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Schulterpolster und Glamour

Musical-Besucher reisen in Karlsruhe durch den Zeittunnel in die Achtzigerjahre

Das Musical „Mit Vollgas in die 80er“ feiert Premiere am Karlsruher Sandkorn-Theater. Warum es am Ende minutenlangen Beifall gab.

Eine Frau mit roten Haaren steht auf einer Bühne und singt in ein Mikrofon.
Rebecca Raffell überzeugt im Musical „Mit Vollgas in die 80er“ stimmlich und mit ihrer authentischen Rockstar-Darstellung. Foto: Ingo Cordes

Fönfrisuren, Schulterpolster und sehr viel Glamour: Die Achtziger waren bunt, laut und schrill. Mit dem Musical „Mit Vollgas in die 80er“, das in Kooperation mit dem Helmholtz-Gymnasium und der Musikhochschule Karlsruhe entstanden ist, lässt das Sandkorn-Theater dieses aufregende Jahrzehnt nun wieder aufleben und sorgt damit für große Begeisterung beim Publikum.

Es lässt sich spüren: Obwohl die Achtziger schon 40 Jahre her sind, scheint die Nostalgie für die Zeit von Rockmusik, Friedensbewegung und alltäglichem Sexismus ungebrochen. Das alles wird in „Mit Vollgas in die 80er“ so stark persifliert und mit einem Augenzwinkern zur Schau gestellt, dass man sich beinahe zurückversetzt fühlt.   Alles beginnt mit einer Rückblende, genau genommen mit einer TV-Show. Der Fernsehsender „Welle Gecko“ ist on air – samt eingeblendeten Original-Werbespots. Moderiert wird die Sendung von Jan; und auch ein Auftritt der Karlsruher Cover-Band Karajan, bestehend aus Jan und Katrin, genannt Kara, darf natürlich nicht fehlen.

Die vorhersehbare Handlung stört das Publikum in Karlsruhe nicht

Im Jahr 2023 feiert Kara ihren 55. Geburtstag. Die Jahre von „Major Tom“, dem „Sonderzug nach Pankow“ und den „99 Luftballons“ liegen lange zurück; genau wie Karas Musikkarriere.

Doch als Patrick, der Freund von Karas Tochter Julia, auf die Idee kommt, den Musikclub PLOY wiederzueröffnen, ist alles wieder da: die Musik, die Erinnerungen, die Nostalgie. Dennoch zögert Kara, noch einmal zusammen mit einer neu gegründeten Band aufzutreten. Was der Grund für Karas Zurückhaltung ist, wird schnell klar.

Die ziemlich vorhersehbare Handlung ist jedoch keinesfalls störend, schließlich geht es ohnehin nicht so sehr um die Geschichte, sondern in erster Linie um die Musik. „Mit Vollgas in die 80er“ ist nämlich vor allem eines: eine musikalische Zeitreise, eine Hommage an die größten Hits von damals, eine Persiflage.

Über die teils gestelzt wirkenden Dialoge, die zuweilen etwas platten Slapstick-Einlagen und die nicht allzu überzeugenden schauspielerischen Leistungen lässt sich vor diesem Hintergrund nur allzu gerne hinwegsehen. Denn vor allem musikalisch überzeugt das Musical auf ganzer Linie. Die Live-Band, bestehend aus Ludger Donath, Peter Fenchel, Leander Mangelsdorf, Julian Kreiner, Carola Krettenauer und Johann Walker, spielt sich souverän durch den Abend und sorgt für gute Stimmung. Schön auch, dass die jungen Musiker immer wieder ins Geschehen eingebunden werden, wodurch das Ganze ein wenig aufgelockert wird.

Die Stimmen von Vivien Andrée (Julia) und Florian Kondur (Patrick) schwächeln bei den rockigen Parts, überzeugen aber bei den ruhigeren Songs. Ralph Hönicke (Jan) bringt vor allem durch seine Art den Charme der Achtziger auf die Bühne und singt eine herausragende Version von Udo Lindenbergs „Sonderzug nach Pankow“.

Star des Abends in karlsruhe ist Rebecca Raffel

Der wahre Star des Abends ist aber Rebecca Raffell (Kara), die nicht nur stimmlich überzeugt, sondern auch durch ihre absolut authentische Rockstar-Darstellung. Denn obwohl sich nur allzu deutlich heraushören lässt, dass sie als ausgebildete Opernsängerin aus der Klassik kommt, macht sie sich mit beeindruckender Leichtigkeit das Rotzige, das Wilde und Freche der Achtziger zu eigen und wirkt dabei beinahe wie eine zweite Nina Hagen.  

Ihren vollen Glanz entfaltet die live gespielte Musik vor allem in den Sequenzen, in denen das Ensemble gemeinsam auf der Bühne singt und tanzt. Daneben sind es in erster Linie die vielen selbstironischen sowie popkulturellen Anspielungen, die den besonderen Charme der Musicalpersiflage ausmachen.

Das Karlsruher Publikum klatscht stehend Beifall

Am Ende wendet sich alles zum Guten. Das PLOY eröffnet. Patrick, Julia, Jan und Kara treten zusammen auf – und spätestens jetzt wird der Abend zu einer großen Party. „Seid ihr bereit, durch den Zeittunnel in die Achtziger zu reisen?“, fragt Jan bei der Eröffnung. Und ja, das Publikum ist bereit. Da wird mitgefeiert, mitgesungen, gelacht, applaudiert. Und sich auch ein bisschen erinnert.

Schließlich gibt es minutenlange im Stehen dargebrachte Ovationen für die Darsteller, die sich mit zwei Zugaben bedanken. Ein Abend voller gute Laune, voller guter Musik und Nostalgie, bei dem nicht nur diejenigen auf ihre Kosten kommen, die die Achtziger miterlebt haben, sondern auch all jene, die schlicht und einfach die Lust haben auf fetzige Musik, bunte Klamotten, ein bisschen Glamour und eine große Portion Achtzigerjahre-Charme.

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