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Seelsorge-Malen

Trauerbegleiterin aus Linkenheim-Hochstetten hilft mit Kunst

Tod, Scheidung, Trennungsschmerz: Vor diesem Hintergrund bietet die Trauerbegleiterin Birgit Reiersloh aus Linkenheim Seelsorge-Malen an. Manche Menschen kommen in der Gewissheit, selbst bald sterben zu müssen.

Frau steht vor Gemälden
Kunst als Therapie: Birgit Reiersloh aus Linkenheim hat eine mehrjährige Ausbildung zur Seelsorgerin absolviert. Foto: Madita Steiner

Birgit Reiersloh möchte ein „Sprachrohr“ für Menschen sein, „die am Rand stehen und Dinge nicht mehr in Worte fassen können“. Vor diesem Hintergrund bietet die Linkenheimerin nach zwei Jahren Pause wieder Malkurse zur Trauerverarbeitung an. „Beim Seelsorge-Malen kommt es nicht darauf an, dass es schön ist“, erklärt sie. Es gehe darum, dass es gut tut.

Diese Erfahrung habe sie erstmals während einer Kur gemacht. Als sie dort mehrmals beim Yoga eingeschlafen war, hatten die Betreuer eine Idee: „Sie haben mir den Schlüssel zum Atelier gegeben.“ Das Malen habe ihr geholfen, wieder Kraft zu finden.

Mitglied der Deutschen Aquarellgemeinschaft

Einige Jahre später kam sie mit dem Aquarellmaler Dieter Hecht in Kontakt. Die Trauerbegleiterin traf zufällig auf den Spöcker, als er auf einem Feld im Sallenbusch saß und Mohnblumen malte. Bei ihm habe sie ihren ersten Malunterricht erhalten. Später sei sie zu Berthold Bickel gewechselt und lerne bis heute bei ihm verschiedene Techniken des Malens.

Mit Erfolg: 2016 wurde sie in die deutsche Aquarellgemeinschaft aufgenommen, nachdem ein Mitglied auf ihre Bilder im Internet aufmerksam wurde.

Aquarell passe am besten zur Trauermalerei: „Die Farben laufen ineinander. Man kann sie nicht kontrollieren.“ Außerdem ließen sich die Farben fast nicht wegwischen. Landet versehentlich ein dunkler Fleck auf der Leinwand, nutze sie dies, um ein Umdenken herbeiführen. Der Fleck solle nicht als Fehler sondern etwa als „Anfang einer Sonnenblume“ interpretiert werden.

Maximal vier Personen in einer Gruppe

Bei ihren Kunstkursen mit Trauerhintergrund seien maximal vier Personen in einer Gruppe. Tod geliebter Mitmenschen, Kontaktabbrüche, Scheidungen, Erfahrungen mit Sternenkindern – die Leiden der Teilnehmer seien individuell. Einmal habe eine Frau, die kurz dem Tod stand, für ihren Mann angefragt.

Manchmal kämen auch an Krebs erkrankte Menschen, in der Gewissheit, bald sterben zu müssen. „Ich habe nicht Angst vor dem Tod, sondern vor dem Sterben“, hört Reiersloh von ihnen häufig. Über ihre eigenen Berührungspunkte mit dem Tod sagt sie: „Ich habe selbst Sternenkind Jakob verloren.“

Sie bedauert, dass solche Themen in der Gesellschaft tabuisiert werden. Beim gemeinsamen Malen hätten die Trauernden die Möglichkeit, offen über das zu sprechen, was sie beschäftigt. „Im Malkurs haben viele Leute mal geheult.“

Im Optimalfall träfen Gleichaltrige mit einer ähnlichen Lebenssituation aufeinander. Daraus hätten sich schon Kraft spendende Freundschaften entwickelt, erzählt Reiersloh. Am liebsten spreche sie jedoch allein mit den betroffenen Menschen.

Der Traum vom Bauwagen und Malen to go ist noch da

Von 2006 bis 2008 hat sie eine Seelsorge-Ausbildung absolviert. „Das hat mir am Anfang gewiss geholfen.“ Besonders das erste Aufeinandertreffen sei wichtig: „Ich frage immer: Was kann ich Gutes tun?“ Menschen, die kurz vor dem Tod stehen, wollten oft Telefonate mit spezifischen Personen führen. Manchmal wünschten sie sich eine friedliche Streitbeilegung.

Vor allem das liege ihr am Herzen: „Ungeklärte Beziehungen finde ich furchtbar.“ Einmal habe eine Angehörige mit ihr vor dem verstorbenen Ehemann gesessen und ihn skizziert. Reiersloh erinnert sich an die friedliche Atmosphäre, die dabei herrschte.

Wie verarbeitet sie diese Erlebnisse? „Ich kann das irgendwie abgeben. Ich empfinde es nicht als Last.“ Stattdessen freue sie sich, durch ihre Aufgabe „die Liebe und Freundlichkeit Gottes unter das Volk zu bringen“.

Nur ein Lebenswunsch hat sich ihr bisher nicht erfüllt: „Mein Traum war immer ein kleiner Traktor, ein kleiner Bauwagen und Malen to go durch die Lande ziehen.“

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