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Auch nicht-professionelle Tänzer

Tanzabend im Badischen Staatstheater Karlsruhe: Was macht das Menschsein aus?

30 Karlsruher stehen bei der Premiere zu Paul Calderones „Alles tanzt! the human condition” im Badischen Staatstheater auf der Bühne. Heraus kommt eine berührende Koproduktion des Volkstheaters mit dem Staatsballett.

Bei „Alles tanzt!“ tanzen Profis und Nicht-Profis gemeinsam im Badischen Staatstheater.
Bei „Alles tanzt!“ tanzen Profis und Nicht-Profis gemeinsam im Badischen Staatstheater. Foto: Arno Kohlem

Rund 30 Tänzer stehen bewegungslos auf der Bühne des Karlsruher Staatstheaters. Dann plötzlich ein Krachen, das Geräusch von Steinen, die zerbrechen. Die Körper sacken zusammen. Schon hier wird deutlich, wo Choreograf Paul Calderone die Inspiration zu seinem Stück „Alles tanzt! the human condition“ fand: In Gustavs Vigelands Skulpturenpark in Oslo, der vom Wesen des Menschen erzählt, vom Kreislauf aus Ankommen und Sterben. Calderone erweckt die Steinskulpturen auf der Bühne zum Leben; dies jedoch nicht allein mit professionellen Tänzern, sondern zudem mit Karlsruhern aller Generationen.

Wie viel Engagement, Motivation und Begeisterung diese in die Workshops eingebracht haben, zeigt sich an den beeindruckenden tänzerischen Leistungen und der spürbaren Freude, sich mit den zentralen Fragestellungen des Stücks auseinanderzusetzen. Und diese sind alles andere als trivial: Es geht um das Menschsein in der Krise, um das, was uns ausmacht, um Zusammenhalt, um die Suche nach Gemeinschaft.

Calderone überzeugt mit Liebe zum Detail auf der Bühne

Das alles bringt Calderone in dieser Koproduktion des Volkstheaters mit dem Staatsballett Karlsruhe absolut überzeugend und mit viel Liebe zum Detail auf die Bühne. Auch das schlichte Bühnenbild (Isabell Wibbeke) betont das Thema, ohne dabei überladen zu wirken. Neben einigen Podesten steht lediglich ein großer Turm in der Mitte der Bühne, der an Gedärm erinnert oder an die Windungen des Gehirns. Erst, als die Tänzer mitten im Stück plötzlich von oben gefilmt werden, wird klar, worum es sich in Wahrheit handelt: um miteinander verschlungene Menschenkörper.

Besonders hervorzuheben ist eine weitere Szene, in der sich die Tänzer wie gleichgeschaltet zu Klängen bewegen, die an die Musik aus Computerspielen erinnern. Zwischendurch ertönt ein übertriebenes Lachen oder Weinen, das von einer Person auf der Bühne aufgegriffen wird, um sofort wieder zu stoppen; denn dann geht es wieder weiter mit den automatisierten Bewegungen.

Spätestens hier wird der Bezug zu Hannah Arendt deutlich, deren Werk „The human condition“ sogar im Titel des Stücks genannt wird. Denn ja, auch hierum geht es: Um die Frage, was wir eigentlich tun, wenn wir tätig sind. Arendts Denken begreift den Menschen von seinen Möglichkeiten und nicht von seinen Grenzen her – genau wie auch Calderone in seinem Stück. Das alles wirkt echt, nah und trotz der beeindruckenden Schönheit an manchen Stellen fast schon bedrohlich angesichts der aktuellen Lage auf der Welt.

Vor allem aber spendet die Choreografie auch Zuversicht: Denn immer wieder werden Menschen gezeigt, die bereit sind, sich berühren zu lassen, die sich in ihrer Emotionalität und Verletzlichkeit zeigen. Und geht es nicht genau darum, beim Menschsein? Um das Gute, das Verletzliche, das Empathische? Calderone ist mit seinem Stück etwas sehr Großes gelungen, etwas, das nicht nur zum Nachdenken anregt, sondern in erster Linie tief berührt. Großartig!

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