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Fragen & Antworten

Zu Hause abtreiben? Baden-Württemberg und weitere Länder wollen Regeln für Online-Beratung prüfen

Immer mehr Menschen nehmen Telemedizin in Anspruch. Auch Frauen, die ihre Schwangerschaft selbst per Medikament abbrechen wollen. Die rechtlichen Vorgaben erschweren das aber in der Praxis.

Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland ist gesunken - womöglich auch dank besserer Aufklärung.
Die grün-schwarze Regierung strebt eine Liberalisierung der Regeln um Schwangerschaftsabbrüche an. (Symbolbild) Foto: Jens Büttner/zb/dpa

Schwangere Frauen können nach einem Vorstoß der grün-schwarzen Landesregierung womöglich künftig bundesweit nach einer ärztlichen Online-Beratung leichter selbst mit Medikamenten abtreiben.

Die Länder wollen nun mit dem Bund die rechtlichen Regeln dafür überprüfen. Das haben die Minister für Gleichstellung und Frauen am Donnerstagabend bei ihrer Konferenz in Hamburg beschlossen, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr. Der Antrag für die Initiative ging von Baden-Württemberg aus.

Schwangerschaftsabbrüche mit ärztlicher Beratung aus der Ferne sind in Deutschland zwar schon möglich, einige Ärzte bieten dies an. Doch bisherige Regeln erschweren die Angebote in der Praxis – auch in Baden-Württemberg. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wie funktionieren Abtreibungen nach Online-Beratung?

Frauen können sich online von Ärzten aus der Ferne zum Schwangerschaftsabbruch beraten lassen. Wenn eine Abtreibung mit Medikamenten möglich ist und erforderliche Dokumente wie ein Überweisungsschein der Frauenärztin an die Ärzte geschickt wurden, erhalten die Frauen die Medikamente zur Abtreibung per Post.

Zwei Medikamente, Mifegyne und Cytotec, müssen Schwangere nach Angaben des Beratungsstellen-Verbunds Pro Familia für den Abbruch der Schwangerschaft dann selbst einnehmen.

Beim ersten Medikament werden die Frauen per Video-Anruf ärztlich begleitet, die zweite Arznei soll „im Beisein einer vertrauten Person“ eingenommen werden. Einige Tage später findet ein Nachsorge-Gespräch statt – wieder aus der Ferne per Videoanruf eines Arztes oder einer Ärztin.

Wo sind Abtreibungen auf diese Weise möglich?

Der wohl bekannteste Anbieter in Deutschland ist das Familienplanungszentrum Balance in Berlin. Unterstützt vom Verein Doctors for Choice hat die Einrichtung während der Corona-Pandemie das Pilotprojekt „Schwangerschaftsabbruch Zuhause“ ins Leben gerufen.

Der Zugang zu Abtreibungen habe sich in vielen Regionen während der Pandemie verschlechtert, begründete Doctors for Choice die Initiative. In Großbritannien seien Abtreibungen nach telemedizinischer Beratung schon seit April 2020 angeboten worden. Dort habe sich gezeigt, dass die Methode sicher sei.

In Baden-Württemberg gaben nach Angaben des Sozialministeriums viele Ärzte bei einer Umfrage 2021 an, dass sie diese Methode nicht anbieten. Die rechtlichen Anforderungen dafür könnten sie in ihren Praxen nicht erfüllen.

Nach Angaben des Statistischen Landesamts wurde die Mehrheit der Abtreibungen (rund 51 Prozent) in Baen-Württemberg im Jahr 2021 nicht medikamentös, sondern durch die sogenannte Absaugmethode vorgenommen. Dabei werden Fruchtblase und Schleimhaut durch den Muttermund aus der Gebärmutter abgesaugt. 85 Prozent der Eingriffe erfolgten demnach in Praxen von Frauenärzten, 11 Prozent ambulant in Krankenhäusern.

Sind Abtreibungen nach Online-Beratungen verboten?

