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Landwirtschaft

Reutlingen: Warum es drei junge Menschen in die Landwirtschaft zieht

Die Stadt haben sie bereits von ihrem Konzept überzeugt. Trotz der Bauernproteste wollen drei junge Leute in die Branche einsteigen.

PRODUKTION – 20.03.2024, Baden-Württemberg, Reutlingen: Maik Freitag (l-r), Klara Decher und Malik Breithaupt schauen auf dem Hofgut Alteburg in die Kamera. Die jungen Leute wollen das Hofgut von der Stadt Reutlingen pachten. (zu dpa: „Warum es drei junge Menschen in die Landwirtschaft zieht“) Foto: Silas Stein/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Maik Freitag (l-r), Klara Decher und Malik Breithaupt schauen auf dem Hofgut Alteburg in die Kamera. Die jungen Leute wollen das Hofgut von der Stadt Reutlingen pachten. Foto: Silas Stein/dpa

Warum zieht es drei junge Menschen in die Landwirtschaft? Wo doch die Bauern seit Monaten auf die Straße gehen? Das Trio lässt sich davon nicht beirren.

Man möchte meinen, dass die Klagen der Bauern nicht gerade eine gute Werbung dafür sind, in die Landwirtschaft zu gehen. Doch Malik Breithaupt (27), Maik Freitag (27) und Klara Decher (26) sind überzeugter denn je, dass dieser Weg für sie genau der Richtige ist. Sie wollen mit dem Hofgut Alteburg, das sie ab dem kommenden Jahr bewirtschaften, zurück zu den Anfängen. Ihre Tiere sollen sich ganzjährig draußen aufhalten können, der Landwirt soll wieder einen Bezug zu seiner Kundschaft bekommen. 

„Die politischen Rahmenbedingungen haben viele Bauern über die Jahre in die Spezialisierung gedrängt. Davor waren viele Betriebe vielseitig, Landwirte hatten unterschiedliche Betriebszweige. So wurde etwa ein schlechtes Milchjahr durch ein besseres Schweinejahr ausgeglichen“, sagt Freitag, der mit seinen beiden Nürtinger Studienkollegen das Hofgut Alteburg pachten wird, um Rinder, Schweine, Legehennen und Masthähnchen zu halten, auf den weitläufigen Äckern unter anderem Getreide und Gemüse anbauen. Sie setzen auf nachhaltige Landwirtschaft und Diversität. Auch soll eine Streuobstwiese her. 

Pachtvertrag über 30 Jahre wird im Sommer unterschrieben

Die drei sind Agrarwissenschaftler und haben die Stadt Reutlingen im Ausschreibungsverfahren von ihrem Konzept überzeugt. Unterschrieben wird der Pachtvertrag über 30 Jahre im Sommer, ab Januar 2025 heißt es klotzen – 100 Hektar wollen bewirtschaftet werden. Laut Businessplan werden über die Jahre verteilt 2,5 Millionen Euro benötigt. Die vorläufigen Zusagen von drei Banken über eine Finanzierung liegen laut Breithaupt vor. Eine Komplettsanierung des Hofs hätte vier Millionen Euro gekostet. Zu viel, fand das Trio. Also entschieden sich die Freunde gegen eine Sanierung des Kuhstalls. Anstelle des alten Stalls wollen sie einen Hofladen etablieren.

Reutlingens Finanz- und Wirtschaftsbürgermeister Roland Wintzen sagt, bei der Neuverpachtung habe das Thema Geld nicht im Vordergrund gestanden. „Die Hofstelle ist seit 1437 im Besitz der Stadt. Uns ging es darum, das Hofgut nicht nur wieder zu verpachten an beispielsweise jemanden, der uns irgendwie am meisten Pacht bietet, sondern dieses besondere Stückchen Erde im Besitz einer Großstadt so zu verpachten, dass es wirklich nachhaltig bespielt wird; dass es einen Beitrag zur Klimaneutralität hat, es als Naherholungsgebiet erhalten bleibt, dass qualitative Kriterien im Vordergrund stehen, dass wir hier Produkte und landwirtschaftliche Produktion für die Reutlinger Stadtbevölkerung dauerhaft etablieren können.“

Der Hof besteht aus einem in die Jahre gekommenem Wohnhaus, in das die drei Junglandwirte gleich zu Jahresanfang einziehen wollen. Gründlich saniert werden muss auch hier. Ansonsten gibt es auf dem Gelände noch ein Gebäude, in dem jetzt noch eine Biogasanlage brummt.

Nur das auf dem Gelände gelegene Restaurant wurde aus dem Pachtverfahren herausgehalten. „Bestandteil der Ausschreibung war, dass wir die Pacht die ersten drei Jahre reduzieren werden. Das ist sozusagen unser Beitrag für die Anlaufphase. Aufseiten der Pächter ist natürlich ein gewisses Risiko verbunden, dass sie den Betrieb tatsächlich so entwickeln und so hochfahren können, wie das im jeweiligen Konzept vorgesehen ist“, sagt Wintzen.

An das Risiko möchten die drei Freunde nicht allzu sehr denken. Schlaflose Nächte bereitet ihnen ihr junges Unternehmen nicht. „Unser landwirtschaftliches Konzept steht. Wie unsere Tierhaltung, unser Gemüse, unser Ackerbau funktionieren soll, wissen wir. Wir beschäftigen uns eigentlich jetzt nur noch mit rechtlichen Vorgaben“, erzählt Freitag. Woher sie die Maschinen für den Hof nehmen werden, wissen sie auch schon. Ein Teil wird von einem Bekannten geliehen, der andere Teil wird gebraucht gekauft. „Ein neuer 120 PS starker Traktor kostet rund 120.000 Euro. Eine gebrauchte Maschine mit 85 PS bekommen wir für 10.000 Euro“, sagt Breithaupt. Am Anfang muss das reichen. Kalkuliert wurde mit einem Ertrag, das am Schluss zwei Familien davon leben können. Freitag und Decher sind ein Paar. Als einzige aus der Truppe wird Decher nicht andauernd am Hof arbeiten, sie behält ihren Job in einer Biozertifizierungsstelle. 

Hauk: Landwirtschaft sollte an Schulen eine größere Rolle spielen

Wie auch Agrarminister Peter Hauk (CDU) fordert Freitag, das Fach Landwirtschaft und Ernährung an den Schulen zu lehren. „Das finde ich deutlich wichtiger als irgendwelche Gedichtanalysen oder sonst irgendwas.“ Laut Hauk sollte die Landwirtschaft an Schulen eine größere Rolle spielen. „Das Ziel sollte sein, dass jeder Schüler im Laufe seines Schullebens mal einen Bauernhof von innen gesehen hat“, hatte der CDU-Politiker gefordert. 

Selbstbewusst sind die drei jungen Leute allemal. „Ich würde sagen, wir haben ziemlich viel von der Welt gesehen, weil wir uns die Landwirtschaft in verschiedensten Bereichen, in verschiedensten Ländern angeschaut haben. Wir sind überzeugt, dass mit unserem Know-how Landwirtschaft anders machen können, als sie durchschnittlich aktuell betrieben wird und wir auch einen guten Standort haben. Wir können Kohlenstoff speichern, vielleicht klimaneutral werden, können tierwohlgerecht arbeiten, hohe Qualität produzieren und wir können auch die Kosten deutlich reduzieren im Vergleich zu dem, was aktuell üblich ist“, sagt Breithaupt.  Dadurch seien sie überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein und trotz augenscheinlich schlechter Zeiten für Landwirtschaft in Zukunft wirtschaftlich und nachhaltig arbeiten zu können. 

 

 

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