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Angebot für Bedürftige

Der eigene Erfolg bringt die Kleiderkammer in Karlsruhe in Gefahr

Schlange stehen für eine warme Jacke zum Nulltarif: Hunderte Kunden kommen jede Woche zur Kleiderkammer der Lernfreunde. Nun droht das Aus.

Kleiderkammer / Lernfreunde, Foto: v.l.n.r.: Yasmin, Claudia, Christine                                   -
Angebot für Bedürftige: Jasmin Sahin (von links) hat im Keller ihres Lernfreundehauses eine Kleiderkammer eingerichtet, die Helferinnen Claudia und Christine sortieren gerade neue Spenden ein. Foto: Jörg Donecker

Weder Wind noch Regen schrecken die Kunden ab: Noch bevor im Lernfreundehaus morgens um 9 Uhr die Kleiderkammer öffnet, stehen oft schon Menschen vor der Tür im Freien Schlange. „Die Nachfrage ist enorm, vor allem seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine“, sagt Jasmin Sahin. Sie hat mit ihrem Kinderhilfswerk Uneson im Jahr 2016 eine Art Schule für Flüchtlingskinder eröffnet.

Tag für Tag lernen und spielen die Jungen und Mädchen gemeinsam, auch Frühstück und Mittagessen gehören zum Programm. Die Kleiderkammer im Keller der einstigen KIT-Immobilie war von Anfang an eine Ergänzung – die nun aufgrund ihres Erfolgs auf der Kippe steht. „Wir kollabieren unter der Nachfrage. Die Ehrenamtler quälen sich von Woche zu Woche“, fasst es Sahin zusammen.

Karlsruher Kleiderkammer: Angebot ist offen für alle Bedürftigen

An den drei Tagen, die das Angebot pro Woche offen ist, kämen schon mal knapp 400 Kunden, mitgebrachte Kinder nicht eingerechnet. Egal ob Rentner, Alleinerziehende, Flüchtlinge aus der Ukraine oder Asylsuchende aus dem Balkan: Jeder Bedürftige kann sich kostenlos bedienen, es gibt etwas für alle Altersklassen, was die Kleiderkammer beispielsweise von den Einrichtungen des Kinderschutzbundes oder dem Sozialkaufhaus Kashka unterscheidet.

Über 40 Ehrenamtliche halten die Kleiderkammer am Laufen. Gerade sortieren Anna und ihre Mutter neue Spenden. Beide sind aus Charkiw geflüchtet, mit einer weiteren Frau aus der Ukraine arbeiten sie in ihrer Freizeit bei den Lernfreunden mit. Das Kreis der Unterstützer ist groß: Insgesamt bringen sich über 100 Menschen in ihrer Freizeit für das Haus ein. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gründeten sich eine eigene Hochschulgruppe für die Lernfreunde.

So wie die Spenden kamen, so gingen sie raus.
Jasmin Sahin, Kleiderkammer Karlsruhe

Anna sagt: „Wir kommen gerne auch nächste Woche jeden Tag zum Helfen.“ Zuletzt waren die Ständer und Regale immer wieder leergefegt. „So wie die Spenden kamen, so gingen sie raus“, erzählt Sahin. Jetzt ist wieder etwas Auswahl da. Zuletzt sammelte der KSC Kleiderspenden. Die nächste Aktion steht am Samstag an. Also werden Anna und die anderen absehbar wieder einiges auspacken können.

Eieruhr setzt Zeitlimit für jeden Kunden

Warme Kleidung sei jetzt besonders gefragt, sagt Sahin. Seit März hilft Erika Thier einmal pro Woche in der Kleiderkammer. „Ein junger Syrer stand vor ein paar Tagen in Badelatschen und im T-Shirt hier“, erzählt sie. Der Junge sei so schmal gewesen, dass am Ende eine Hose aus der Frauenabteilung passte. Am Eingang hängen Eieruhren: 20 Minuten hat jeder Kunde Zeit, sich Kleidung auszusuchen. Schon piepst es, Erika Thier schaut nach, wessen Zeit um ist. Eine junge Frau trägt Gummistiefel für ihren kleinen Sohn davon.

Beim letzten Treffen der Ehrenamtler ging es um die Zukunft der Kleiderkammer: Ende des Jahres oder im Lauf des Januar könnte Schluss sein, weil es zu viel wird, sagt Sahin. Bekäme sie Unterstützung, würde es weitergehen: „Wir brauchen ergänzend zum Ehrenamt eine halbe Stelle, damit jemand alles koordiniert und immer da ist“, sagt die Lernfreunde-Gründerin.

Sie finanziert ihr Haus seit Beginn an auf Spendenbasis. Seit Oktober bezahlt sie so auch für sechs Monate eine Psychologin, die mit den traumatisierten Flüchtlingskindern aus der Ukraine arbeitet. Für drei Monate angestellt habe sie den Pädagogen Valentin Erlenbach. Er konzentriert sich auf das Bildungsprogramm.

Aktuell kommen täglich 20 bis 30 Kinder, die noch keinen klassischen Schulplatz haben. Der Anspruch darauf besteht erst nach sechs Monaten. „Manchmal klappt es früher. Dann sind Kinder wieder weg von uns. Wir haben immer einen Wechsel“, sagt Erlenbach.

Morgens betreuen er und viele Ehrenamtler Jungen und Mädchen aus der Ukraine, mittags kommen Kinder aus der Landeserstaufnahme hinzu. „Wir wollen ein Umfeld schaffen, in dem sich die Kinder wohlfühlen“, erklärt der Pädagoge. Es wird gespielt und gemalt, aber auch gerechnet und Deutsch geübt.

Kleiderkammer in Karlsruhe droht das Aus

Für Jasmin Sahin ist klar: „Dieses Angebot für Kinder hat für mich Priorität.“ Bekomme sie absehbar nicht die halbe Stelle für die Kleiderkammer, werde sie diese dichtmachen. „Das wäre natürlich sehr schade“, räumt die Uneson-Gründerin ein. Gerade erst brachten Mitarbeiter der Deutschen Flugsicherung die Räume im Untergeschoss im Rahmen eines Sozialtags auf Vordermann.

Sahin hofft auf Unterstützung durch die Stadt, auch weitere Spenden wären eine Option. „Wir leben tatsächlich von der Hand in den Mund“, gibt sie zu. Sie selbst beziehe kein Gehalt. „Ohne meinen Mann könnte ich das alles nicht leisten“, sagt die Frau des Sängers Freddy Sahin-Scholl, der bei der Castingshow „Supertalent“ einst einem großen Publikum bekannt wurde.

Öffnungszeiten und Spendensammlung

Die Kleiderkammer befindet sich im Keller des Lernfreundehauses in der Rintheimer Querallee 2. Sie ist dienstags bis donnerstags von 9 bis 15 Uhr geöffnet. Spenden werden dort montags bis freitags von 15 bis 17 Uhr entgegengenommen.

Im KSC-Fanshop im Wildpark können am Samstag, 29. Oktober, von 10 bis 14 Uhr sowie am Freitag, 4. November, von 12 bis 18 Uhr Spenden für die Lernfreunde abgegeben werden. Als Dankeschön gibt der Verein eigenen Angaben zufolge kostenfreie Tickets für das Heimspiel gegen den FC St. Pauli am 12. November aus.

Die Lernfreunde suchen zudem deutschsprachige ehrenamtliche Helfer. Der Kontakt kann hergestellt werden per E-Mail an info@uneson.org.

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