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Zu Gast in der Hauptfeuerwache

Karlsruher Berufsfeuerwehr sucht Multitalente mit zwei rechten Händen

Die Einsatzkräfte der Karlsruher Berufsfeuerwehr verbringen 80 bis 90 Prozent ihrer Arbeitszeit auf der Wache. Dort nutzt man zum Beispiel ihre handwerklichen Talente für die Wartung und Reparatur der Ausrüstung und die Instandhaltung des Gebäudes.

Daniel Baumann bei der Wartung eines Kleineinsatzfahrzeuges. Wie er haben viele Einsatzkräfte der Feuerwehr eine handwerkliche Ausbildung absolviert.
Daniel Baumann bei der Wartung eines Kleineinsatzfahrzeuges. Wie er haben viele Einsatzkräfte der Feuerwehr eine handwerkliche Ausbildung absolviert. Foto: jodo

Es ist ungewöhnlich viel los an diesem Vormittag. Vier Mal ist die Feuerwehr aus ihrer Hauptwache in der Ritterstraße ausgerückt. Meist war es falscher Alarm. Einmal hat ein Handtuch auf dem Herd Feuer gefangen. Solche Tage sind für die 240 Einsatzkräfte der Berufsfeuerwehr aber eher die Ausnahme. 80 bis 90 Prozent ihrer Zeit verbringen sie auf den Wachen. „Langweilig wird es dabei nicht“, sagt Pressesprecher Markus Pulm.

Vor der geöffneten Motorhaube eines Kleineinsatzfahrzeugs steht kurz nach Mittag Daniel Baumann. Der gelernte Kfz-Mechaniker ist einer von drei bis vier Feuerwehrmännern, die sich in der hauseigenen Werkstatt um die Wartung der Einsatzfahrzeuge kümmern. Mindestens einmal im Jahr wird jedes gründlich unter die Lupe genommen – wenn es häufiger im Einsatz war auch mehrmals.

Die Hauptfeuerwache ist nicht nur für die eigenen Fahrzeuge verantwortlich. Auch die Freiwilligen Feuerwehren im Stadtgebiet greifen auf sie zurück. Ertönt plötzlich der Alarm, wird Baumann allerdings alles stehen und liegen lassen. „Manchmal fragt man sich dann später, wo man eigentlich stehen geblieben war“, sagt er schmunzelnd.

Viele Feuerwehrleute haben eine handwerkliche Ausbildung

Karrieren wie die von Daniel Baumann sind bei der Feuerwehr nicht ungewöhnlich. Viele Einsatzkräfte haben zuvor eine Ausbildung im Handwerk abgeschlossen. Die geschickten Hände sind sogar Teil der Eignungsprüfung, erklärt Pressesprecher Pulm.

Am ersten Tag geht es im Fitnesstest um die körperlichen Fähigkeiten. Einen Tag später müssen die Bewerber ihr Können und ihr Improvisationstalent in den Werkstätten beweisen – und das nicht nur im „Heimspiel“. Gut möglich, dass ein Elektrotechniker eine Aufgabe in der Schreinerei bekommt, die er unter den strengen Blicken der Prüfer lösen muss.

„Wir suchen handwerkliche Multitalente mit zwei rechten Händen“, erläutert Pulm. Da fliege der ein oder andere durchs Raster, wie der Kandidat, der für den Reifenwechsel schon die letzte Schraube lösen wollte, ehe er das Fahrzeug überhaupt aufgebockt hatte. „Da haben wir vorsichtshalber abgebrochen.“

"Wir arbeiten nach dem ,Eh-da-Prinzip'"

Das Auswahlverfahren der Feuerwehr hat einen guten Grund, denn die Fähigkeiten sind nicht nur im Notfall gefragt. Viele Wehrkräfte verbringen mehr Zeit in den verschiedenen Werkstätten als tatsächlich im Einsatz. Sie übernehmen Reparaturen und Wartung der eigenen Ausrüstung und kümmern sich um die Instandhaltung des Gebäudes.

Seit Jahren habe die Hauptfeuerwache keinen externen Handwerker gesehen, sagt Pulm. Malerarbeiten in den Verwaltungsbüros übernehmen die Feuerwehrleute ebenso wie das Abbeizen der vielen Holzvertäfelungen in dem fast 95 Jahre alten Gebäude

„Mit einer Firma wäre das auf den Lohn gerechnet vielleicht sogar günstiger. Aber wir nennen es das ,Eh-da-Prinzip’: Unsere Spezialisten sind sowieso im Haus und werden bezahlt. Dann können sie die Aufgaben auch übernehmen.“

Ausbildung zum Rettungssanitäter gehört zum Job

Zwischen Kistenstapeln, hohen Schränken und einem großen Container mit der Ausrüstung einer fast vollwertigen Krankenstation hat sich auf wenigen Quadratmetern Francesco Marandino eingerichtet. Er ist neben seiner Arbeit als Berufsfeuerwehrmann der sogenannte Desinfektor der Wache und für die medizinische Ausrüstung zuständig.