Nein. Nach Angaben des baden-württembergischen Sozialministeriums darf Telemedizin grundsätzlich bei jeder Behandlung eingesetzt werden, wenn dies ärztlich vertretbar ist – also auch bei Schwangerschaftsabbrüchen.

Wo liegt dann das Problem?

Einige rechtliche Regeln zum Thema Abtreibung stammen aus der Zeit, bevor es die Möglichkeit gab, mit Hilfe von Medikamenten abzutreiben. Das führt bei einer Methode wie bei „Schwangerschaftsabbruch Zuhause“ zu einigen Problemen.

Die Hersteller von Medikamenten dürfen diese zum Beispiel nur an Einrichtungen schicken, in denen Frauen nach einem Schwangerschaftsabbruch nachbehandelt werden. Dem Sozialministerium zufolge ist aber unklar, was bei einer Abtreibung mit Medikamenten zur vorgeschriebenen Nachbehandlung gehören muss.

Dazu kommt, dass Ärzte Medikamente für Abtreibungen eigentlich „gegen unbefugte Entnahme“ sichern müssen. Ob diese rechtliche Voraussetzung beim Versand per Post an die Schwangeren selbst erfüllt ist, ist nach Angaben des Sozialministeriums ebenfalls nicht geklärt.

Die Unsicherheit über solche Vorschriften führe in Baden-Württemberg dazu, dass viele Ärzte Schwangerschaftsabbrüche nicht in dieser Form anbieten.

Was will die grün-schwarze Landesregierung?

Zunächst will das Land, dass Experten, Bund und Länder „ergebnisoffen“ über das Thema diskutieren und die rechtlichen Regeln überprüfen. So hat es auch die Konferenz der Gleichstellungsminister beschlossen. Dann sollen die Vorschriften nach dem Willen des Sozialministeriums „zeitgemäß ergänzt und konkretisiert werden“.

Tendenziell geht es der Landesregierung dabei um eine Liberalisierung der Regeln. „Wir streben eine Versorgungslage an, in der Frauen wohnortnah versorgt werden und sich auch für bestimmte Methoden entscheiden können“, sagte ein Ministeriumssprecher.

Zwar entschieden letztlich Ärzte darüber, inwieweit und wie sie Abtreibungen vornehmen. Bei Abtreibungen mit Telemedizin solle es aber „keine unnötigen Hürden“ geben. Die zuständige Staatssekretärin Ute Leidig (Grüne) sagte: „Wir dürfen die Frauen nicht alleine lassen.“

Was sagen die Ärzte im Land dazu?

Zwar hat die Landesärztekammer kurz nach Beginn der Corona-Pandemie ihre Berufsordnung geändert, um Behandlungen aus der Ferne zu ermöglichen. Doch beim Thema Abtreibungen nach ärztlicher Online-Beratung äußert sich die Ärztekammer eher zurückhaltend.

Unter anderem sei zu klären, wie sich das Alter der Schwangerschaft ohne Untersuchung sicher bestimmen lässt, wie Ärzte die Medikamente online verschreiben können und wie Frauen versorgt werden können, die nach Einnahme der Medikamente unter starken Blutungen leiden.

„Gerade beim sensiblen Thema Schwangerschaftsabbruch sollte ein persönliches Gespräch mit der Möglichkeit der Untersuchung den Goldstandard darstellen“, betonte ein Sprecher der Landesärztekammer am Freitag.

Mehrere Träger von Beratungsstellen für Schwangere im Land, unter anderem Pro Familia, die Diakonie Württemberg und die Arbeiterwohlfahrt, waren am Freitag zunächst nicht für Stellungnahmen erreichbar.

Der Caritasverband der Erzdiözese Freiburg wollte sich zu dem Thema nicht äußern. „In unserer Beratungstätigkeit ist ein Schwangerschaftsabbruch generell keine Option“, sagte ein Sprecher des katholischen Wohlfahrtsverbands am Freitag.

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