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Eine Million für Reutlingen

Karlsruhe und Pforzheim verzichten auf das Geld ihrer Sparkassen

Können Städte wie Karlsruhe und Pforzheim großzügig auf Einnahmen verzichten? Offenbar schon. Ihre erfolgreich wirtschaftenden Sparkassen dürfen die Gewinne schon immer und in voller Höhe behalten. In anderen Bundesländern ist das längst anders. Selbst im schwäbischen Reutlingen greift der Landrat in seine Sparkasse.

Wir geben nichts: Fast alle Sparkassen in Baden-Württemberg behalten alle Gewinne für sich. Als Träger der Institute könnten die Kommunen eigentlich profitieren. Aber außer in Reutlingen gibt es keine Gewinnausschüttungen.
Wir geben nichts: Fast alle Sparkassen in Baden-Württemberg behalten alle Gewinne für sich. Als Träger der Institute könnten die Kommunen eigentlich profitieren. Aber außer in Reutlingen gibt es keine Gewinnausschüttungen. Foto: Imago

Der Landrat von Reutlingen kann sich freuen. Eine Million Euro hat ihm seine Kreissparkasse rüber geschoben, zur Sanierung des Kreiskrankenhauses.

Die Sparkasse Reutlingen kann das. Sie hat immerhin sieben Millionen Euro erwirtschaftet. Die Sparkasse Karlsruhe hat in ihrem letzten Geschäftsbericht sogar 8,4 Millionen Gewinn gemacht und Baden-Württembergs größtes öffentlich-rechtliches Kreditinstitut, die Sparkasse Pforzheim-Calw, weist alljährlich einen Gewinn von exakt 15 Millionen Euro aus.

Karlsruhe und Pforzheim schauen in die Röhre

Doch die Oberbürgermeister in Karlsruhe und Pforzheim sowie alle beteiligten Landräte und Bürgermeister schauen in die Röhre - und das, obwohl ihnen als Träger der Sparkassen eine eigentümer-ähnliche Stellung zukommt.

„Wir haben ja nichts eingezahlt, da können wir auch keine Verzinsung erwarten“, sagt der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD). Reutlingen hat auch nichts einbezahlt.

Aber anders als in Karlsruhe und Pforzheim, drängen in Reutlingen die Kommunalpolitiker auf eine Gewinnausschüttung.

Bei der Haushaltskonsolidierung wurde auch über Gewinnausschüttung diskutiert
Frank Mentrup, Oberbürgermeister Karlsruhe

Mentrup ist Vorsitzender des Verwaltungsrats der Sparkasse Karlsruhe, dem Gremium, das alljährlich über die Verwendung der Gewinne entscheidet. Und Jahr für Jahr beschließt dieser Rat, das Geld der Sparkasse zu überlassen.

Frank Mentrup, Oberbürgermeister von Karlsruhe
Frank Mentrup, Oberbürgermeister von Karlsruhe Foto: Jörg Donecker

„Die Sparkasse kann ihre Kreditvergaben nur steigern, wenn sie ihr Eigenkapital erhöht“, erklärt der Oberbürgermeister. Er räumt ein, als man im Gemeinderat über die Haushaltskonsolidierung diskutiert habe, seien auch die Gewinne der Sparkasse zur Sprache gekommen.

Doch am Ende beugte man sich dem Sachverstand der Banker und verzichtete auf das Geld.

Pforzheim könnte warmen Geldregen vertragen

In Pforzheim ist die Not wohl am größten. Die Stadt steht finanziell unter starkem Druck. So sehr, dass schon seit Jahren das Regierungspräsidium die Haushaltspläne ausdrücklich genehmigen muss. Momentan kämpft man um jeden Cent, um den Kindern der Stadt saubere Schultoiletten und funktionierende Schwimmbäder zu bieten.

Ein warmer Regen aus dem Säckel der Sparkasse könnte da gut tun. Doch auch Pforzheim verzichtet auf jeden Cent aus den Sparkassengewinnen.

Nur Reutlingen greift in die Sparkassen-Truhe

Oberbürgermeister Boch bestätigt, etwa 1,25 Millionen Euro könnte seine Sparkasse alljährlich an die Stadt ausschütten und dieselbe Summe nochmal sowohl an den Enzkreis als auch an den Landkreis Calw, die ebenfalls Träger der Sparkasse Pforzheim Calw sind.

Doch angesichts der Bedeutung des Kreditinstituts für die Wirtschaft und die von ihm geförderten sozialen und kulturellen Projekte, will er den Überschuss der Bank nicht antasten. „Hierüber besteht auch Einigkeit im Verwaltungsrat der Sparkasse“, sagt Pforzheims OB.

Peter Boch, Oberbürgermeister von Pforzheim
Peter Boch, Oberbürgermeister von Pforzheim Foto: PK

In Baden-Württemberg sind Mentrup und Boch mit ihrer Entscheidung wahrlich nicht allein. Außer Reutlingen sieht sich keine Sparkasse in der Lage, ihre Trägerkommunen finanziell zu unterstützen.

