Skip to main content

Perspektive des Underdogs

Gringo Mayer liefert Ohrwürmer in Mundart im Tollhaus Karlsruhe

Der Kurpfälzer Gringo Mayer präsentiert mit „Ihr liewe Leit“ seine zweite Mundart-CD. Der 35-jährige Mannheimer sucht nach den Schwachstellen im Gesellschaftssystem.

„Ihr liewe Leit“ lautet der Name der neuen Platte von Gringo Mayer.
„Ihr liewe Leit“ lautet der Name der neuen Platte von Gringo Mayer. Foto: Fabian Hensel

„Alläää“ heißt die erste Nummer auf dem neuen Album „Ihr liewe Leit“. Und die Melodie geht einfach nicht aus dem Kopf. Wenn einer dafür bekannt ist, Nach-Sing-Reime zu drechseln, die sich wie Viren festsetzen, dann der Kurpfälzer Gringo Mayer. „Entschuldigen Sie bidde/Lossense mich mo durch“, erzählt der Typ mit dem biederen Anzug und den Cowboystiefeln.

Und man merkt noch bevor die grandiose Kegelband einsetzt: versteht man ja überraschend gut, diese Mundart. Im Lied geht es darum wie schmal der Grat zwischen freiwilliger Zurückgezogenheit und wirklicher Einsamkeit letztlich sein kann.

Die Richtigen haben sich gefunden

Mit blitzgescheiter Beobachtungsgabe sucht der Mannheimer mit Ludwigshafener Wurzeln nach Schwachstellen im Gesellschaftssystem und findet sie reichlich. Bei den kleinen und großen Geschichten direkt aus dem Leben lässt der Künstler den Säbel stecken, mit dem Florett ins Schwarze zu treffen schmerzt genauso.

Die Kegelband spielt dazu einen mitreißenden Indie-Pop mit gutem Riecher, die auch geeignet ist, Gräben zu überbrücken. In der Combo haben sich zweifelsohne die Richtigen gefunden.

Sie haben den guten Drummer Jeremy Dhôme aus Freiburg, den badischen Bassisten Juri Schweizer und den Pfälzer Julian Maier-Hauff an Trompete, Saxofon und Posaune für ihren gewitzten Rock-Blues-Mix.

Kluft zwischen arm und reich

Wie bereits auf dem ersten Album „Nimmi normal“ versteht man den Protagonisten instinktiv, auch wenn der Hörer der „Eingeborennesprache“ nicht ganz so mächtig ist.

„Des is brudal“ handelt von der Kluft zwischen arm und reich, der ungerechten Vermögensverteilung und „Oh Jesses“ ist eine wilde Quatschgeschichte im feurigen Salsa-Rhythmus. Gringo Mayer guckt bei seinen Liedern von unten auf die Welt. Den Sänger, der eher zufällig zur Mundartmusik gestolpert ist, interessiert die Perspektive des Underdogs. „Heit simma die Champions/Weil du immer on dich glabsch, hält dich nix im Zaum“, singt er in „Subba Longa“.

Und weiter: „Du bischt schänner wie die Onnere/Awwa genauso bleed wie ich“, klagt er. Und bei „Jeddi Nacht stech’ ich äner ab“ kämpft er sarkastisch-verbissen gegen Vorurteile, die Leuten entgegenschlagen, die anders aussehen als die Mehrheit. Er kennt sich zweifellos aus.

Auftritt im Karlsruher Tollhaus

Elf neue Titel haben er und seine Jungs auf dem kleinen Label „Olwer Records“ rechtzeitig für die neue Tour eingespielt. Sie führt die Truppe auch nach Karlsruhe (30. 11., Kulturzentrum Tollhaus).

Das Kurpfälzer Dialektwort „olwer“ steht übrigens für „ungehobelt“ und „tollpatschig“. Wer die Songs hört, weiß, dass sich in diesem Fall der männliche „Joy Fleming“ selbst auf die Schippe genommen hat. Kein Track ist ungeschickt.

Es passt. Und jetzt steht der 35-jährige Tim G. Mayer vor einem Problem. Es ist schon außergewöhnlich, dass die zweite Scheibe eines Senkrechtstarters noch besser geworden ist als sein Erstlingswerk.

Aber das jetzt Erreichte noch einmal zu toppen, wird ein Brett. Vielleicht hilft ihm dabei die Philosophie seines neuen Songs: „Immer mol e bissel“ bringt einen auch weiter. Und eine Zigarette aus der Schachtel holen und „Äni rache“ – wie in seinem neuen, radiotauglichen Ohrwurm – wird er dafür wohl öfters müssen.

nach oben Zurück zum Seitenanfang