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In eigener Sache

Femizid: Warum wir Gewalt gegen Frauen sprachlich nicht verharmlosen dürfen

Alle drei Tage ein Mord: Warum der Begriff Femizid die Realität von Gewalt gegen Frauen besser erfasst als verharmlosende Bezeichnungen.

Das Bundeskriminalamt verzeichnete im Jahr 2020 139 Femizide in Deutschland.
Das Bundeskriminalamt verzeichnete im Jahr 2020 139 Femizide in Deutschland. Foto: Christophe Gateau/dpa/Symbolbild

Ich bin kein Freund einer allzu schnellen Veränderung unserer Sprache und stehe deshalb ungewohnten Wortschöpfungen erst einmal reserviert gegenüber. Doch es gibt Ausnahmen, wo es mir mit der Sprachänderung nicht schnell genug gehen kann. Etwa beim Thema Gewalt gegen Frauen.

Femizid-Statistik: Alle drei Tage wird eine Frau vom Partner umgebracht

Alle drei Tage wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder dem Ex umgebracht. In der öffentlichen Debatte und leider auch noch in zu vielen Medien ist dann oft die Rede von einer Beziehungstat, von einem Familiendrama oder einer Eifersuchtstragödie.

All diese Formulierungen verharmlosen und wecken eher Verständnis für die Motive des Täters.

Um das gesellschaftliche Problem sichtbar zu machen, müssen wir die Opfer sprachlich in den Mittelpunkt rücken. Und hier komme ich zum Begriff Femizid, der eigentlich gar keine neue Wortschöpfung ist.

Er wurde schon in den 1970er-Jahren von Frauenrechtlerinnen geprägt, um zu verdeutlichen, dass ein Großteil der Tötungsdelikte an Frauen auf Machtdynamiken zwischen den Geschlechtern zurückzuführen ist. Übrigens, fast immer bei Trennungen.

Von vielen Gerichten wird der Femizid längst als Bezeichnung für derartige Taten verwendet. Nur in unserer Alltagssprache tun wir uns noch schwer, die unerträgliche Gewalt gegen Frauen auch klar als solche zu bezeichnen.

Deshalb will ich an dieser Stelle für mehr Sprachsensibilität werben – bei meinen Kolleginnen und Kollegen, wenn sie über derartige Taten schreiben. Aber auch bei Ihnen, wenn Sie im Freundes- und Bekanntenkreis darüber reden. Oder in Ihrer unmittelbaren Umgebung Anzeichen für häusliche Gewalt entdecken.

Denn eine angepasste Sprache ist nur eine von vielen Bausteinen bei der Problemlösung. Nicht wegschauen und konsequentes Handeln gehört genauso dazu. Ebenso wie die Überwindung von geschlechtsspezifischen Rollenbildern – also vor allem von patriarchalischen Strukturen.

Mir ist wichtig, dass wir dieses Thema nicht nur am 8. März (Internationaler Frauentag) oder am 25. November (Internationaler Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen) aufgreifen und für die nächsten 363 Tage wieder vergessen. Wir können alle gemeinsam etwas dagegen unternehmen. 

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