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Insekten haben es schwieriger

Dettenheimer Umweltschützer: „Sogenannte Schädlinge sind eine Basis für das Ökosystem“

Der Dettenheimer Umweltschützer Hermann Geyer befürchtet wegen des Insektensterbens Einbrüche im natürlichen Kreislauf.

Hermann Geyer  VVND Rußheim
Aschaulich: Wildbienenbehausungen leisten im Naturschutzzentrum Rußheim mit Infotafeln auch gute Dienste für Lehrzwecke, wie Vorsitzender Hermann Geyer demonstriert. Foto: Alexander Werner

Entlang des Rheins klagen die Menschen derzeit in besonderem Maß über die vielen Stechmücken. Verlässt man etwa beim Rußheimer Naturschutzzentrum sein Fahrzeug, hat man sie sofort und penetrant an der Backe. Hermann Geyer empfiehlt gegen die Plagegeister einen Walnussbaum im Garten.

Diese alte Bauernweisheit kennt der Vorsitzende des Dettenheimer Vogel- und Naturschutzvereins (VVND) seit seiner Kindheit. Damals gab es noch weitaus mehr Mücken als heute. Aber auch ganz allgemein ist die Zahl der Insekten stark zurückgegangen. Und das ist keineswegs eine gute Entwicklung.

„Sogenannte Schädlinge wie Kartoffelkäfer oder Parasiten sind eine große Basis für das Ökosystem als Futter für Libellen oder hauptsächlich für die Vogelwelt, für Reptilien, Amphibien und Fledermäuse. Das wird häufig vergessen“, sagt der 62-Jährige.

Zudem komme Insekten an sich auch eine Nutzfunktion für fruchtbare Böden zu, durch das Zersetzen von Pflanzenteilen, Aas und Abfallstoffen.

Insekten als Bestäuber ist ein viel diskutiertes Thema

Die Funktion von Insekten als Bestäubern ist mittlerweile ein in der Gesellschaft ansatzweise diskutiertes Thema. „Es könnte sein, dass es in einigen Jahrzehnten Gebiete gibt, in denen für Wild- und Kulturpflanzen überhaupt keine Bestäuber mehr vorhanden sind, mit entsprechenden Brüchen in den Kreisläufen“, warnt Geyer.

Erkenntnisse zum Insektensterben liefern Rückgänge bei den erfassten Biomassen, von Individuen und Arten. „In den vergangenen 27 Jahren sind drei Viertel der Biomasse an Insekten verschwunden“, erklärt Geyer unter Berufung auf verschiedene Studien. Durchweg zeigten sich massive Einbrüche. Es gebe kaum noch Insekten, die nicht bedroht seien.

Das größte Problem ist die Veränderung der Lebensräume.
Hermann Geyer, Vorsitzender des Dettenheimer Vogel- und Naturschutzvereins (VVND)

„Das größte Problem ist die Veränderung der Lebensräume und vor allem die industrielle Landwirtschaft mit Verlusten an Nahrungsquellen und Nistplätzen. Es fehlen naturbelassene, blütenreiche Wiesen“, so Geyer.

Blühstreifen anzulegen, bringe durchaus etwas. Allerdings fehlten ihnen mit ihren Kulturpflanzen ganzheitlich betrachtet die Vorzüge der Vielfalt. Damit seien Spezialisten unter Insekten und Vögeln nicht zu halten.

Geyer weist dabei auf Wildbienen hin, die auf eine oder nur auf einige wenige Pflanzen spezialisiert seien: „Sind die weg, dann sind auch die Bienen weg.“ Er erinnert dabei an ihre große Bedeutung als Bestäuber.

„Sie fliegen im Gegensatz zu Honigbienen schon bei Kälte im Februar oder März und bei schlechter Witterung aus“, erklärt er. Sie seien viel produktiver. „Eine Hummel bestäubt 80-mal mehr Pflanzen als eine Honigbiene.“

Natürliche Lebensräume sollten wieder hergestellt oder neu geschaffen werden.
Hermann Geyer, Vorsitzender des Dettenheimer Vogel- und Naturschutzvereins (VVND)

„Natürliche Lebensräume sollten wieder hergestellt oder neu geschaffen werden“, fordert Geyer zur Unterstützung der Insekten. Zudem sollten Wiesen und Flure nicht mehr als ein- oder zweimal im Jahr gemäht werden. „Auf den meist kommunalen Ackerrandstreifen sollte man mehr Wildnis zulassen und sie nicht mulchen“, rät er.

Gepflegt werden sollten sie mit Balkenmesser-Mähwerken. Denn in gängige Mulchmähwerke würden Insekten hineingezogen und mit verhäckselt. Ein weiteres Thema ist die Chemie. Von den Nervengiften Neonicotinoide müsse man in der Landwirtschaft Abstand halten, fährt Geyer fort.

Umdenken der Bevölkerung ist notwendig

Auch klein strukturierte Kulturpflanzungen seien nötig, spricht er im Zusammenhang mit Monokulturen an.

Was er aber ebenso als notwendig erachtet, ist ein Umdenken in der Bevölkerung hin zu Bio, zu regionalen, nachhaltigen Produkten und weg vom Billigfleischkonsum. Für gutes und ehrliches Fleisch, müssten die Verbraucher auch bereit sein, einen ehrlichen Preis zu bezahlen, meint Geyer.

Besonderes erkennbar werde das Insektensterben am Fehlen der augenfälligen bunten Schmetterlinge. „Wenn im Sommer in einem Garten allenfalls noch eine Handvoll zu sehen ist, stimmt mich das sehr nachdenklich“, vergleicht Geyer die aktuelle Lage mit seiner Kindheit.

„Jeder kann in seinem Garten oder Vorgarten Hitze fördernde Steine durch Schneeball, Weißdorn oder Wildrose zum Wohl von Insekten und Vögeln ersetzen.“ Eine Wildblumenmischung statt Rollrasen sei ein weiteres Beispiel, was man tun könne. Was es für Möglichkeiten gibt, können Interessierte auch beim Vogel- und Naturschutzverein erfahren, der kostenlose Beratungen anbietet.

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