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Starkregen und Hochwassergefahr

Wenn die KI auf die Wolken schaut: Gute Aussichten für Extremwetterforschung

In der wärmeren Welt steigt die Gefahr von Naturkatastrophen. Die Wissenschaft beschäftigt sich heute viel mit der Frage, wie sich die Menschen besser darauf vorbereiten können.

Ein Mann trägt ein Mädchen und einen Hund durch das überschwemmte griechische Dorf Palamas.
Anhaltender Starkregen kann verheerende Folgen haben, wie im September die Hochwasserkatastrophe in Griechenland erneut gezeigt hat. Die Wissenschaft hat jedoch ein viel besseres Verständnis von Extremwetter als früher, was in der Vorsorge genutzt werden kann. Foto: Angelos Tzortzinis / AFP

So etwas hatten die New Yorker zuletzt vor über 100 Jahren erlebt. In ihrer Stadt schüttete es Ende September wie aus den Kübeln: Innerhalb Stunden fiel so viel Wasser vom Himmel wie sonst in einem Monat.

Straßen verwandelten sich in Flüsse, Unterführungen waren unpassierbar. Im überfluteten Zoo des Central Parks nutzte eine Seelöwin die Gelegenheit, um einen kleinen Ausflug zu machen: Das neugierige Tier schwamm aus ihrem Becken heraus und kehrte später wieder zurück.

Eine heitere Episode in der Bilanz eines Extremereignisses in der Metropole, die zum Glück keine Todesopfer betrauern musste. Viel heftigere Folgen hatte das Hochwasser in Griechenland durch das Sturmtief Daniel wenige Wochen zuvor.

Dort regnete es so stark, dass 17 Menschen und über 200.000 Tiere starben. Anders als bei der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 mit 134 Todesfällen blieb Deutschland dieses Jahr von derartigen Unglücken verschont. In Sicherheit wiegen sich die Wetterforscher hierzulande trotzdem nicht.

Der Klimawandel hat bei Extremwetter seine Finger im Spiel.
Tobias Fuchs
Vorstand Klima und Umwelt beim Deutschen Wetterdienst 

„Bei uns sind schwerste Gewitter fast Alltag in jedem Jahr“, sagte Ende September zum Auftakt des Extremwetterkongresses 2023 Tobias Fuchs, Klima-Vorstand des Deutschen Wetterdienstes (DWD).

„Der Klimawandel hat – das ist quantitativ belegbar – bei Extremwetter seine Finger im Spiel“, führte der Fachmann fort und zitierte eine Studie, wonach die Erderwärmung Sturzfluten wie in Griechenland zehnmal und Starkregen-Katastrophen wie neulich in Libyen (mehr als 11.000 Tote) 50-mal wahrscheinlicher mache.

Seit 2001 waren in der Bundesrepublik laut DWD die 15 größten Städte fast 900-mal von Stark- und Dauerregen betroffen. Tendenz steigend. Die schwersten Überschwemmungen der vergangenen zehn Jahre richteten nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gemeinsam einen Schaden von mehr als 15 Milliarden Euro aus.

Bundesweit seien heute 2,6 Millionen Gebäude durch ihre Lage in Tälern oder in der Nähe von Bächen durch Starkregen hoch gefährdet, so der GDV. In seiner Rangliste der Städte mit dem höchsten Risiko taucht auch Karlsruhe auf, wenn auch erst an 15. Stelle.

Wasserdampf als Energiequelle für Wettersysteme

Die erwiesene und statistisch signifikante Zunahme an Stark- und Dauerregen in den vergangenen Jahrzehnten erklärt sich unter anderem darin, dass wärmere Atmosphäre mehr Wasserdampf aufnimmt, der eine mächtige Energiequelle für Wettersysteme ist. 

Laut einer Formel wächst die Luftfeuchtigkeit um sieben Prozent pro einem Grad Temperaturanstieg. Trifft die aufgeheizte Luft auf kältere Schichten, kann so viel Wasser auf einmal abregnen, dass es zu Sturzfluten oder Hochwasser kommt.

„Es wird in Zukunft vielleicht weniger Großwetterlagen geben, die gewitterträchtig sind. Aber wenn es passiert, wird die Wahrscheinlichkeit von extremen Stürmen und katastrophalen Ereignissen höher sein“, sagte unserer Redaktion der KIT-Meteorologe Peter Knippertz.