Francesco Marandino kümmert sich um die medizinische Ausrüstung. Die Ausbildung zum Rettungssanitäter gehört zur Feuerwehrausbildung.
Francesco Marandino kümmert sich um die medizinische Ausrüstung. Die Ausbildung zum Rettungssanitäter gehört zur Feuerwehrausbildung. Foto: jodo

Gegen Mittag beginnt er gerade damit, einen Rettungsrucksack zu überprüfen. „Das muss nach jedem Einsatz gemacht werden“, erklärt er. Benutzte Ausrüstung wird er ersetzen oder reinigen. Zudem muss er das Verfallsdatum der Einzelteile abgleichen und einen Termin für die nächste Routinekontrolle festlegen.

30 bis 60 Minuten ist er mit jedem Rucksack beschäftigt. Und die kommen durchaus öfter zum Einsatz, denn zur 18-monatigen Feuerwehrausbildung gehört auch die Ausbildung zum Rettungssanitäter.

Hauptfeuerwache platzt aus allen Nähten

Wie im kleinen Reich von Marandino fehlt der Feuerwehr in vielen Teilen des historischen Baus von Hermann Billing der Platz. „Das ist neben der schnelleren Erreichbarkeit des Ostens der Stadt der zweite Grund, warum die neue Feuerwache am Ostring gebaut wird“, erklärt Pulm.

Die baulichen Einschränkungen sind an vielen Stellen zu spüren. Am deutlichsten werden sie an den großen Ausfahrtstoren, die für moderne Fahrzeuge eben doch zu klein sind. Nur wenige Zentimeter liegen bei der Ausfahrt zwischen Löschzug und Türrahmen.

Neue Fahrzeuge finden keinen Platz in der Wache

Den Fahrern verlangt das einiges an Fingerspitzengefühl ab. „Deshalb stellen sich neue Autos quasi von selbst in die Wache West“, sagt Pulm – zum Ärger des Teams. So habe die Belegschaft lange darum gekämpft, dass eine neue Hubrettungsbühne in der Ritterstraße untergebracht wird. Letztlich ohne Erfolg. Sie steht nun wie die meisten Spezialfahrzeuge am Lameyplatz. Nach dem Umzug an den Ostring, der voraussichtlich 2021 ansteht, könnten diese Fahrzeuge neu aufgeteilt werden.

Auf den anstehenden Umzug blicken trotzdem viele bei der Feuerwehr mit einer gewissen Melancholie. „Das Flair dieser Wache werden wir nicht mitnehmen können“, meint Pulm. Aufsaugen lässt sich das bei einem Gang durch die oberen drei Etagen des Hauptgebäudes. Unter dem Dach haben die Männer und Frauen viel improvisiert.

Sporthalle unter dem Dach ist der Unfall-Hotspot

In einer Ecke stehen Laufband und Stepper zwischen den offenen Dachbalken – neben Werkstattarbeit und der Aus- und Weiterbildung ist der Sport die dritte große Tagesbeschäftigung der Feuerwehrleute, wenn sie in der Wache sind.

Zwei Türen weiter schließt sich der laut Pulm „gefährlichste Raum der gesamten Feuerwache“ an: Eine kleine Sporthalle. „So viele Unfälle wie hier passieren sonst nirgends.“ Bevorzugt gespielt wird Hockey. Für viele andere Sportarten ist die Decke zu niedrig.

In der Kleiderkammer lagern Jacken, Hosen, Mützen und vieles mehr – sowohl für die Berufs- als auch für die Freiwillige Feuerwehr.
In der Kleiderkammer lagern Jacken, Hosen, Mützen und vieles mehr – sowohl für die Berufs- als auch für die Freiwillige Feuerwehr. Foto: jodo

Quer durch die Halle geht es für den Schuhmacher der Feuerwehr zu seinem Arbeitsplatz. Er hat sich in einem Nebenraum eingerichtet, gerade drei mal zwei Meter groß. Dachschräge inklusive. Zwischen alten Maschinen stapeln sich Schuhe, die die Kollegen gerne geflickt oder neu besohlt haben möchten.

An der Stange rutschen längst nicht alle runter

Das soziale Leben spielt sich in der Hauptfeuerwache vor allem in der ersten Etage ab. Küche und Aufenthaltsraum füllen sich zur Mittagszeit. Feuerwehrchef Florian Geldner tauscht sich hier mit seinen Kameraden aus. Auf den Fensterbänken stehen noch verpackte Weihnachtskugeln. Es herrscht typisches Kantinenflair.

Doch das ändert sich in den Nächten oder am Wochenende, sagt Markus Pulm: „Dann werden hier teilweise Menüs mit mehreren Gängen gekocht.“ Rund 20 Feuerwehrleute sind in der Wache nach dem Ende ihrer Dienstzeit um 18 Uhr bis am nächsten Morgen immer in Bereitschaft. In den Ruheräumen können sie sich auf ausklappbaren Betten hinlegen.

„Geschlafen wird da aber kaum. Viele stehen schon im Bett, wenn sie ein Knacken im Lautsprecher hören“, sagt Pulm und räumt gleich mit einem klassischen Vorurteil auf: Die unscheinbar in einem Schrank versteckte Stange, die Feuerwehrleute zu ihren Fahrzeugen hinunterrutschten, nutzt gar nicht jeder. „Manche nehmen einfach die Treppe.“

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