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Umstrittener Auftritt

AfD: Alice Weidel lässt sich in Karlsruhe als „nächste Bundeskanzlerin“ feiern

Die Vorgänge rund um eine Veranstaltung mit der AfD-Chefin Alice Weidel in Karlsruhe zeigen: Anhänger und Gegner der AfD leben scheinbar in komplett unterschiedlichen Welten.

Alice Weidel spricht bei einer AfD-Veranstaltung in der Badnerlandhalle in Karlsruhe Neureut
Anhänger und Fraktionskollegen begrüßen Alice Weidel bei einer AfD-Veranstaltung in der Badnerlandhalle in Karlsruhe Neureut. Foto: Daniel Streib

Die AfD lädt zum „Bürgerdialog“ nach Karlsruhe-Neureut. Doch Fans von AfD-Chefin Alice Weidel bekommen an diesem Samstagnachmittag erst einmal die praktizierte Meinungsfreiheit von Andersdenkenden vorgeführt.

Der Protest ist bunt, kreativ und laut. Kannte man demonstrierende Trommlergruppen bislang eher von montäglichen Corona-Protesten, so fallen bei der vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) angemeldeten Kundgebung die vielfältigen Krachmacher auf.

AfD im Gegenwind: Demonstranten vor der Badnerlandhalle in Karlsruhe-Neureut.
AfD im Gegenwind: Demonstranten vor der Badnerlandhalle in Karlsruhe-Neureut. Foto: Daniel Streib
Protest unter Regenbogen in Karlsruhe-Neureut
Protest unter Regenbogen in Karlsruhe-Neureut Foto: Daniel Streib

Protest gegen AfD in Pink und mit Wikinger-Horn

Neben klassischen Schlaginstrumenten, etwa bei einer pinkfarben gekleideten Percussion-Combo, sind mehrere Gruppen mit Pfannen und Topfdeckeln ausgestattet.

Sogar ein Nudelsieb kommt zum Einsatz. Ferner ist zu hören: Ein Musiker, der auf einer Tuba den Partyhit „Cordula Grün“ spielt sowie ein junger Mann mit Zottelbart, der unablässig in eine Art Wikinger-Horn trötet.

Mit Topf und Nudelsieb: Lautstarker Protest gegen die AfD in Karlsruhe-Neureut.
Mit Topf und Nudelsieb: Lautstarker Protest gegen die AfD in Karlsruhe-Neureut. Foto: Daniel Streib

Die Kreativität der Protestler zeigt sich naturgemäß auch an den vielen individuellen Plakaten und Pappschildern. „Diskriminierung und Hetze sind keine Alternative“, heißt es etwa. Und auf einem Pappregenbogen steht: „Wir mögen es bunt“.

Auf der anderen Seite der von der Karlsruher Polizei errichteten doppelten Absperrung hält ein älterer Herr ebenfalls ein selbst gestaltetes Pappschild hoch, allerdings ohne Farben. „Linke, nehmt eine Giftspritze“, ist darauf zu lesen.

Der ältere Herr gehört zu den rund 700 Besuchern der AfD-Veranstaltung, die erst am Protest und dann durch die Sicherheitskontrolle am Halleneingang vorbeimüssen. Ist das erst geschafft, erwartet die Besucher eine ganz andere Welt.

Dicke Vorhänge halten nicht nur die Sonne draußen, sondern dimmen auch die Demonstranten zu einem leisen Hintergrundrauschen.

Aus polizeilicher Sicht läuft die Veranstaltung und der Gegenprotest „eigentlich ohne größere Probleme“, so ein Sprecher des Polizeipräsidiums Karlsruhe. Die Zahl der Gegendemonstranten gibt die Behörde mit „in der Spitze bis zu 1.000“ an. Das ist demnach weniger als beim Weidel-Auftritt im Februar in Bretten mit 1.500 Demonstranten.

In der Badnerlandhalle ist die AfD ganz bei sich

In der Badnerlandhalle ist die AfD ganz bei sich. Doch eine fehlt: AfD-Chefin Alice Weidel, auf die alle warten, hat sich verspätet. Deshalb gibt es erst einmal Reden von Marc Bernhard, dem Karlsruher AfD-Lokalmatador, und weiteren baden-württembergischen Bundestagsabgeordneten.

