Skip to main content

Frauen unerwünscht

In der Fischerzunft in Rust dürfen seit 1583 nur Männer Mitglied werden

Schon seit 1583 existiert die Fischerzunft in Rust. Bis heute dürfen nur direkte männliche Nachfahren neue Mitglieder werden und fischen. Seinen Lebensunterhalt verdient damit allerdings keiner mehr.

Das Zunftgewässer der Fischerzunft Rust.
Das Zunftgewässer der Fischerzunft Rust ist in einem guten Zustand. Die Situation an der Oder bereitet den Mitgliedern allerdings Sorgen. Foto: Bernhard Rein

In Rust hält sich eine Männerbastion – seit 439 Jahren. 1583 wurde die Fischerzunft im Ort gegründet, zählt derzeit 73 Mitglieder. Es sind ausschließlich Männer. Und die Aufnahmestatuten sorgen dafür, dass sich das so schnell nicht ändert. Denn nur die Söhne eines Mitglieds mit den Namen Gruninger, Hauser, Koch, Obert, Schwarz oder Sigg können mit Vollendung des 18. Lebensjahres in die Zunft aufgenommen werden.

Bei der Verabredung mit Zunftmeister Alexander Koch und Zunftrechner Rainer Gruninger ist diese Tradition zunächst aber Nebensache. Der Pegelstand der Elz, an deren Lauf mitten im Ort der Zunftmeister Zuhause ist, und das Fischsterben in der Oder bestimmen das Gespräch.

Es erinnert an den November 1986. Damals gab es in einer Lagerhalle des Basler Chemiekonzern Sandoz ein Großfeuer und hochgiftiges und blutrotes Löschwasser floss in den Rhein. Es löste ein bis dahin nicht gekanntes Fischsterben aus. „Drei Jahre durfte in unseren Gewässern wegen der Giftwelle kein Fisch gefangenen werden. Es dauerte mehr als ein Jahrzehnt, bis das Wasser wieder in einem besseren Zustand war, jedoch der Fischbestand hat sich bis dato nicht erholt“, erinnert sich Rainer Gruninger.

Wirtschaftliche Bedeutung ist verschwunden

In Rust hat die Fischerei nicht erst seit den späten 1980er Jahren keine wirtschaftliche Bedeutung mehr, die Fischerei reicht schon zuvor für viele nicht zum Broterwerb. Und doch, wer den beiden engagierten Zunftoberen zuhört, der bekommt das Bild einer lebendigen Zunft mit Sinn für Tradition, die Fischerei und Einsatz für das Naturschutzgebiet Taubergießen gezeichnet.

Denn nicht zuletzt war es auch dem Engagement der Fischerzunft zu danken, dass der Taubergießen als Naturschutzgebiet entstand. Anfang der 1970er Jahre waren Pläne des Abwasserzweckverbands Breisgauer Bucht bekannt geworden, wonach ein verdolter, gut acht Kilometer langer Abwasserkanal durch den Taubergießen gebaut werden sollte.

In Rust formierte sich die Bürgerinitiative „Rettet den Taubergießen“ und Widerstand gegen das Projekt. Ihre Resolution gegen den Bau unterzeichneten innerhalb einer Woche 1426 Bürgerinnen und Bürgern aus Rust und den Nachbargemeinden. Das Ergebnis des Widerstands: Am 27. September 1979 wird das Gebiet Taubergießen zum Naturschutzgebiet erklärt.

Eine Besonderheit des Gebiets: der größte Teil des etwa 17 Quadratkilometer großen Naturschutzgebiets ist sogenanntes gemeindefreies Gebiet des Landes Baden-Württemberg und liegt auf Gemarkung der elsässischen Gemeinde Rhinau. Die Gemarkungsgrenze zu Rhinau hat für den Fischfang und für die rund 20 aktive Fischer und Angler der Zunft noch heute eine besondere Bedeutung. „Eine Bootslänge vor der Grenze darf keine Reuse ausgebracht werden“, sagt Alexander Koch.

Revier in der Alten und Blinden Elz

Zunftmitglieder können auf der Alten und der Blinden Elz auf der Gemarkung Rust und Kappel Aal, Hecht, Karpfen, Rotauge Barsch oder Wels fischen. Rainer Gruninger zeigt stolz das Handyfoto seines Fangs vom Vortag - ein Hecht, zehn Kilo schwer und 105 Zentimeter lang.

