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Besondere Zeitreise

Rap-Führung im Karlsruher Schloss entführt mit Beats und Rhymes zurück in die 80er Jahre 

Wenn Benjamin Bohnert mit seinem Ghettoblaster durch die 80er-Ausstellung in Karlsruhe führt, darf es gerne etwas lauter zugehen. Denn hier wird sich dem Jahrzehnt per Rap genähert.

RAPführung
Benjamin Bohnert unternimmt mit den jungen und älteren Besuchern eine Zeitreise zurück in die 80er Jahre – und zwar mithilfe von Rapmusik. Foto: Paul Needham

Dicke Beats wummern an diesem Samstagnachmittag durch die Sonderausstellung „Die 80er – Sie sind wieder da!“ im Badischen Landesmuseum im Karlsruher Schloss.

Der Sound kommt aus den Boxen des Ghettoblasters, den Benjamin Bohnert für seine Führung mitgebracht hat. Ein Grüppchen von einem Dutzend Erwachsenen und ebenso vielen Kindern hat sich um den jungen Mann mit der Basecap und dem Kapuzenshirt geschart. Sie verschränken die Arme vor der Brust und nicken zum Beat mit dem Kopf auf und ab.

„Dabei muss man ein cooles Gesicht machen“, erklärt Bohnert mit Augenzwinkern. Museumsbesucher, die nicht zur Gruppe gehören, gucken ein bisschen verwundert, stören sich aber nicht weiter daran.

Die Sonderausstellung, die eine Rückblende – einen sogenannten Flashback – auf die 80er Jahre, ihre geschichtlichen Ereignisse und ihre Kultur bietet, ist bunt und quirlig. Da darf es gern auch etwas lauter zugehen.

Rap-Führung kommt bei Karlsruhern gut an

Also ruft Bohnert im Sprechgesang den Leuten entgegen: „Ich bin am Start und sag ‚eh oh, eh oh‘, Ihr seid am Start und sagt …“ Prompt antwortet die Gruppe auf den Call mit „eh oh, eh oh“, allen voran die beiden elf- und zwölfjährigen Jungs Raphael und Niklas, die einen Riesenspaß haben. Sie rufen sich auch später noch, wenn sich die Gruppe zur nächsten Ausstellungsstation begibt, die Calls zu.

Die eingängigen Textfetzen sind bei ihnen gut hängen geblieben. Etwa die zum Rap über „VIP“, also Very Important Person. In Bohnerts Text sind „Ich, Du und Wir alle“ VIP, sprich: „Wi Ei Pi“, und er rappt das Ganze lautstark vor Vitrinen und Erklärtafeln, die von der damaligen Volkszählung in Westdeutschland und der Umwelt- und Bürgerbewegung der DDR berichten.

So komplex die Historie der 80er auch sein mag, lässt sie sich in Bohnerts Rap auf einen einfachen gemeinsamen Nenner bringen: Auf jeden einzelnen kommt es an, jeder Bürger ist ein VIP. Wenn mindestens diese Botschaft den jüngeren wie älteren Ausstellungsbesuchern in Erinnerung bleibt, ist Bohnerts Ziel museumspädagogisch bestens erreicht.

Originelle Verse bringen Besonderheiten der 80er Jahre näher

Der 41-Jährige ist Musik- und Sportlehrer in der Waldstadt und zudem Sozialarbeiter. Hip-Hop und Rap sind seine Leidenschaft und ab und an setzt er die Musik auch didaktisch ein.

Vor Jahren hatte er mal einen Workshop zum Thema Rap-Texten gegeben und eine Museumsmitarbeiterin, die darauf aufmerksam wurde, kam auf die Idee, ihn für die damalige Landesausstellung über Baden eine Rap-Führung gestalten zu lassen. „Das fanden viele gut, weil es mal was anderes war“, so Bohnert. „Und jetzt zur 80er-Ausstellung, wo es inhaltlich super passt, wollten wir sowas nochmal machen.“

Das Ergebnis kann sich hören lassen. Bohnert hat Unmengen an Wörtern und rhythmischen Sätzen getextet, die sich jeweils auf Stationen der Ausstellung und damit auf alle möglichen Phänomene der 80er beziehen. Darunter sind einige sehr naheliegenden Reime wie etwa „Zeit für die Wende, die Mauer hat ein Ende“.

Aber auch originellere Verse finden sich darunter. Etwa, wenn Bohnert vor den Schaukästen mit Klamotten im Skateboarder-Look reflektiert, dass die Jugend- und Alltagskultur auch ihre radikal unpolitische Seite hatte: „Mit dem Gameboy wurde das Zocken mobil. Wir waren überzeugt, es war alles nur ein Spiel.“

Ältere Besucher steuern im Badischen Landesmuseum Anekdoten bei

Dass Jung und Alt aus der Gruppe solche Texte unterschiedlich auffassen, ist klar. Bohnert schafft es hierbei gut, in kleinen Gesprächen zwischendurch Brücken zu bauen. So erzählt er von seiner eigenen Jugend und fragt in die Runde „Wie war das bei Euch?“, worauf die Älteren Anekdoten beisteuern.

Von Storys, dass man nach Tschernobyl keine Waldpilze mehr sammeln durfte, bis zum Bekenntnis für extrem weite Mode in Übergrößen kommt da Interessantes zusammen. Nicht verwechseln darf man Bohnerts Rap-Führung jedoch mit der Führung eines Zeitzeugen.

Das ist Bohnert – im strengen Sinne – nicht. Er ist Jahrgang 1982. Als er Jugendlicher war und bei ersten Auftritten mit dem Rappen begann, war das besagte Jahrzehnt längst vorbei. Dem Flashback, den Bohnert im Museum auszulösen vermag, tut das aber keinen Abbruch.

Wenn er rappend vor dem Kreidler-Moped Florett 80Luxus posiert, sieht das wunderbar authentisch aus. Sein JVC-Ghettoblaster übrigens ist neueren Datums, läuft digital – ohne Audio-Kassetten, lästiges Vor- und Zurückspulen oder gar Bandsalat. Für eine Museumstour also viel praktischer und genau richtig.

Service

RAPführung „Die 80er Spezial – Mit Beats und Rhymes durch die 80er“ gibt es noch mal am Samstag, 20. Januar, um 15 Uhr (ohne Anmeldung). Zudem findet am 14., 21. und 28. Januar jeweils um 11 Uhr die Themenführung „Musikkultur der 80er Jahre“ statt.

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