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Saisonstart trotz Corona

"Lärmposer" auf zwei und vier Rädern nerven Anwohner von beliebten Motorradstrecken

"Lärmposer" auf zwei und vier Rädern sind für Anwohner beliebter Ausflugsstraßen im Murgtal ein Ärgernis. Totz Corona-Pandemie und der Aufforderung, zuhause zu bleiben, ist am Osterwochenende wieder mit viel Verkehr zu rechnen.

RÜCKSICHTNAHME: Der Gaggenauer Arbeitskreis Natur und Umwelt appelliert an Motorradfahrer, in bewohnten Gebieten zurückhaltend zu fahren.
RÜCKSICHTNAHME: Der Gaggenauer Arbeitskreis Natur und Umwelt appelliert an Motorradfahrer, in bewohnten Gebieten zurückhaltend zu fahren. Foto: Collet

Mit steigenden Temperaturen schwirren sie wieder aus: Am vergangenen Wochenende begann auch für die Motorradfahrer mit Saisonkennzeichen die Zweiradsaison. An Ostern stellt der Wetterbericht bis zu 24 Grad Celsius und Sonnenschein in Aussicht. Für die Anwohner von beliebten Motorradstrecken im Murgtal keine guten Nachrichten.

Die Corona-Krise schränkt Motorradtouren in Baden-Württemberg nicht ein, anders als etwa in Bayern, wo strengere Regelungen für die Ausgangsbeschränkungen gelten. Dort darf die Wohnung nur aus einem „triftigen Grund“ verlassen werden, eine Spritztour mit dem Motorrad fällt nicht darunter.

In Baden-Württemberg gilt lediglich eine Kontaktsperre: Vergnügungsfahrten sind zulässig, auch mit Beifahrer. Lediglich beim Zwischenstopp an der Tankstelle oder der Zigarettenpause ist bei den „Benzingesprächen“ die Abstandsregelung einzuhalten. Dabei hilft, dass die beliebten Motorradtreffpunkte derzeit geschlossen sind.

Auf den Straßen gibt es dagegen keine Entspannung: „Unter der Woche sind sogar mehr Motorradfahrer unterwegs, die Leute sind daheim und langweilen sich, nutzen die freie Zeit“, hat Konstantin Rost beobachtet.

Keine Entspannung auch in Corona-Zeiten

Der Michelbacher wohnt an der Moosbronner Straße und ist Sprecher der Interessensgemeinschaft gegen Lärm L613, die sich seit dem Jahr 2016 für Geschwindigkeits- und Lärmreduzierende Maßnahmen einsetzt.

Die Bemühungen brachten durchaus bereits einige Verbesserungen: Die Große Kreisstadt Gaggenau beschaffte auf eigene Kosten ein Display, das Verkehrsteilnehmer am Michelbacher Ortsausgang auf Höhe des Friedhofs darauf hinweist, ob sie mit angepasster Geschwindigkeit unterwegs sind.

Motorräder werden immer lauter, Grenzwerte halten sie nur auf dem Prüfstand ein.
Konstantin Rost, Anwohner aus Michelbach

Der Gaggenauer Stadtteil Michelbach ist besonders betroffen: Die kurvenreiche Landstraße zwischen Michelbach und Moosbronn („vom Friedhof bis zum Friedhof“) ist beliebt. Auf Videoportalen im Internet laden Biker ihre mit Action-Cam aufgenommenen Fahrten hoch: Die Tachonadel zeigt Geschwindigkeiten von über 140 Kilometern pro Stunde an, gewagte Überholmanöver inklusive.

Die oft von knalliger Musik untermalten Videos ziehen Nachahmer an. Nach mehreren schweren Motorradunfällen 2017 wurde talabwärts bis zum Friedhof Michelbach Tempo 70 eingeführt.

Das Hauptproblem aus Sicht der Michelbacher Initiative: „Die Motorräder werden immer lauter, wenn sie auf dem Prüfstand getestet werden, halten sie die Grenzwerte ein, in der Praxis sind sie deutlich lauter“, betont Konstantin Rost. Gangwahl und Gashand der Fahrer haben einen erheblichen Einfluss auf die Geräuschentwicklung beim Passieren einer Ortsdurchfahrt.

Arbeitskreis Umwelt und Natur sieht Politik in der Pflicht

„Unser Adressat ist die Politik“, bekräftigt auch Folker Hahn vom Arbeitskreis Natur und Umwelt der Stadt Gaggenau. Die Gemeinden haben in den vergangenen Jahren einige Maßnahmen getroffen, um Bürger vor dem Lärm zu schützen, wie Geschwindigkeitsbegrenzungen, Geschwindigkeitsdisplays und Hinweistafeln.

Hahn: „Allerdings sind die Kompetenzen der Gemeinden begrenzt, und geplante Maßnahmen werden zum Teil von Regierungspräsidium und Bund gestoppt.“

Ein „Hotspot“ in Gaggenau ist auch der Bereich Bahnhof: „Es gibt eine Poser-Szene“, sagt Hahn. Am Freitag- und am Samstagabend sind dort überwiegend junge Männer in getunten Fahrzeugen unterwegs, um vor Zuschauern die Motoren aufheulen zu lassen und sich illegale Beschleunigungsrennen zu liefern. „Wir fordern deshalb mehr Kontrollen in den Abendstunden und am Wochenende.“

Praxisgerechtere Grenzwerte gefordert

Besonders der unnötige Auspufflärm der „Krachposer“ auf zwei und vier Rädern ist verantwortlich für die Einschränkung der Lebensqualität der Anwohner, betont Hahn.

Tastengesteuerte Klappenauspuffe, elektronische Soundanlagen und bewusst herbeigeführte Fehlzündungen dürfen immer noch legal verbaut werden. Der Lärmgrenzwert liegt bei 78 Dezibel, höhere Geschwindigkeiten und hochtouriges Beschleunigen werden dabei aber nicht berücksichtigt. Hahn: „So sind die Fahrzeuge im Realbetrieb zwei bis dreimal so laut wie zugelassen.“

Selbst der Bundesverband der Motorradfahrer fordert einen Grenzwert von 78 Dezibel „in allen Betriebszuständen, also zum lautesten Betriebszeitpunkt“.

Nach einer Podiumsdiskussion und einer Ausfahrt „Fahren mit Spaß – LAUT ist OUT“ im vergangenen Jahr wollte der Arbeitskreis den Tag gegen Lärm am 29. April zum Anlass nehmen, um Kontakt mit Motorradclubs und Motorsportvereine aufzunehmen. Wegen der Corona-Beschränkungen liegt dieses Projekt auf Eis. Im Herbst ist eine Veranstaltung mit dem Regierungspräsidium im Rathaus Gaggenau geplant.

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