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Julchen und ihre Zaubermäuschen

Graben-Neudorfer Klinikclowns bringen kranke Kinder zum Lachen

„Ich wurde Clown, um zu überleben“ lautet der Titel des Buchs, das Julia Hartmann nach dem Krebstod ihrer Tochter veröffentlicht hat.

Nadine, Rudolf und Julia Hartmann (von links) in ihrer „Berufungs-Kleidung“ auf dem Weg zu den kleinen Patienten.
Nadine, Rudolf und Julia Hartmann (von links) in ihrer „Berufungs-Kleidung“ auf dem Weg zu den kleinen Patienten. Foto: Julia Hartmann

Zweimal in der Woche kommt Julia Hartmann mit ihrem Mann Rudolf und ihrer Tochter Nadine in die Universitätskliniken von Mannheim und Heidelberg.

Bunt gescheckt in weiten Anzügen, mit Riesenschleifen und roter Nase stattet das Trio als „Clown Julchen und ihre Zaubermäuschen“ schwer kranken Kindern einen Besuch ab und verschafft ihnen Stunden gelösten Lachens, bevor sie wieder an Apparate oder Infusionsschläuche angeschlossen werden.

Es kann schon am Parkdeck der Klinik beginnen, denn geschminkt fahren sie zu Hause los. „Mein Name ist Julchen, weil ich so klein bin“, stellt sie sich vor und erntet schon den ersten Lacher mit ihrer schlanken und hochgewachsenen Statur.

Ehemann Rudolf legt als Regisseur die Dramaturgie der Auftritte fest und zaubert mit dem magischen Seil oder – nach Bestreuen mit Zaubersalz – Schokolade aus einer leeren Schachtel. Wenn dann Clown Julchen noch als Bauchrednerin auftritt, Ballons faltet oder das Huhn Frieda tanzen lässt, lachen die Kinder und machen begeistert mit. 

Dozentin zum Thema „Humor in der Pflege“

Auch bei Firmenfeiern oder dem Karlsruher Lichterfest im Stadtgarten treten sie auf. Begegnungen mit der Polizei können lustig oder irritierend sein, wenn die Beamten nicht glauben wollen, warum da Clowns im Auto sitzen. Als Dozentin und Referentin vermittelt Julia Hartmann das Thema „Humor in der Pflege“ an unterschiedlichen Bildungseinrichtungen. 

Warum aber wollte sie ausgerechnet Clown werden? „Schon als Kind hatte ich diesen Wunsch“, sagt sie. Und doch sei sie zunächst Zollbeamtin geworden. In den 1980er Jahren kamen die beiden Töchter zur Welt. Dann 1990 der Schock: Bei der erstgeborenen Nicole wird im Alter von vier Jahren Knochenkrebs diagnostiziert. Ein Bein muss amputiert werden. 

„Es war eine wechselvolle Zeit zwischen Hoffen und Bangen und ein Hin und Her von einer Prothesenwerkstatt zur nächsten“, sagt Julia Hartmann, die rund um die Uhr für die Mädchen im Einsatz war und nebenher nur noch Jobs wie eine Putzstelle oder als Pflegehelferin übernehmen konnte. Es sollte noch bis zum März 1999 dauern, als „eine Freundin mich auf eine andere Spur bringen wollte“ und Besuche im Fitness-Studio vorschlug. „Waisch was?! Ich werd Clown“, habe sie spontan gesagt. Und dann hätten sich die Ereignisse überschlagen. 

In Zugzwang seien sie gekommen, als in Nadines Linkenheimer Realschule das Abschlussprojekt das Thema Zirkus hatte und die Tochter in der Schule verkündete: „Meine Eltern sind Clowns.“ Die Clownskostüme – „gleich sechs auf einmal“ – hätten sie beim Versandhaus bestellt und sich besonnen, dass die Töchter Akkordeon und sie selbst Klavier und Trompete spielen konnte.

Dann hieß es üben, denn blamieren wollten sie sich nicht. Andererseits: „Wenn der Clown scheitert, freut er sich, denn er muss ja nichts können.“ Das aber natürlich formvollendet. Am Ende des Auftritts mit Zugabe habe ein Besucher gefragt, ob er ihre Visitenkarte haben könne. Und bevor der Sommer vorbei war, hatten sie einen weiteren Auftritt in einem Philippsburger Pflegeheim. 

Begegnung mit Hunter „Patch“ Adams

Kurse einer Ausbildung zum Clown schlossen sich an. Von diesem Beruf leben könne sie aber nicht, so Hartmann. Als sie die wahre Geschichte im Film „Patch Adams“ mit US-Schauspieler Robin Williams über einen Arzt und Klinik-Clown sah, habe sie ihre Berufung gefunden. „Im Krankenhaus ist so viel Tod drin, da muss Leben rein“, stellte sie für sich fest. Gleichzeitig seien sie Seelsorger – auch für die Angehörigen. 

Von einem besonderen Höhepunkt zeugen Fotos eines Seminars in Bad Herrenalb, bei dem der echte Hunter „Patch“ Adams im stilechten Hawaii-Hemd Clown Julchen und ihre Töchter in Vollmaske im Arm hat. „Lass dich nicht unterkriegen“, sei seine Botschaft gewesen, die ihr Mut gemacht habe.

Ihre eigene Geschichte nahm eine bittere Wendung, als Tochter Nicole 2012 mit 25 Jahren den Kampf gegen den Krebs verlor. „Ich wurde Clown, um zu überleben“ lautet der Titel des Buchs, das Hartmann geschrieben hatte, aber bis 2015 zurückhielt. „Die Zeit heilt nicht alle Wunden“, sagt sie. Es motiviere sie, wenn die Ärzte sagen: „Gut, dass ihr da wart.“

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