In einer wärmeren Welt würden die intensivsten Wettersysteme mehr Energie zur Verfügung haben und entsprechend mehr Unheil anrichten können. Knippertz und seine Kollegen haben berechnet, dass in Süddeutschland die Feuchtigkeit seit den 90ern um 15 Prozent gestiegen ist – ein Befund, der die Karlsruher überrascht hat.

Mithilfe der modernen Technik können die Forscher die komplexe Dynamik von extremen Niederschlagsereignissen immer besser durchschauen. Auf der anderen Seite sind immer mehr Daten verfügbar, die in präzisiere Vorhersage- und Frühwarnmodelle fließen. Der DWD verarbeitet nach eigenen Angaben zurzeit täglich 165 Millionen Wetterbeobachtungen. 

So wird die Verteilung von Niederschlägen mit 83 Stationen gemessen, unter anderem auf dem Feldberg und in Rheinstetten. Seit einiger Zeit erzeugt ein lückenloses Radarnetz alle fünf Minuten ein Lagebild von Wolkenbrüchen.

In nächster Zukunft werden Wettersatelliten der dritten Generation alle zehn Minuten räumlich hochaufgelöste Daten über Regen und Gewitterwolken liefern. Der DWD erwartet, ab 2024 seine Wetter-App mit wesentlich präziseren lokalen Vorhersagen betreiben zu können.

Winter im Süden wird regenreicher

Auf dem Extremwetterkongress-2023 wurde erstmals eine Auswertung von regionalen Trends aus dem neuen Katalog extremer Niederschlagsereignisse vorgestellt.

Demnach hat es in Norddeutschland seit 2001 etwas weniger Starkregen gegeben, während sich gerade in Nordbaden und im Schwarzwald solche Ereignisse häuften und die von Dauerregen betroffenen Flächen zugenommen haben. Die Erwartung ist, dass bis zum Ende des Jahrhunderts vor allem die Winter im Süden viel feuchter werden.

Mithilfe der Künstlichen Intelligenz (KI) können Wissenschaftler bald relativ zuverlässig die möglichen Flutkatastrophen in einzelnen Regionen modellieren und ihre Folgen abschätzen. Dazu werden unter anderem hydrologische Vorhersagen und Risikokarten mit soziodemografischen und geografischen Informationen kombiniert. Das Modell stellt dann die Prognose in einem 3D-Video dar und gibt dem Betrachter das Gefühl, über einem überschwemmten Tal zu fliegen.

„Verglichen mit der bloßen Betrachtung von reinen Daten macht eine Visualisierung die Ausmaße von möglichen Schäden viel greifbarer und erleichtert somit die notwendigen Entscheidungen“, erklärte auf dem Hamburger Wetterkongress der Hydrologe Sergiy Vorogushyn vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam. „Früher haben solche komplexen Berechnungen Jahre gedauert. Die neuen, unheimlich schnellen Grafikprozessoren verkürzen diese Zeit bis auf wenige Minuten.“

Kommunen sind nicht genug auf den Klimawandel vorbereitet

Bleibt die Frage: Wie kann das wachsende Wissen über Extremwetter dazu genutzt werden, um angesichts der zunehmenden Risiken den vorbeugenden Katastrophenschutz zu verbessern?

Das Bundes­umwelt­ministerium sieht die Kommunen zurzeit „nicht hinreichend“ auf Hochwasser und Starkregen vorbereitet. Nur 15 bis 20 Prozent hätten ihre Klimaanpassungs­konzepte erstellt, um Vorsorge treffen zu können, bemängelte ein Ministeriumssprecher gegenüber dem Redaktions­netzwerk Deutschland (RND).

Baden-Württembergs „Strategie zur Minderung von Hochwasserrisiken“ ist 20 Jahre alt. Seitdem wurde das Gefahrenmanagement an rund 12.000 Kilometern Gewässer im Land mehrfach überarbeitet – zuletzt 2021 unter dem Eindruck der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.

Ist der Südwesten also gut auf Extremwetter-Ereignisse vorbereitet? „Das weiß ich nicht wirklich“, sagte offen Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Mai dem SWR. „Das ist einfach eine Frage der Ereignisse selber.“

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