Die Redner setzten, je nach Fachgebiet, unterschiedliche Schwerpunkte. Am meisten Applaus gibt es bei den Themen Migration, Medien und Kriminalität.

Demonstranten vor der Badnerlandhalle in Karlsruhe-Neureut
Demonstranten vor der Badnerlandhalle in Karlsruhe-Neureut Foto: Daniel Streib
Unverblümte Ansagen: Gegen die AfD gerichtete Plakate vor der Badnerlandhalle in Karlsruhe-Neureut
Unverblümte Ansagen: Gegen die AfD gerichtete Plakate vor der Badnerlandhalle in Karlsruhe-Neureut. Foto: Daniel Streib

Sie kommen aber alle auf denselben Schluss: Die Ampelregierung kann es nicht und ist eine Gefahr für das Land. Und da die CDU im Grunde nicht besser sei, müsse nun alles auf die AfD zulaufen. Als ein Hindernis werden mehrfach „die Medien“ benannt, die nicht das schreiben und senden, was aus AfD-Sicht richtig wäre.

Warum spielt die Europawahl kaum eine Rolle?

Auch der Bundestagsabgeordnete und kulturpolitische Sprecher Marc Jongen spricht. Der Karlsruher erzählt ausführlich, wie es war, als er in Berlin beim Filmfestival Berlinale ausgeladen wurde.

Was bei der AfD an diesem Abend so gut wie keine Rolle spielt, ist die bevorstehende Europawahl Anfang Juni. Dabei ist Marc Jongen mit Listenplatz Nummer sechs der baden-württembergische Spitzenkandidat der AfD für das Europäische Parlament.

Die Zurückhaltung beim Thema Europa könnte der für die Partei etwas unübersichtlichen Lage geschuldet sein. Wie mehrere europäische Medien unter Berufung auf Erkenntnisse des tschechischen Geheimdienstes berichten, soll der deutsche AfD-Politiker Petr Bytron viel Geld vom Kreml erhalten haben. Bystron steht auf Platz zwei der EU-Wahlliste der AfD.

Andererseits: Nähe zum Kreml und Verständnis für den Autokraten und Kriegsherrn Wladimir Putin sehen viele im Saal eher positiv, wie der Abend noch zeigen wird.

Alice Weidel und der Pisa-Schock

Mehr als eineinhalb Stunden nach Veranstaltungsbeginn betritt Alice Weidel die Halle. Die Verspätung nimmt ihr niemand krumm, die AfD-Chefin wird wie ein großer Star empfangen. Sie hat noch kein Wort gesagt, aber alle Zuschauer stehen auf und applaudieren feste. Die allermeisten Demonstranten sind zu diesem Zeitpunkt schon gegangen.

Es spricht die nächste Bundeskanzlerin.
Marc Bernhard
AfD-Abgeordneter über Alice Weidel

Noch lauter wird der Applaus, als Moderator Marc Bernhard behauptet: „Es spricht die nächste Bundeskanzlerin.“ Als Weidel endlich ihre Rede hält, hängt der Saal an ihren Lippen.

Viele Lacher gibt es, als sie über die Schmierereien an der Badnerlandhalle berichtet, über die sie auf der Anreise bei bnn.de gelesen hat. Weidel vermutet „die Antifa“ dahinter und macht sich über den durchaus etwas ungelenken Schriftzug „Nazi“ lustig: Der Pisa-Schock zeige sich mittlerweile auch an der Rechtschreibschwäche von Linksextremen.

Schweigen zu Zahlungen aus dem Kreml

Doch wie es einer Möchtegern-Kanzlerin in diesen Zeiten gut ansteht, wird Weidel bald leise und vermittelt Nachdenklichkeit. Als sie über den Ukrainekrieg spricht, herrscht nachgerade Ergriffenheit.

Alice Weidel spricht bei einer AfD-Veranstaltung in der Badnerlandhalle in Karlsruhe Neureut
Alice Weidel spricht bei einer AfD-Veranstaltung in der Badnerlandhalle in Karlsruhe Neureut Foto: Daniel Streib

Weidel schimpft über „Kriegstreiber“ und meint damit nicht den russischen Angriffskrieger Wladimir Putin. „Man kann nicht den einen dämonisieren und den anderen hochleben lassen“, sagt sie und ihre Anhänger klatschen.

Zu den mutmaßlichen Zahlungen aus dem Kreml schweigt die AfD-Chefin.

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