden hat bei einem Gesprächsabend über den Bericht zur sexualisierten Gewalt im Erzbistum Freiburg gesprochen. Für Pfarrer Michael Teipel geht es jetzt um das Ringen um den richtigen Weg.

Dekan Michael Teipel
Pfarrer Michael Teipel ordnet Bericht des Erzbistums Freiburg zu sexualisierter Gewalt ein Foto: Ulrich Philipp

„Ich will zu Jesus gehören, aber ob ich noch zu dieser Amtskirche gehören will, das weiß ich nicht. Gehöre ich dann noch zu den Guten? Das alles belastet mich außerordentlich!“ Nach diesem Satz einer älteren Frau herrscht erst einmal Schweigen im Gemeindesaal der katholischen Pfarrgemeinde St. Bonifatius in Lichtental.

Hierher hatten Pfarrer Michael Teipel und Pastoralreferent Patrick Krieg am Donnerstag zu einem Gesprächsabend über sexualisierte Gewalt im Erzbistum Freiburg eingeladen. Anlass war die Veröffentlichung des Berichts der Arbeitsgruppe Machtstrukturen und Aktenanalyse am 18. April.

Teipel referierte unter anderem einige Ergebnisse. Demnach hat die Arbeitsgemeinschaft 4.114 Akten studiert und dabei 190 beschuldigte Priester identifiziert, 160 davon aus dem Erzbistum Freiburg. 442 Personen konnten ihnen als potenzielle Opfer zugeordnet werden. „Unter sexuellem Missbrauch versteht der Bericht jede sexuell motivierte Annäherung, mit oder ohne körperlichen Kontakt“, erklärte Teipel und benannte auch Verantwortliche.

Vorfälle waren bekannt

Als Beispiel führte er die früheren Erzbischöfe Robert Zollitsch und Oskar Saier an, die von Vorfällen sexualisierter Gewalt im Erzbistum wussten und dennoch keine kirchen- oder strafrechtlichen Schritte einleiteten. „Saier hat die Vorfälle aus einer Vermeidungsstrategie heraus an seinen Personalreferenten übergeben. Er ließ das Thema nicht an sich herankommen“ sagte Teipel.

Und auch Robert Zollitsch, der 31 Jahre lang Führungsämter innehatte, habe nach diesem Muster agiert: „Teilweise wurden Hinweise oder Vermerke aus den Akten entfernt und gegenüber Rom mit falschen Zahlen agiert.“

Nach seinen Ausführungen meldeten sich einige Anwesende zu Wort. Die bereits genannte Frau erklärte weiter, sie wolle nicht mehr länger warten, bis von den kirchlichen Amtsträgern etwas komme.

Die entscheidenden Veränderungen müssten nach ihrer Ansicht von der Basis ausgehen. Teipel erwiderte, der Anspruch „Wir sind die besseren“ habe sich als falsch erwiesen. Jetzt gehe es um das Ringen um den richtigen Weg. Dabei müsse jeder einzelne seine Antwort finden.

Er selbst – so Teipel weiter – habe „Gott sei Dank“ niemals solche Erfahrungen machen müssen. Im Gegenteil habe er die Kirche immer als Ort der Freiheit und der Entwicklung erlebt. Diese guten Erfahrungen wolle er auch in Zukunft weitergeben.

Teilnehmerin dreht es den Magen um

Eine weitere Teilnehmerin sagte, es drehe ihr den Magen um, wenn sie daran denke, dass in einigen Gemeinden eine Mehrheit sogar den Kindern die Schuld an den sexuellen Übergriffen für die Vorkommnisse gegeben habe. „Sie hätten den Pfarrer verdorben“, schildert die Frau die Vorwürfe in einigen Fällen.

Eine andere bestätigte diese Vorwürfe und ergänzte: „In einigen Fällen hat der Vorwurf ‘das Opfer ist Schuld’ sogar zum Verlust von Existenzgrundlage geführt. Einige Betroffene mussten ihre Dörfer verlassen, weil sie die Wahrheit gesagt haben.“

Ein Teilnehmer betonte, es seien Fälle bekannt, in denen Betroffene hunderte Male Übergriffe erleiden mussten: „Diese Kinder haben mit Sicherheit versucht, sich Vertrauenspersonen wie den Eltern mitzuteilen, aber die haben nicht adäquat reagiert.“ Das wiederum habe damit zu tun, dass es für viele einfach unvorstellbar gewesen sei, dass Priester so etwas tun könnten.

Zudem habe man sich von einem Geistlichen in gewisser Weise auch als abhängig betrachtet. Denn nach einer weiteren falschen Vorstellung sei der Zugang zu Gott nur über den Geistlichen möglich, erklärte der Mann.

Diskutiert wurde auch die Frage, wie man in Zukunft sexuelle Übergriffe in der Kirche vermeiden kann. Eine Teilnehmerin stellte hierzu fest: „Es wird nicht ohne uns gehen. Aber vielleicht macht die Hoffnung gerade aus, dass das Neue und die Wahrheit jetzt von der Basis kommen und nicht von oben.“

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