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Jahrelanger Missbrauch

Urteil im Missbrauchsprozess Murgtal: 13 Jahre Haft für den Stiefvater

Im Prozess gegen einen 40-jährigen Murgtäler, der seine Stieftochter über Jahre hinweg sexuell missbraucht haben soll, hat das Landgericht Baden-Baden das Urteil gesprochen und ausführlich begründet.

Ein Missbrauchsopfer sitzt beispielhaft in einem Raum mit mehreren Videokameras und Mikrofonen für eine Aufzeichnung seiner Aussage.
Der Missbrauch begann früh: Zu Beginn der Taten soll das Mädchen so jung gewesen sein, dass es die sexuelle Komponente der Taten noch nicht einschätzen konnte. Hier ein Symbolfoto. Foto: Jan Woitas/dpa

Ein lautes Raunen ging durch den Saal des Landgerichts Baden-Baden, als der Vorsitzende Richter Stefan Schmid das Urteil gegen einen 40-jährigen Murgtäler verhängte, der sich über Jahre hinweg an seiner Stieftochter vergangen haben soll. 13 Jahre lang soll der Mann nun hinter Gitter wandern.

„Ein erhebliches Urteil“, räumte Schmid ein. „Weniger wäre nicht angemessen gewesen nach unserem Dafürhalten.“ So liege es zwar in der Natur der Sache, dass es schwierig sei, sich gegen derartige Vorwürfe zu verteidigen. Doch habe es viele Eindrücke und gewichtige Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Geschädigte weder belastende Tendenzen gezeigt habe noch von ihrer grundsätzlichen Schilderung abwich.

Und die hat sie – eingerechnet der Exploration durch die Sachverständige – insgesamt viermal zu verschiedenen Zeitpunkten wiederholen müssen. Würde dies nicht auf wirklich Erlebtem basieren, stellte die Gutachterin fest, hätte es augenscheinliche Widersprüche gegeben. Selbst ein guter Schauspieler hätte einen solchen Vortrag kaum fehlerfrei leisten können.

Angeklagter aus dem Murgtal zeigt keine Regung

„Je nach Gusto hat sich der Angeklagte der Mitwirkung der Nebenklägerin bedient, um seine sexuellen Neigungen auszuleben“, lautete der Schluss, zu dem das Gericht kam. Dass das Mädchen jeweils flüssig und teilweise erschreckend sachlich schilderte, was ihr von ihrem achten Lebensjahr an widerfahren ist, lasse sich damit erklären, dass sie zu Beginn der Taten in einem Alter war, in dem sie die sexuelle Komponente der Taten nicht einordnen konnte. Irgendwann habe sie es dann als „normal“ empfunden. So erkläre sich ein Stück weit ihre Art, über das Geschehene zu sprechen.

Wie schon bei den vorangegangenen Verhandlungstagen war dem Angeklagten keine sichtbare Gemütsregung anzumerken – auch nicht, als das Urteil verkündet wurde und ebenso wenig, als diverse Taten, die ihm vorgeworfen wurden, nochmals benannt wurden. Denn anders als von der Verteidigung, die auf Freispruch plädiert hatte, vorgetragen wurde, ließ sich eine Vielzahl der Taten sehr gut an Details festmachen, argumentierte das Gericht.

Mädchen kann sich an Details erinnern

So hatte sich das Mädchen etwa an einen sehr frühen Übergriff erinnert, bei dem ein rotes Bettlaken beschmutzt und vom Stiefvater gewechselt wurde. Ebenso nannte sie den Titel des Porno-Films, den er ihr auf dem Bett liegend auf einem Laptop vorgespielt hatte, um ihr zu verdeutlichen, was er von ihr wolle. Der Vorsitzende Richter führte eine ganze Reihe ähnlich scheußlicher Details an, die man bei der Entscheidung als konkrete Taten zugrunde legen könne.

Von einer perfiden Vorgehensweise sprach der Richter Schmid letztlich auch, weil der Stiefvater bereits im Sommer 2018 einen „Warnschuss“ erhalten habe. Damals hatte sich das Opfer offenbart. Doch anstatt seine Übergriffe einzustellen, habe er sie fortgesetzt und das Mädchen schwer unter Druck gesetzt, damit es die Anschuldigungen zurücknehme.

So konnte am Ende quasi nur der Umstand, dass er bislang nicht vorbestraft war, zu seinen Gunsten angeführt werden. Alles andere, was die Beweisaufnahme ergeben hatte, wirkte sich eher strafverschärfend aus. Hier zählte Schmid etwa den Umstand auf, dass die Übergriffe im eigenen Zuhause, einem Ort, an dem man sich sicher fühlen sollte, geschahen und dass es sich bei dem Opfer um eine Schutzbefohlene handelte.

Auch der letzte angeklagte Fall, bei dem der Angeklagte sich erboten hatte, die Stieftochter zur Oma zu fahren, wog schwer. Statt bei der Großmutter endete diese Fahrt auf einem entlegenen Sportplatz. Dort zwang er das Mädchen sich auf den Rücksitz zu begeben, wo er sie zum Oralverkehr zwang. Sie habe aufgrund der aktivierten Kindersicherung keine Chance gehabt, ihrem Peiniger zu entkommen.

Trotzdem sollte ihn dieser Fall am Ende zu Fall bringen. Als sich das Mädchen kurz darauf seiner Cousine offenbarte und damit den ersten Schritt in Richtung Anzeige machte, bestritt der Angeklagte die Taten zunächst. Erst, als er auf eine Überwachungskamera am Sportplatz hingewiesen wurde, begann sein Lügenkonstrukt zu bröckeln.

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