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Eltern haben Schwierigkeiten bei Suche

Im Ortenaukreis gibt es viel zu wenig Kinderärzte

Mindestens fünf Ärztinnen und Ärzte im Ortenaukreis wechseln in den kommenden fünf Jahren in den Ruhestand. Der Sozialausschuss spricht von einem Dilemma.

Kinderärztin untersucht kleines Mädchen, das den Mund geöffnet hat.
Nur eine kleine Erkältung – oder eine ernsthafte Infektion? Diese Frage treibt Eltern im Herbst um und beschert Kinderärzten Arbeit. Foto: gpointstudio imago/Westend61

Die kinder- und jugendärztliche Versorgung im Ortenaukreis ist ein Riesenproblem. Das wurde in der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses des Kreistages einmal mehr deutlich.

Mehrere Sprecher berichteten von den Schwierigkeiten, für die eigenen Kinder einen Arzt zu finden. Die Problematik analysierte zuletzt umfassend die Kommunale Gesundheitskonferenz Ortenaukreis (KSK), formulierte zudem zahlreiche „Handlungsempfehlungen“, wie Abhilfe geschaffen werden könnte. Diese sollen auch an die zuständigen Stellen in Bund und Land gesandt werden. Das gesamte Papier hat weit über 100 Seiten.

Ein Mangel bei der Versorgung wird immer wieder beklagt.
Evelyn Bressau
Leiterin des Gesundheitsamtes

„Ein Mangel an kinder- und jugendärztlicher Versorgung bei gleichzeitiger Zunahme an Versorgungsaufgaben und -anforderungen werden immer wieder beklagt“, sagte Evelyn Bressau, Leiterin des Gesundheitsamtes und der KSK, „obwohl die Kinder- und Jugendärzteschaft bereits seit langem über ihren Kapazitätsgrenzen arbeitet, bekommen viele Familien keinen Termin.“ Das sei mit ein Grund – weiteres Dilemma -, weshalb Notfallpraxen im Ortenaukreis immer wieder überfüllt seien.

Die KSK ist ein regionales Gremium, das für Gesundheitsförderung, Prävention, medizinische Versorgung und Pflege Ziele formuliert. Im Dezember 2022 hatte sie von der Kreispolitik den Auftrag erhalten, sich umfassend mit dem Thema zu beschäftigen. Der Fachkräftemangel ist ein komplexes Problem, das aber längst nicht nur von regionalen Akteuren gelöst werden kann.

Zahlreiche Kinder- und Jugendärzte arbeiten weit übers übliche Maß hinaus

Das Problem, so Bressau, wäre noch viel größer, wenn nicht zahlreiche Kinder- und Jugendärzte weit übers übliche Maß hinaus arbeiten würden. Und es werde sich weiter verschärfen, wenn nicht Gegenmaßnahmen ergriffen würden. So sei längst offensichtlich, dass mindestens fünf Ärztinnen und Ärzte in den kommenden fünf Jahren in den Ruhestand treten werden, dass immer mehr junge Mediziner ein Anstellungsverhältnis und ein Teilzeitmodell präferieren und immer häufiger Wert legen auf eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Überdies übt das Papier vehement Kritik an einer überbordenden Bürokratie, an unausgereiften Digitalisierungsstrategien, einer fehlerhaften Bedarfsplanung durch den zuständigen Gemeinsamen Bundesausschuss, was mitunter Neugründungen von Praxen nicht möglich macht.

Kritisiert wird auch die „mangelnde Aus- und Weiterbildung“. Auch halte die gestiegene Zahl an Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen sowie pädagogischen und sozialpädiatrischen Anforderungen die Kinder- und Jugendärzte von der üblichen Tagesarbeit ab, nicht zu vergessen auch, wie es weiter heißt, der erhöhte Versorgungsaufwand durch vulnerable Zielgruppen.

Die Kommunale Gesundheitskonferenz fordert, mehr Studienplätze zu schaffen, das Zulassungsverfahren zum Medizinstudium zu vereinfachen, die Aus-, Fort- und Weiterbildung zu verstärken, Projekte zu gründen à la „Landarztquote“ oder „Förderprogramm bringt neue Hausärzte aufs Land“.

Stipendien und Starterprämien für künftige Kinderärzte/innen wären hilfreich

Hilfreich wären auch Stipendien und Starterprämien für künftige Kinderärzte/innen. Zudem sollte über eine bessere Honorierung von Ärztinnen und Ärzten auf dem Land nachgedacht werden. Sehr hilfreich wäre auch eine gute Kinderbetreuung vor Ort, so Evelyn Bressau: Manche Kinderärztin würde gerne mehr Wochenstunden arbeiten, wenn für die eigenen Kinder eine zeitlich gute Betreuung gewährleistet wäre.

Außerdem sollten die Kommunen, gerade im ländlichen Raum, den Kinderärzten bei der Suche nach einer möglichen Arztstelle oder einer Wohnung oder beim Beseitigen von bürokratischen Hürden behilflich sein. Hilfreich wäre auch ein breites Angebot an Praktikumsplätzen („Bors“ oder „Bofy“) für Schüler

In der Debatte um politische Reformschritte im Gesundheitswesen stehe auch die Etablierung von sogenannten Gesundheitskiosken im Fokus, zentrale Anlaufstellen, die Beratung anbieten. Im Zentrum für Gesundheit in Ettenheim werde auch bereits, wie vielfach anderswo, ein Konzept für Gesundheitslotsen erprobt. Beides zielt auf eine verbesserte Koordination ab. Solche Lotsen, mit Expertenwissen in der Kinderkrankenpflege, könnten gerade in der Kinder- und Jugendmedizin die Ärzte entlasten.

Ganz wichtig, so Evelyn Bressau, sei auch die Förderung der Gesundheitskompetenz der Ortenauer, auf dass es nicht ständig zu Fällen kommt, „in denen die Notaufnahme aufgesucht oder der Rettungsdienst gerufen wird, obwohl die Situation dies nicht erfordert“.

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