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Streit um Kirchgenglocken

Glocken werden in Ötigheim nachts abgestellt - aber Zweifel an Schallmessungen

Ein neues Kapitel im Ötigheimer Glockenstreit wurde am Dienstagabend in der Gemeinderatssitzung aufgeschlagen. Dabei sah es zunächst so aus, als könnte der Zwist bald der Vergangenheit angehören.

Nachts bald stumm: Die Glocken der Ötigheimer Pfarrkirche St. Michael werden abgestellt – vorerst.
Nachts bald stumm: Die Glocken der Ötigheimer Pfarrkirche St. Michael werden abgestellt – vorerst. Foto: Anja Groß

Aber von vorne: Ende August hatte der Ötigheimer Christian Warth eine Unterschriftenaktion gestartet. Er wohnt in direkter Nähe zur Ötigheimer Pfarrkirche St. Michael und stört sich daran, dass die Glocken auch nachts zu jeder Viertelstunde schlagen.

Zwischen 22 und 6 Uhr, so Warths Vorschlag, sollen die Ötigheimer Glocken verstummen – wohingegen alles Geläut, was kirchliche Riten oder Feste tangiert, in vollem Umfang bleiben soll, wie es ist. Sein Anliegen trug Warth im Frühsommer auch Bürgermeister Frank Kiefer (CDU) vor.

Ende Juli entschied der Ötigheimer Gemeinderat dann aber in nichtöffentlicher Sitzung, dass die Glocken weiter nachts schlagen sollen. Anlass für Warth, seine Unterschriftenliste zu starten, auf die in kurzer Zeit über 100 Ötigheimer ihren Namen setzten.

Fachfirma soll Glockenschlag in Ötigheim abstellen

Nachdem nun einen Monat nichts zu hören war, folgte der Paukenschlag (oder besser Glockenschlag) in der Gemeinderatssitzung am Dienstag. Bürgermeister Kiefer gab bekannt, dass die Glocken ab dem 14. Oktober nachts ausgeschaltet werden, eine Fachfirma sei bereits beauftragt.

Außerdem wurde den Ratsmitgliedern eine Mail des Umweltamts des Landkreises Rastatt zugesendet. Diese bezieht sich wiederum auf eine im Mai 2021 durchgeführte Messung von Johannes Wittekind, Glockeninspektor der Erzdiözese Freiburg. Darin heißt es: „Die Durchführung einer Schallmessung ergibt die Einhaltung der geltenden gesetzlichen Immissionsschutzwerte beim Läuten aller Glocken. Die kurzzeitigen Geräuschspitzen des Uhrschlagwerks liegen hingegen bei gut 75 Dezibel und überschreiten die geltenden Grenzwerte im Nachtbetrieb (45 und 20 Dezibel) in einem erheblichen Maße.“

Auch wenn im Gutachten Wittekinds nicht alle Parameter genannt seien, so komme man nach rechtlicher und fachlicher Prüfung zum Ergebnis, dass Anhaltspunkte für schädliche Umwelteinwirkungen vorliegen, schreibt wiederum das Umweltamt in seiner Mail an die Gemeinde. Man empfehle der Ötigheimer Verwaltung, zu handeln und „technische Maßnahmen“ umzusetzen. „Hier käme eine Abstellen des Glockenschlages in Betracht“.

Glockenstreit in Ötigheim: CDU wirft Gemeindeverwaltung Fehler vor

Für die CDU-Fraktion des Ötigheimer Gemeinderats ein Unding: In einer E-Mail an diese Redaktion wirft sie der Gemeindeverwaltung mehrere Fehler vor. So hätte der Sachverhalt Ende Juli aus Sicht von Fraktionssprecher Christian Schorpp keinesfalls nichtöffentlich stattfinden dürfen, da ein öffentliches Interesse bestand. Er wirft dem Bürgermeister vor, den hinter verschlossener Tür gefällten Beschluss an Christian Warth zu früh weitergetragen zu haben.

Dem widerspricht der Bürgermeister: „Ein nichtöffentlicher Beschluss muss spätestens in der nächsten öffentlichen Ratssitzung bekannt gemacht werden, man kann ihn aber quasi schon direkt im Anschluss an die Sitzung, in der er gefällt wurde, verkünden.“

Fest stehe, so das Schreiben der CDU, dass viele Ötigheimer nicht auf den Glockenschlag ihrer Pfarrkirche verzichten wollen. Die CDU-Gemeinderäte fühlen sich als Volksvertreter bewusst ausgehebelt. Man wolle sich an die zuständige Rechts- und Fachaufsicht wenden, so der Fraktionssprecher.

Kiefer verteidigt das Vorgehen der Gemeinde vehement. Den Prüfbericht des Glockeninspektors, der ja schon vergangenes Jahr verfasst wurde, habe man im Juli noch nicht gekannt: „Hätten wir da schon von der Überschreitung der Grenzwerte gewusst, wäre die Entscheidung sicher anders ausgefallen.“ Unmittelbar nachdem man davon erfahren habe, habe man das Umweltamt um eine Einschätzung gebeten.

Er selbst verstehe gut, dass das Abschalten des Glockenschlags für viele ein hoch emotionales Thema ist. „Allerdings sind uns als Verwaltung da die Hände gebunden, wir sind Recht und Ordnung verpflichtet, und die Aussage des Umweltamts ist klar. Die müssen wir umsetzen – und zwar unverzüglich, emotionale Betroffenheit hin oder her“, sagt Kiefer.

Zweifel an Schallmessung des Glockeninspektors

Die CDU-Fraktion zweifelt auch an der Messung von Glockeninspektor Wittekind: Diese sei nicht mit einem geeichten Gerät erfolgt, die Rede sei von „gut 75 Dezibel“, was eine ungenaue Angabe sei. Ferner fehle in Wittekinds Prüfbericht, der nach der Sanierung des Kirchturms erstellt wurde und in dem die Lautstärkemessung nur ein Punkt von vielen ist, ein Messprotokoll.

Dies soll es nun aber bald geben: „Wir werden auch hier sauber arbeiten“, verspricht Kiefer. Denn trotz aller hitzigen Diskussion habe die Sitzung am Dienstag einen konstruktiven Vorschlag hervorgebracht: Zwar werden die Glocken zunächst abgeschaltet, man habe aber bereits ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben, um die nächtliche Lautstärke des Glockenschlags zu ermitteln. Die Messungen sollen zeitnah erfolgen. „Dann haben wir Gewissheit und sind dank doppelter Messung auf der sicheren Seite“, hofft Kiefer.

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