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Wertstoffsammlung

Müll-Chaos in Karlsruhe: Vollservice ist der Stadt eine Million Euro wert

Seit der Übernahme der Wertstoffsammlung durch einen externen Entsorger läuft in Karlsruhe vieles schief. Doch was kann sich ändern?

Wertstofftonnen zu: Beschwerden zur Wertstofftonne reißen nicht ab, nun drohen noch Zusatzgebühren in älteren Mehrfamilienhäusern.
Überquellende Wertstofftonnen prägen seit Januar das Erscheinungsbild vieler Karlsruher Stadtteile. Foto: Rake Hora /BNN

Wertstofftonnen sollen in Karlsruhe auch künftig von der Müllabfuhr aus Hausfluren und Treppenhäusern abgeholt, geleert sowie wieder zurückgebracht werden. Der Vollservice ist dem Gemeinderat sogar so wichtig, dass die Stadt dafür künftig über eine Million Euro ausgeben darf.

Mehrheitlich gibt das Gremium bei seiner öffentlichen Sitzung der Verwaltung die Ermächtigung, mit dem Entsorgungsunternehmen „Knettenbrech + Gurdulic“ entsprechende Verträge auszuarbeiten. Doch alle Probleme sind damit Stand heute noch nicht gelöst. Denn für über 6.000 Immobilien ist bislang noch keine Lösung in Sicht.

Knettenbrech ist seit Januar 2024 für die Wertstoffsammlung zuständig und beruft sich auf die städtische Abfallentsorgungssatzung. Vollservice gibt es nur, wenn die Tonnen maximal 15 Meter vom Parkplatz des Müllautos entfernt stehen und ohne Hindernisse wie Treppenstufen oder Steigungen erreichbar sind.

Einige Karlsruher Stadträte geben sich selbstkritisch

„Wir haben es echt verbockt. Unsere Leute sind überall hingegangen, wo eine Mülltonne stand. Und jetzt wundern wir uns, dass sich ein privater Betreiber an unsere eigene Satzung hält“, bringt Stadtrat Friedemann Kalmbach von Für Karlsruhe das derzeitige Dilemma auf den Punkt.

„Wo soll das Geld herkommen?“, fragt FDP-Stadtrat Thomas Hock. Am Ende würden die Kosten doch wieder auf die Gebührenzahler umgelegt. Die FDP stimmt ebenso gegen den Vorschlag wie Freie Wähler, AfD und Lüppo Cramer von der Karlsruher Liste.

Anderen Fraktionen sind zufriedene Bürger kurz vor den Wahlen wichtiger als Kostendebatten. Schuldeingeständnisse gibt es keine, Lösungen für eine komplette Rückkehr zum bisherigen Vollservice aber auch nicht.

Karlsruhe verhandelt seit Wochen mit Müll-Entsorger Knettenbrech

Seit Wochen verhandelt die Stadtspitze mit Knettenbrech über einen Ausweg aus der verfahrenen Situation. Als Ergebnis aus diesen Gesprächen stehen bislang zwei Varianten. Für 690.000 Euro jährlich übernimmt Knettenbrech den Vollservice in Gebäuden mit Wegstrecken von maximal 22 Metern und einer Stufe vom Müllauto bis zur Tonne, für etwas über eine Million Euro wird das Angebot auf 27 Meter ausgeweitet.

Außen vor bleiben bei beiden Varianten die Bewohner von 6.164 Gebäuden, bei denen die Mülltonnen nur über mehrere Treppenstufen zu erreichen sind. Für diese Objekte konnten bei den Verhandlungen keine Lösungen gefunden werden, heißt es in der Beschlussvorlage lapidar.

Entweder müsse ein satzungskonformer Stellplatz gefunden werden, oder die Bewohner müssten ihre Wertstofftonnen selbst auf die Straße stellen oder jemanden dafür beauftragen. „Der Grundsatz wird sein müssen: Wer seine Tonne an einen adäquaten Stellplatz bewegt, dann wird sie auch abgeholt“, betont Oberbürgermeister Frank Mentrup.

Der CDU-Fraktion geht der Vorschlag der Stadt nicht weit genug. Der Vollservice müsse auf jeden Fall auch bei allen Häusern wie gewohnt beibehalten werden, fordern die Christdemokraten in einem Ergänzungsantrag, dafür solle die Stadt noch einmal mit Knettenbrech oder dem städtischen Eigenbetrieb Team Sauberes Karlsruhe verhandeln.

Personalrat des TSK kritisiert Belastung der Beschäftigten

Ein Teil des Antrags wird bereits vor der Sitzung vom Personalrat des städtischen Eigenbetriebs kassiert, und ebenso der Vorschlag der Fraktion aus Karlsruher Liste und Die Partei, dass Beschäftigte des TSK künftig die Wertstofftonnen aus den Treppenhäusern und Kellern abholen und für die Leerung auf die Straße stellen sollen.

„Es ist für uns inakzeptabel, dass wir die erschwerten Standplätze mit unseren Mitarbeitenden bereitstellen sollen und weiterhin die unangenehme Arbeit verrichten sollen“, steht in einem Schreiben des Personalrats an Gemeinderat und Verwaltung, das auch der Redaktion vorliegt.

Wir haben es echt verbockt.
Friedemann Kalmbach
Stadtrat Für Karlsruhe

Außerdem verweist der Personalrat noch einmal darauf, dass gerade diese Arbeiten, also schwere Abfallbehälter über mehrere Treppenstufen und über weite Strecken befördern, die Gesundheit der Mitarbeitenden „in besonderem Maße“ belasten.

„Hier verstoßen wir gegen jeden Grundsatz des Betrieblichen Gesundheitsmanagements“, heißt es in dem Schreiben weiter. In einem ersten Brief an Gemeinderat und Verwaltung kritisiert der Personalrat, dass der Arbeitsschutz für die Beschäftigten des TSK für den optimalen Bürgerservice geopfert und viel zu lax ausgelegt wurde.

Außerhalb der Stadtgrenzen sorgt die Debatte um den Vollservice für Verwunderung. „Ich verstehe die Aufregung der Karlsruher Bürger überhaupt nicht“, schreibt Dieter Poyer an die Redaktion. Er wohne in Langensteinbach und dort sei es üblich, den Mülleimer an die Straße zu stellen. „Ich muss etwa 50 Meter laufen“, so Hoyer. „Und ich habe es bis jetzt überlebt.“

Er könne nachvollziehen, dass solche Dienstleistungen von einer Müllentsorgungsfirma nicht kostenfrei erledigt werden müssten, so Poyer. Nicht verstehen könne er dagegen, dass die Stadt Karlsruhe diese Kosten an den Steuerzahler weitergebe.

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