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Drohende Energiekrise

Kommt das Tempolimit nun doch? CDU-Vize Spahn zeigt sich offen

Die Energiekrise spült Debatten an die Oberfläche, die eigentlich längst erledigt schienen. Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) schließt ein Tempolimit auf Autobahnen nicht aus.

An der Autobahn steht ein Verkehrsschild mit der Geschwindigkeitsangabe von 130 Stundenkilometern, die im folgenden Streckenabschnitt nicht überschritten werden soll. (zu dpa: «Mehrheit in Baden-Württemberg für Tempolimit auf Autobahnen») +++ dpa-Bildfunk +++
Angesichts der Energiekrise schließt Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) ein Tempolimit auf Autobahnen nicht aus. Foto: Jens Büttner picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Die Formulierung im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ist unmissverständlich. „Ein generelles Tempolimit wird es nicht geben“, steht da.

Die Debatte über eine Geschwindigkeitsbegrenzung könnte damit schnell wieder beendet sein – wenn die Energiekrise nicht wäre. Die Suche nach Alternativen zu fossilen Brennstoffen sorgt gerade für eine Diskussion, die an Hitzigkeit den Temperaturen draußen nicht nachsteht.

Der CDU-Politiker Jens Spahn hat sie mit einer Forderung auf die Spitze getrieben. Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende zeigte sich offen für ein Tempolimit, wenn im Gegenzug die Grünen einer Laufzeitverlängerung bei den drei noch ans Netz angeschlossenen Atomkraftwerken über das Jahresende hinaus zustimmen.

Kernkraft? Tempolimit? Es sind diese alten Reizwörter, die in den vergangenen Jahren immer wieder für politische Auseinandersetzungen sorgten.

Die Grünen im Bundestag beispielsweise forderten 2019 eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 Stundenkilometern. Die SPD hatte vor der Bundestagswahl dafür ebenfalls große Sympathien. Die Sozialdemokraten brachten neben der Verkehrssicherheit das Klima ins Spiel. Der Kraftstoffverbrauch könne sinken, ebenso der CO2-Ausstoß.

Gegen den damaligen Koalitionspartner CDU/CSU setzte die SPD das nicht durch. Wie die Grünen plädierte sie im anschließenden Wahlkampf für ein Maximaltempo von 130 Stundenkilometern. In den Koalitionsverhandlungen wurde das Tempolimit Verhandlungsmasse, die FDP war strikt dagegen und konnte sich behaupten.

Wenn Unantastbares wieder in Griffweite gerät

Zum Zeitpunkt der Verhandlungen hätte allerdings wohl kaum jemand darauf gewettet, dass für eine Übergangszeit mehr Kohlekraftwerke am Netz bleiben. Die Energiekrise und die Gasknappheit machen es offenbar möglich, dass vormals Unantastbares wieder in Griffweite gerät.

Bei der Laufzeitverlängerung verweist die Regierung auf die Einwände, die vom Wirtschafts- und vom Umweltministerium im März vorgebracht wurden.

Wenn man die Atommeiler länger am Netz haben wollte, dann müsste man diese Einwände entkräften, erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit noch vergangene Woche und zitierte Olaf Scholz mit den Worten: „Niemand wäre dagegen oder würde sich dem verschließen, wenn so etwas problemlos zu verlängern wäre.“ Bei Kernkraft-Fans nährt das die Hoffnung auf längere Laufzeiten.

Bundeskanzler und FDP lehnen Tempolimit ab

Beim Tempolimit wurde Scholz deutlicher. „Das hat diese Regierung nicht vereinbart, und deswegen kommt es auch nicht“, sagte der SPD-Politiker. Die FDP lehnt eine Geschwindigkeitsbegrenzung ebenfalls ab.

„Angesichts eines drohenden Gasmangels im Winter rate ich dringend dazu, die Diskussion jetzt nicht mit ideologischen Debatten zu überfrachten, die nichts zur Lösung des Problems beitragen können“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Klimaexperte Lukas Köhler unserer Redaktion und ergänzte: „Damit im Winter niemand frieren muss und gleichzeitig die Arbeitsplätze in der Industrie erhalten bleiben, müssen wir uns jetzt darum kümmern, dass den privaten Haushalten sowie der Industrie im Winter ausreichend Gas zur Verfügung steht. Ein Tempolimit könnte dagegen lediglich helfen, etwas Öl einzusparen.“ Beim Öl herrsche allerdings überhaupt kein Mangel, sagte Köhler.

Es ist Zeit für ein Tempolimit.
Andreas Stoch, SPD-Fraktionschef

Einen Handel „Atomkraft gegen Tempolimit“, wie ihn Spahn in der ARD vorgeschlagen hat, wird die Ampel allein aus Gründen der Gesichtswahrung voraussichtlich nicht eingehen.

Die Macht des Faktischen könnte die Regierung allerdings zum Umdenken zwingen. „Unser Ziel ist, dass wir eines der ersten Länder sein werden, das CO2-neutral ist und gleichzeitig global wettbewerbsfähig und erfolgreich als Wirtschaftsnation, als Industrieland“, bekräftige Scholz am Wochenende das Ziel, die CO2-Emmissionen trotz der Folgen des Ukraine-Krieges zu reduzieren.

Während der Corona-Pandemie ging der Schadstoffausstoß messbar auch deswegen zurück, weil als Folge des Homeoffice‘ weniger Menschen unterwegs waren. Neben anderen Maßnahmen könnte ein Tempolimit offenbar dabei helfen, dieses Versprechen zu halten.

Am Wochenende hatten sich bereits der CDU-Obmann im Klimaschutz-Ausschuss, Thomas Gebhart, sowie Partei-Vize und Konstanzer Bundestagsabgeordnete Andreas Jung offen für ein temporäres Tempolimit gezeigt.

Jung knüpft mit seinem Vorstoß an Pläne seines südbadischen Bezirksverbandes aus den 80er Jahren an. Als im Schwarzwald die Nadeln gelb und die Kronen immer lichter wurden, mochte sich selbst auch der damalige Landtagsfraktionschef Erwin Teufel der Forderung von Förstern, Naturschutzverbände, Grünen oder Schwäbischem Albvereins nicht mehr verschließen.

Als „letzte Notmaßnahme“ im Kampf gegen das Waldsterben seien 120 Stundenkilometern auf Autobahnen und 80 auf Landstraßen vorstellbar. Die CDU Südbaden und später der ganze Landesverband beschlossen sogar in ihrer „Grünen Charta“ Geschwindigkeitsbeschränkungen für Fahrzeuge ohne Abgasreinigung ab 1986, um den Verkaufs von Autos mit Katalyastor zu beschleunigen. Alle Pläne wurden schlussendlich wieder beerdigt.

36 Jahre später weiß Jung auch die baden-württembergische SPD an seiner Seite. „Es ist Zeit für ein Tempolimit“, sagt deren Chef Andreas Stoch, „weil der Einsparungseffekt erheblich ist und zusätzlich ein wichtiger Beitrag zur Sicherheit geleistet würde“. Das Gebot der Stunde laute, signifikant Energie einzusparen, „und dazu tragen Geschwindigkeitsbeschränkungen bei“.

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