Weit mehr Eigenkapital als vorgeschrieben

Alle Sparkassen in Nord- und Mittelbaden sind mit Eigenkapital deutlich besser ausgestattet, als das gesetzlich gefordert wird. Die Vorschrift „Basel III“ verlangt eine Kernkapitalquote von 10,5 Prozent. Reutlingen hat 15,8, Karlsruhe 14,6 und Pforzheim immerhin noch 13,4 Prozent.

Die Sparkassen Rastatt-Gernsbach und Baden-Baden liegen jeweils deutlich über 15 Prozent. Doch auch sie schütten keine Gewinne an ihre Kommunen aus. Alle verlegen sich auf großzügige aber freiwillige Förderung von Kunst, Kultur, Jugend und Sport.

In anderen Bundesländern ist es hingegen durchaus üblich, dass die Sparkassen Teile des Gewinns an ihre Träger abgeben. In Nordrhein-Westfalen geht es längst nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wieviel.

Hessischer Landesrechnungshof fordert höhere Ausschüttungen

In Hessen ist der Landesrechnungshof mit der Quote der Ausschüttung sehr unzufrieden . Den Verweis auf gemeinnützige Spenden von Sparkassenstiftungen will Walter Wallmann, Chef des hessischen Rechnungshofes, nicht gelten lassen.

„Die Kommunen sollten stärker darauf drängen, an den Jahresüberschüssen angemessen beteiligt zu werden“, sagt er.

Mark Salama, hessischer Rechnungsprüfer, kann sich die vornehme Zurückhaltung von Städten, Kreisen und Gemeinden nicht erklären. „Die Kommune hat eine eigentümer-ähnliche Stellung und sollte angemessen bedacht werden.“

Der Informationsstand der Verwaltungsräte ist auffallend schlecht
Mark Salama, Prüfer beim hessischen Landesrechnungshof

Im Verwaltungsrat aber seien die kommunalen Vertreter offenbar zu sehr auf das Wohl der Sparkasse und nicht auf das Wohl ihrer Kommune fixiert. Auffallend schlecht sei der Informationsstand der Verwaltungsräte.

„Die Kommunen waren trotz ihrer Stellung oftmals nicht besser informiert, als jeder andere Internet-Nutzer“, so Salama. In Rheinland-Pfalz, so hofft er, könnte sich bald etwas ändern. „Der Rechnungshof hat dort mit der Prüfung dieser Frage begonnen.“

In Baden-Württemberg läuft das anders

In Baden-Württemberg bleibt hingegen alles beim Alten. Hier ist der Landesrechnungshof für Städte und Gemeinden gar nicht zuständig. Und die Gemeindeprüfungsanstalt?

„Wir führen eine reine Gesetzesmäßigkeitsprüfung durch“, sagt deren Vizepräsident Markus Günther. Er schaut also nur, ob die Kämmerer korrekt arbeiten. Nach neuen Geldquellen hält er keine Ausschau.

„Wir könnten natürlich die theoretische Möglichkeit aufzeigen, dass man von den Sparkassen Gewinne einfordert. Aber bislang haben wir das nicht gemacht.“

Zeit für Ausschüttung ist noch nicht gekommen
Michael Huber, Sparkasse Karlsruhe

Michael Huber, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Karlsruhe, hält die Zeit für Ausschüttungen noch nicht für gekommen.

„Wir sollten einen Kapitalvorrat angelegt haben, aus dem wir fünf Jahre lang Kredite ausgeben können. Wenn wir dieses Polster einmal haben, spricht nichts dagegen, Gewinne auszuschütten. Aber die müssten dann an gemeinnützige Zwecke gebunden sein und nicht für Bauruinen oder Fehlinvestitionen der Kommunen ausgegeben werden.“

Professor unterstützt die Haltung der Sparkassen

Für Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft an der Uni Hohenheim, sind die Sparkassen der Garant für den baden-württembergischen Erfolg.

„Unser Mittelstand hätte ohne Sparkassen keinen Zugang zum Kapitalmarkt. Die Risiken dieser Unternehmen übernimmt keine börsennotierte Großbank. Die ziehen sich sofort zurück, wenn es ernst wird.“ Deshalb, so Burghof, sollten die Sparkassen ihr Geld auch zusammenhalten.

Reutlingen schüttet auch in diesem Jahr aus

Bei den sparsamen Schwaben in Reutlingen sieht man das anders. „Klar, die Ertragslage wird schwieriger. Aber unsere Sparkasse kann das leisten“, sagt Andreas Lehmann, Sprecher der Sparkasse Reutlingen.

„Wir werden in der nächsten Sitzung unserem Verwaltungsrat vorschlagen, auch in diesem Jahr wieder Gewinne an die Kommune auszuschütten.“ Den Landrat freut’s.

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