Sollte er diesen auf Gemarkung Kappel an die Angel bekommen haben, wird dies die Kappeler Fischer ziemlich wurmen, denn Ruster dürfen zwar in Kappeler Fließgewässern auf Fang gehen, die Kappeler aber nicht auf Ruster Gemarkung. Der Überlieferung nach sei dieses Privileg der Ruster Marie Antoinette geschuldet, erklärt Alexander Koch.

Ob diese Überlieferung auch durch ein Dokument beurkundet wurde und zum Inhalt der Zunftlade gehört, die in einer Glasvitrine im Bürgerssaal des alten Ruster Rathaus ausgestellt ist, bleibt im Gespräch offen. Es ist jedenfalls geltendes Fischereirecht, seit mehr als 200 Jahren.

Mitglieder der Ruster Fischerzunft und des Kulturkreises beim Aufbau der Ausstellung zum 425. Jubiläum der Fischerzunft
Gemeinsam die Tradition pflegen: Mitglieder der Ruster Fischerzunft und des Kulturkreises beim Aufbau der Ausstellung zum 425. Jubiläum der Fischerzunft. Foto: Bernhard Rein

In den zurückliegenden drei Jahrzehnten wurde die hölzerne Zunftlade mit der eingravierten Jahreszahl 1583 laut Alexander Koch erst dreimal geöffnet. In ihr befinden sich mehrere Milliarden Reichsmark, Rechnungen und Dokumente aus dem 16. Und 17. Jahrhundert und mehrere Protokollhefte von Mitgliederversammlungen der vergangenen Jahrhunderte.

Vor wenigen Wochen erst sei die Lade wieder geöffnet worden. In einer Grundsteuerangelegenheit bedurfte es zur Erklärung der Einsicht in eine jahrzehntealte Urkunde.

Strenge Regeln für die Aufnahme

In der Zunftlade hinterlegt ist eine Kopie der Satzung, während die Originalsatzung im Gemeindearchiv liegt. In ihr ist beispielsweise auch das Aufnahmeverfahren handschriftlich hinterlegt. Danach können nur die Söhne eines Mitglieds mit den Namen Gruninger, Hauser, Koch, Obert, Schwarz oder Sigg ab dem Alter von 18 Jahren in die Zunft eintreten, sofern diese persönlich in der Zunftversammlung am Kilwi-Sonntag die Aufnahme beantragen.

Der Kandidat muss sich erheben, erklären wessen Sohn er ist und die Aufnahme erbeten.
Rainer Gruninger, Zunftrechner

„Das Prozedere ist fest vorgeschrieben. Der Kandidat muss sich erheben, erklären wessen Sohn er ist und die Aufnahme erbeten. Er selbst muss nicht in Rust leben, aber muss gewissermaßen seinen Stammbaum belegen können. Es kam schon vor, dass wir den Kandidaten selbst gar nicht kannten, er seine Herkunft aber glaubhaft machen konnte“, erklärt Rainer Gruninger. Und es muss die direkte Generationenfolge sein. Wenn der Opa Mitglied ist oder war und der Vater nicht, ist dem Kandidat die Mitgliedschaft verwehrt.

Das neu aufgenommene Mitglied hat auch gleich zwei Pflichten zu erfüllen. Er muss ein Jahr lang Zunftbote sein. „Früher eine aufwendige Sache, weil er persönlich alle Mitglieder über Entscheidung des Vorstands und der Versammlungen informieren musste und zugleich auch die Mitgliedsbeiträge einzukassieren hatte. In Zeiten des Internets oder der Möglichkeit der Onlineüberweisung, ist dieser Pflichtenteil weit weniger intensiv als früher“, sagt Gruninger. Nicht umhin kommen indes auch heute die Kandidaten um die zweite Pflicht, nämlich das Tragen der Zunftfahne bei den Prozessionen an Fronleichnam und Patrozinium.

Die reine Männergesellschaft ist hin und wieder Gesprächsthema

Diese Tradition stellt kein Zunftmitglied infrage, sagt Zunftmeister Alexander Koch in festem Ton. Ob die Zunft auch in Zukunft eine reine Männergesellschaft bleibt, scheint derweil nicht wirklich in Stein gemeißelt. Koch: „Darüber wird in der Zunft schon hin und wieder diskutiert“.

nach oben Zurück zum Seitenanfang