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Musikstar aus Baden

Spiel mit Klischees und Stereotypen: „Gringo“ macht Mundart-Karriere dank Mundpropaganda

Der gebürtige Ludwigshafener mit Wohnsitz Mannheim stellt unter Beweis, wie schön der kurpfälzische Dialekt klingen kann. Kein Wunder, dass seine Auftritte für Furore sorgen.

Bei Tim „Gringo“ Mayer stimmt die Chemie mit dem Publikum immer. Auch wenn nicht jeder den kurpfälzischen Dialekt seiner Songs versteht.
„Des is brudal“: Bei Tim „Gringo“ Mayer stimmt die Chemie mit dem Publikum immer. Auch wenn nicht jeder den kurpfälzischen Dialekt seiner Songs versteht. Foto: Wolf H. Goldschmitt

„Nimmi normal“ hat er sein erstes Album getauft. Zufall oder Vorahnung? Seit der Veröffentlichung jedenfalls verläuft das Leben von Tim G. Mayer alias Gringo tatsächlich nicht mehr normal. Längst hat er seinen Spitznamen analog zum unvergessenen „Mannheimer Bloomaul“ weg: „Der neue Joy Fleming“. Und die Konzertsäle, in denen er seinen musikalischen Fußabdruck hinterlässt, werden größer.

Wenn der 34-Jährige spitzbübisch erzählt, sein Künstlername sei eigentlich Mayer, dann wird klar: Diesem Burschen sitzt der Schalk im Nacken. Auf seinem Debütalbum beweist der gebürtige Ludwigshafener mit Wohnsitz Mannheim, wie schön der kurpfälzische Dialekt klingen kann. Kein Wunder, dass seine Auftritte inzwischen vor ausverkauften Häusern für Furore sorgen. Selbst Jan Böhmermann und Olli Schulz sind überzeugt: Der Typ mit dem schrägen Outfit und dem lockeren Mundwerk kann es noch weit bringen.

„Gringos“ Spiel mit Klischees und Stereotypen

In einer Hütte im Schwarzwald entdeckt der Mediengestalter – nach vergeblichen Anläufen im bürgerlichen Berufsleben – seine eigentliche Bestimmung: Mundartmusik mit witzigen bis nachdenklichen Texten. Beim Titel „Ruf do driwwe“ tobt er sich als rhetorischer Hooligan aus und hält dem Kurpfälzer den Spiegel vor.

Mayer spielt wie der frühe Bülent Ceylan mit den Klischees und Stereotypen, die man den „Eingeborenen“ der Stadt zwischen Neckar und Rhein gerne nachsagt.

„Erst hatte ich nur eine Melodie im Kopf, aber dann sprudelte auf einmal die Muttersprache aus mir heraus. Und zack, in wenigen Minuten war der erste Text fertig“, erzählt er im Gespräch mit unserer Redaktion. „Mei Mutter hot mei Droge versteckt“, singt er im bitter-ironischen Refrain von „Viel zu arg“ und dehnt die Vokale bis ans Maximum.

Auf einmal sprudelte die Muttersprache aus mir heraus.
Gringo Mayer, Musiker

Bis zu jenem Selbstfindungserlebnis im Badischen liegt allerdings auch eine verschlungene musikalische Straße hinter ihm. Als Jugendlicher versucht er sich mit englischen Texten. Die Vorbilder des als Tim Gerhard Mayer geborenen Senkrechtstarters heißen The Strokes und Adam Green. Später prägt ihn der Österreicher Voodoo Jürgens. Mit dem Hüttensong „Viel zu arg“ landet er schließlich sprachlich wieder zu Hause.

Aus seinem Mittelinitial „G“ bastelt der Pfälzer den neuen Vornamen „Gringo“. Passend trägt er Cowboystiefel. Ein Anzug aus dem Familienfundus und Hemden aus dem Secondhand-Laden komplettieren den Look. Der steinige Weg nach oben kann beginnen.

Mit Böhmermann-Podcast zum Ruhm

Anfangs wird er manchmal ausgepfiffen, aber nach unzähligen klitzekleinen Gigs „in fast jeden Hinterhof“ steigt seine Popularität zunächst regional. Er arbeitet mit dem Hamburger Indie-Label „Grand Hotel van Cleef“ zusammen, dessen Geschäftsführer Rainer G.

Ott auch Ludwigshafener ist. Und spätestens als der Titel „Ajoo“ im Podcast „Fest und flauschig“ von Böhmermann und Schulz rauf und runter gespielt wird, wächst sein Bekanntheitsgrad über die Rhein-Neckar-Region hinaus.

Auftritte in Karlsruhe

Gringo Mayer gastiert am Mittwoch, 1. März und Freitag, 3. März, im Karlsruher Theater „Das Sandkorn“ bei der Veranstaltung „The Länd Lords – Gipfel der Mundart“. Beginn: jeweils 19.30 Uhr. www.das-sandkorn.de, www.gringomayer.de

„Fest und Flauschig“ hat als deutschsprachiger Podcat auf dem Musikstream „Spotify“ die dazu notwendige Reichweite. Konzertplakate braucht diese Generation von Musikern kaum noch. Mayers Dauerpräsenz mit Songs auf Youtube, wo er Clicks en masse verzeichnet, und die Mund-zu-Mundpropaganda sind Steigbügel auf dem Galopp zu ausverkauften Häusern wie unlängst im Mannheimer „Capitol“.

Beckenschwung wie bei Elvis

Auf der Bühne stolpert er bisweilen umher wie Joe Cocker in Glanztagen oder schwingt das Becken wie weiland der „King“. Und die Musik seiner „Kegelband“ weckt Erinnerungen an den jungen Elvis Costello. Der „Brummkreisel“ sorgt für ausgelassene, fastnachtsartige Stimmung. Kein Wunder, denn alle seine selbst geschriebenen Songs besitzen einen hohen Wiedererkennungswert. Das spontane Wechselspiel mit dem Chor der Besucher beweist: Die Chemie mit dem Publikum stimmt. Oder, wie der Künstler singt: „Des is brudal“.

Die Leute haben zwar fast nichts verstanden, aber trotzdem am Stand alle Alben gekauft.
Gringo Mayer, Musiker

Auch bei seiner „Kegelband“ passt alles zusammen. Die Formation mit den Freiburgern Jeremy Dhôme am Schlagzeug und Bassist Juri Schweizer sowie dem Ludwigshafener Julian Maier-Hauff an Trompete, Saxofon und Posaune gibt dem einzigartigen Rock-Blues-Mix den notwendigen Drive.

Bleibt die Gretchenfrage: Funktionieren die Texte auch außerhalb der Kurpfalz?„Ich habe das schon ausprobiert und zwar in Leipzig. Die Leute haben zwar fast nichts verstanden, aber trotzdem am Stand alle Alben gekauft“, freut sich der Gitarrist, der aus dem gleichen Vorort stammt wie ein anderer Star aus Mannheims Nachbarstadt: Apache 207.

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