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Besuch beim Scherenschleifer

Seltenes Handwerk macht Station in Baden-Baden und zieht viele Kunden an

Die pfälzische Familie Weiß pflegt eine ganz besondere Handwerkskunst seit sieben Generationen: das Scherenschleifen. Wir haben sie in Baden-Baden besucht.

Romeo und Sergio Weiß (v.l.) mit ihren Stammkundinnen Selina Moser, Vanessa Mörser und Yasemin Karaoglu.
Romeo und Sergio Weiß (von links) mit ihren Stammkundinnen Selina Moser, Vanessa Mörser und Yasemin Karaoglu. Foto: Veruschka Rechel

Seit sechs Jahren macht Scherenschleifer Romeo Weiß beim Edeka-Markt Fitterer in Baden-Baden Lichtental halt: „Außer unserer Familie kennen wir keine anderen fahrenden Scherenschleifer, wahrscheinlich sind wir die einzigen in Deutschland“, sagt Weiß. Der gebürtige Rheinland-Pfälzer gehört in sechster Generation einer fahrenden Scherenschleifer-Familie an.

Der 51-Jährige weiß viel zu erzählen. In seinem Berufsleben habe er viele ausgefallene Klingen geschliffen. Samurai-Schwerter, Macheten und Dolche seien zu ihm gebracht worden, um sie wieder auf Vordermann bringen zu lassen.

Selbst das Leben von Fleischwölfen können wir verlängern.
Sergio Weiß
Scherenschleifer

„Selbst das Leben von Fleischwölfen können wir verlängern“, betont sein Sohn Sergio Weiß. Der 23-Jährige ist zusammen mit seinem vier Jahre älteren Bruder Maurice bereits in die Fußstapfen des Vaters getreten.

„Schon als Kinder sind wir oft mitgefahren, und dadurch regelrecht in diesen Beruf hineingewachsen“, sagt Sergio Weiß. Vorsichtshalber haben sie beide eine abgeschlossene Ausbildung in einem anderen Beruf. Sergio Weiß ist gelernter Einzelhandelskaufmann, sein Bruder hat sich zum Goldschmied ausbilden lassen.

Doch sie hoffen, auch weiterhin ihr jahrhundertealtes Handwerk ausüben zu können, obwohl es ein aussterbender Beruf ist. Im Mittelalter reisten Wanderschleifer durch ganz Europa. Früher war für das fahrende Handwerk ein Pferdeplanwagen notwendig. Romeo Weiß hat einen Transporter. Im Fahrzeug ist seine Werkstatt untergebracht. Damit fahren die Weißens zu zweit oder dritt jedes Jahr quer durch ganz Deutschland zu ihren Stammkunden. Friseure und Profi-Köche gehörten dazu: „Für die sind ihre eigenen Scheren und Messer Heiligtümer“, sagt Romeo Weiß. Auch Gemeinden, Städte und Supermärkte riefen an und fragten, wann er zu seinem jährlichen Besuch käme.

In früheren Zeiten fuhren die Scherenschleifer noch mit einer Glocke im Auto durch die Straßen oder klingelten an den Haustüren, um die Kundschaft anzulocken. Beides ist schon lange verboten. Heute melden sich die Kunden wegen eines Termins bei ihm. Auch der Supermarkt in Baden-Baden Lichtenau habe bei ihm angefragt. Dort steht er noch bis zum 29. April dem Kundenparkplatz. Sohn Sergio koordiniert die Aufträge und organisiert die jeweiligen Standplätze.

Offiziell wohnt die Familie Weiß in Neustadt an der Weinstraße. Allerdings übernachteten die fahrenden Handwerker meistens dort, wo sie gerade einen Auftrag hätten. Besonders oft sind sie in Südwestdeutschland unterwegs, erzählt Weiß.

Vanessa Mörser aus Baden-Baden ist eine Kundin, die das Handwerk eines Scherenschleifer schätzt. Sie sei seit vier Jahren Stammkundin bei Romeo Weiß. Sie möchte, dass er ihren Scheren und Küchenmessern neuen Schliff verpasst: „Es ist zu schade, sie wegzuwerfen, und außerdem möchte ich die Umwelt schonen“, sagt Mörser.

Romeo Weiß und seine Söhne schliffen und polierten alles, was eine stumpfe Klinge habe. Sie seien erst zufrieden, bis die Schere wieder schnippele, das Messer wieder schneide und die Hacke wieder hacke. Das bestätigt Selina Moser aus dem Rebland. Sie ist eine der Stammkundinnen. Diesmal widmet sich Weiß ihrem Fleischermesser: „Danach geht das Schneiden wie Butter“, sagt Moser.

Auch Heckenscheren und Rasenmäher-Schnittmesser werden geschärft

Obwohl das Schleifen so einfach aussieht, erfordere es sehr viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Davon hat Vater Weiß reichlich, denn das Schleifen wurde ihm quasi in die Wiege gelegt. Seit 1846 übten seine Vorfahren diesen Beruf aus und haben offensichtlich bis heute die „Schleif-Gene“ weitervererbt. Deshalb kommen die Weißens weiterhin mit ihrem Handwerk zu den Menschen, auf Wunsch sogar nach Hause. Auch Gartenfreunde wüssten den fachgerechten Schliff zu schätzen. Neben allen Arten von Scheren vertrauten sie ebenso elektrische Heckenscheren oder das Schneidwerkzeug von Rasenmähern den Schleif-Spezialisten an. Bei Yasemin Karaoglu aus Sinzheim bringt bereits zum dritten Mal ihre teure Rosenschere an den Schleifwagen auf dem Supermarktparkplatz: „Eine neue kostet bis zu hundert, das Schleifen zwischen zehn und fünfzehn Euro“, sagt Karaoglu.

Romeo Weiß hat einen Tipp für den Alltag: Man solle Messer niemals in der Spülmaschine reinigen. Das Salz mache sie stumpf. Dieser Tipp ist kostenlos.

Service

Romeo Weiß schleift noch bis Montag, den 29. April, von 10 bis 16 Uhr, und am Samstag von 10 bis 14 Uhr, auf dem Parkplatz beim Edeka-Markt Fitterer in Baden-Baden Lichtental.

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