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Meinung

von Marius Bücher

Kommentar

Ende der Winterspiele in Peking: Eine bizarre Olympia-Welt mit goldenen Lichtblicken

Der große Olympia-Zirkus reist aus Peking ab und lässt die Sportwelt einigermaßen ratlos zurück. Diese sah ein China, das sich als normales Gastgeberland inszenierte und viele seiner Widersprüche doch nicht kaschieren konnte.

20.02.2022, China, Peking: Caption: Olympia, Abschlussfeier der Olympischen Winterspiele 2022, im Vogelnest-Nationalstadion, Ein Feuerwerk ist über dem Stadion zu sehen. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Ein letztes Feuerwerk: Am Sonntag gingen die Winterspiele von Peking mit der Schlussfeier zu Ende. Foto: Michael Kappeler/dpa

Neu sind sie nicht, die Emotionen, die den letzten Sonntag im Zeichen der Ringe begleiten. Wenn die letzte Medaille vergeben, die letzte Pyro-Show verraucht und das letzte Loblied auf die vermutlich wieder einmal besten Spiele aller Zeiten verstummt ist, dann packt so manchen die Wehmut. Andere wiederum atmen auf, weil die vermeintlich schönste Nebensache der Welt endlich wieder das wird, was ihr Name verspricht: nebensächlich.

So ist es auch am Ende der großen China-Schau. Nur dass die Zahl derer, die erleichtert durchpusten, diesmal größer sein dürfte denn je.

Der Olympia-Zirkus zieht weiter und lässt die Sportwelt ratlos zurück. IOC-Boss Thomas Bach hat „wahrhaft außergewöhnliche Spiele“ gesehen und damit ausnahmsweise einmal recht. Und doch ist es den Machern gelungen, China als normales Gastgeberland zu inszenieren. Was nicht ins Bild passte, wurde ausgeblendet, weggelächelt, umgedeutet.

Sollbruchstellen erzeugen Risse in der heilen Olympia-Fassade

Die Verpackung – wer hätte es anders erwartet – sie stimmte. Corona prallte an der streng überwachten Olympia-Blase größtenteils ab, die architektonisch herausragenden Wettkampfstätten lieferten Kunstschnee-schwangere Hochglanz-Bilder am Fließband und das süße Panda-Maskottchen verzückte nicht nur die Einheimischen.

Und doch: Immer dort, wo die Sollbruchstellen in der Olympia-Maschinerie Risse in der heilen Fassade erzeugten, eröffnete sich dem aufmerksamen Beobachter eine andere Perspektive. Während der Ringe-Orden die Mär von politisch neutralen Spielen fortspann, bezeichnete eine resolute Sprecherin Berichte über Umerziehungslager als „Lügen“ und Taiwan als einen „Teil von China“.

Degradierte Russen schicken Wunderkind aufs Eis – und gleichzeitig in die Hölle

Während der Glaube an den sauberen Sport durch die Degradierung der Russen gestärkt werden sollte, schickte eben jenes „ROC“-Team ein Wunderkind aufs Eis, das an Doping-Vorwürfen und der Erwartungshaltung ihres eiskalten Umfeldes zerbrach.

Und während Bach und Co den vermeintlichen Sieg der Organisatoren über die Pandemie feierten, verließen Quarantäne-Opfer wie Eric Frenzel und Nolan Seegert im Wettkampf die Kräfte.

Deutsches Abschneiden in Peking verdient Respekt

Ein bizarres Olympia, das aber auch seine goldenen Momente hatte. Und egal, ob man zu den Medaillen-Zählern gehört oder nicht: Das deutsche Abschneiden in Fernost verdient Respekt. Zahlreiche Mitglieder aus dem Team D wuchsen über sich hinaus. Das Langläuferinnen-Duo Katharina Hennig und Victoria Carl etwa, die in einem famosen Rennen alle Favoriten überflügelten.

Die Skeletonis Hannah Neise und Christopher Grotheer, die großartige Werbung für ihre Randsportart betrieben. Oder auch Kombinierer Vinzenz Geiger, der eine Wahnsinns-Aufholjagd mit Platz eins krönte. Sein Kollege Manuel Faißt aus Baiersbronn wäre als Nachrücker beinahe ebenfalls auf den Olymp gelaufen und wurde am Ende noch mit Silber im Team belohnt.

Helden im Eiskanal verdecken Probleme in anderen Disziplinen

Der Makel der starken Ausbeute: Die meisten Fachverbände gingen leer aus und das Gros der 27 Medaillen auf das Konto der Helden im Eiskanal. Bis zur nächsten Ausgabe in vier Jahren gilt es, in so mancher Disziplin die Kluft zur Weltspitze zu verringern. Dann wird das Olympische Feuer in Mailand und Cortina d’Ampezzo brennen und der Funke hoffentlich auch wieder von den Rängen auf die Athleten überspringen.

Die Spiele und ihre Macher werden dann ein Problem weniger haben: Ein Gastgeber aus Italien oder – wie bei den kommenden Sommer-Ausgaben – aus Frankreich, den USA oder Australien, verträgt sich besser mit den olympischen Werten als einer aus China. Zumindest zu dieser Einsicht sollten die Herren der Ringe in den vergangenen Tagen gekommen sein.

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