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Kämpfer für Gesundheitssystem

Kein Nachfolger: Acherner Arzt schließt nach 46 Jahren seine Praxis

46 Jahre lang hatte er in Lauf, später dann in Achern, seine Patienten betreut. Nun schließt Michael Wey nach einer insgesamt 51 Jahre dauernden Tätigkeit als Arzt zum 30. Juni endgültig die Türen seiner Praxis. Warum er wegen der Corona-Krise keinen Nachfolger gefunden hat:

Für ein neues Kassensystem: Der 77-Jährige kämpft mit seinem Verein „Frischer Wind“ für eine neue Struktur im Gesundheitswesen
Für ein neues Kassensystem: Der 77-Jährige kämpft mit seinem Verein „Frischer Wind“ für eine neue Struktur im Gesundheitswesen Foto: Brück

46 Jahre lang hatte er in Lauf, später dann in Achern, seine Patienten betreut. Nun schließt Michael Wey nach einer insgesamt 51 Jahre dauernden Tätigkeit als Arzt zum 30. Juni endgültig die Türen seiner Praxis.

Von Michael Brück

Lange Zeit hatte der Allgemeinmediziner, der sich in den vergangenen Jahren vorwiegend mit Patienten im Bereich der Psychosomatik, Suchtproblematik und ADHS beschäftigte, einen Nachfolger für seine Praxis im „Wilden Mann“ an der Acherner Hauptstraße gesucht.

„Ich hatte auch zuletzt wieder einen Kandidaten gefunden, doch der hat, auch bedingt durch die Corona-Krise, in letzter Minute wieder abgesagt“, erzählt Wey.

Viele ältere Ärzte finden keine Nachfolger

Ein Schicksal, das er derzeit mit vielen seiner älteren Berufskollegen teilt. Die jungen Kollegen winken ab, gehen teilweise andere Wege in einem Gesundheitssystem, das nach Meinung von Wey jetzt unbedingt einen Wandel vollziehen und sich selbst neu erfinden muss.

Schon vor einiger Zeit sei der Versuch gescheitert, die Praxis an eine jüngere Ärztin abzugeben, die er zunächst in einer zweiten Niederlassung beschäftigt hatte, einer Praxis, die er selbst von einem Kollegen übernommen habe, der die Suche nach einem jüngeren Nachfolger aufgegeben hatte. „Es ist heute nicht mehr leicht, jemanden zu finden, der sich all dem Stress und den immer größer werdenden Anforderungen und Verwaltungsaufgaben eines Praxisbetriebes stellen möchte“, weiß der heute 77-Jährige.

„Eine gute Beschäftigung im Krankenhaus mit Festgehalt und regelmäßigem Urlaub ist da schon verlockender.“ Selbst einen jungen Kollegen aus Armenien habe er in seiner Praxis schon ausgebildet. Aber auch hier seien die Bemühungen um eine Nachfolge im Sand verlaufen. „Finanziell hätte sich das auf jeden Fall gelohnt. Wir sind immer noch die gut bezahlten Angestellten der Krankenkassen“, so der Acherner Arzt.

Viele meiner Patienten haben jetzt die Herausforderung zu bewältigen, einen Arzt zu finden, der sie weiter betreut.
Michael Wey, Arzt in Achern

Dennoch: Für Wey waren es die Patienten, die ihn immer wieder dazu brachten, den Ruhestand nach hinten zu schieben und weiter in der Acherner Praxis zu arbeiten. „Viele meiner Patienten haben jetzt die Herausforderung zu bewältigen, einen Arzt zu finden, der sie weiter betreut.“

Einen Allgemeinmediziner noch einzuarbeiten, das wäre kein Problem gewesen. „Aber ich praktiziere hier ja in einem Spezialgebiet. Da muss man schon gute 100 Kilometer fahren, bis man den nächsten Kollegen mit dieser Spezialisierung findet“, vermutet Wey. „In Baden-Baden gibt es noch einen Kollegen, aber der kann ja nicht alle meine Patienten übernehmen.“

Er habe schon mehrfach gehört, dass viele Praxen niemanden mehr annehmen. Auch deshalb werde er seinen Patienten künftig die Möglichkeit geben, ihn über eine E-Mail-Adresse zu kontaktieren. „Zumindest auf Basis des Ehrenamtes kann ich dann noch ein wenig als Berater fungieren und beispielsweise im Suchtbereich helfen, wenn es Probleme gibt“, sagt Wey. Eigentlich bin ich ja auch schon seit zehn Jahren Rentner.“

Michael Wey hat Buch über "marodes Gesundheitssystem" geschrieben

Es sei schwierig, nun Patienten abzugeben, die man schon seit 30 oder gar 40 Jahren betreut. Mittlerweile ist Wey auch unter die Autoren gegangen, hat eben erst ein Buch über das seiner Meinung nach marode Gesundheitssystem geschrieben, das gerade am Markt erschienen ist.

„Frischer Wind für das Gesundheitswesen“ ist der Titel des mehr als 300 Seiten starken Werkes, in dem Wey „die Krankengeschichte unseres Gesundheitssystems“ analysiert und mit der Idee eines völlig neuen Krankenversicherungssystems die Menschen für eine stärkere Mitverantwortung im Gesundheitswesen begeistern möchte.

Acherner Arzt will Politik zum Umdenken bewegen

Letztlich auch, um die zunehmenden Demografieprobleme in der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung für die kommenden Jahre zu lösen. Mit der Initiative „Frischer Wind“, einem eingetragenen Verein, macht sich Wey schon seit Beginn der 1990er Jahre für eine bürgerfreundliche, gerechte und europafähige Steuerung der Gesundheitsversorgung stark.

„Und hier werde ich in den kommenden Jahren auch gebraucht. Als jemand, der das Geschäft in all seinen Facetten kennt und die Lobbyarbeit betreiben kann, die es braucht, um Politik und Krankenkassen von der Notwendigkeit eines Umdenkens zu überzeugen.“

Insofern könne von Ruhestand nun wirklich keine Rede sein. Er werde künftig wohl mehr Zeit in Berlin verbringen. Zum Wohle der Versicherten.

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