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Landgericht

Zeuge zum Baden-Badener Richter: „Lassen Sie mich endlich in Ruhe“

Im Prozess wegen Totschlags in einer Acherner Asylunterkunft hat es das Landgericht Baden-Baden am Donnerstag mit einem wenig hilfreichen Zeugen mit vielen Erinnerungslücken zu tun bekommen. Mehr Licht ins Dunkel brachte die forensische DNA-Analyse.

Amtsgericht und Landgericht Baden-Baden
Amtsgericht und Landgericht Baden-Baden Foto: Ralf Joachim Kraft

Seit 30. Januar muss sich ein heute 72 Jahre alter Mann aus der Ukraine vor dem Landgericht Baden-Baden wegen Totschlags verantworten.

Am vierten Verhandlungstag hatte das Schwurgericht unter dem Vorsitz von Richter Stefan Schmid erneut keinen leichten Stand. Denn die Juristen bekamen es einmal mehr mit einem wenig hilfreichen Zeugen zu tun, der vor allem eines hatte – sehr viele Erinnerungslücken.

Blutspuren können Opfer zugeordnet werden

Mehr Licht ins Dunkel brachte als Sachverständige eine Diplombiologin des Landeskriminalamtes. Die 41-Jährige stellte die Ergebnisse der DNA-Analyse vor. An diversen Gegenständen hatte die Kriminaltechnik Spurenmaterial gesichert, das molekulargenetisch untersucht wurde.

An der 22 Zentimeter langen Stahlklinge des Küchen- oder Fleischermessers fanden die Forensiker Blutspuren, die dem Opfer zugeordnet werden konnten.

Tödlicher Messerstich in Achern

Mit diesem Messer soll der Angeklagte am 29. Juli vergangenen Jahres in der Acherner Flüchtlingsunterkunft in der Morezstraße einen 64 Jahre alten Landsmann erstochen haben. Zuvor war es nach Aussage der Staatsanwaltschaft zu einem Streit zwischen den beiden gekommen. Dabei soll auch Alkohol im Spiel gewesen sein.

Am Griff der mutmaßlichen Tatwaffe stellten die Fachleute eine Mischspur fest, die vom Angeklagten und zwei weiteren Personen stammte. Der untersuchte Schmutz unter den Fingernägeln des Angeklagten und des Geschädigten wies jeweils keinerlei Fremd-DNA auf.

Dafür konnten die Experten die Blutantragungen am Sweatshirt des Beschuldigten sowohl ihm als auch dem Opfer zuordnen. DNA des Geschädigten fanden sie ebenso an der Krücke des Angeklagten.

Verfahrensbeteiligte brauchen bei der Vernehmung gute Nerven

Für den bereits genannten Zeugen, einen 79 Jahre alten Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft in der Morezstraße, brauchten alle Verfahrensbeteiligten gute Nerven.

Der Rentner, der mit seinem Sohn in der Unterkunft lebt, litt wie schon etliche Zeugen vor ihm an plötzlichem Gedächtnisschwund. „Ich kann mich an nichts erinnern. Ich habe mein Bier getrunken, fertig“, sagte der russisch sprechende Mann in radebrechendem Deutsch.

Gebetsmühlenartig wiederholte er über eine Stunde lang: „Die beiden haben gestritten. Mehr weiß ich nicht. Das ist nicht meine Sache und es ist mir auch wurscht.“ Im Übrigen sei das bald ein Jahr her. Er könne sich „mit fast 90“ nicht erinnern, sagte der 79-Jährige, der gar nicht verstehen konnte, warum er heute hier ist.

„Hat Ihnen jemand gesagt, dass Sie wenig sagen sollen? Sind Sie verletzt worden am nächsten Tag?“, wollte Richter Schmid vom Zeugen wissen. Dieser beantwortete beide Fragen mit „Nein“, obwohl in seinem Zimmer Blutspuren an Stoff- und Papiertüchern gefunden wurden, die von ihm selbst stammten. „Ich weiß nicht, woher die sind“, sagte er.

Verhandlung wird am 28. Februar fortgesetzt

Erst nach einem entsprechenden Hinweis des Richters räumte er ein: „Ja, Nasenbluten, das kann sein.“ Da der Vorsitzende Richter nicht locker ließ und immer wieder dieselben Fragen stellte, wurde der Zeuge unwirsch: „Jetzt lassen Sie mich endlich in Ruhe.“ Die Verhandlung wird am Mittwoch, 28. Februar, um 9.30 Uhr fortgesetzt.

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