Skip to main content

Von April bis Juni

Rehkitzretter aus Stutensee und Graben-Neudorf ziehen Bilanz

Von Ende April bis Ende Juni versuchen ehrenamtliche Helfer, Rehkitze vor dem Tod in der Mähmaschine zu retten. Zwei Gruppen aus Stutensee und Graben-Neudorf berichten von ihren Erfahrungen.

Ein vier bis fünf Tage altes Rehkitz liegt zwischen Gräsern auf einem Feld. Mit Hilfe einer Drohne mit Wärmebildkamera wurde das Jungtier in der Nacht entdeckt. Zehntausende Rehkitze sterben Schätzungen zufolge jährlich durch Mähmaschinen. +++ dpa-Bildfunk +++
Damit abgelegte Rehkitze bei der Mahd von Feldern nicht unter die Mähmaschine kommen, suchen Helfer mit Hilfe von Drohnen die Felder zuvor ab. Foto: Swen Pförtner/dpa

Wenn um 2 Uhr morgens die meisten Menschen in der Region noch schlafen, klingelt bei Familie Kindel in Blankenloch der Wecker. Zwischen Ende April und Ende Juni machen sich seit zwei Jahren in den Ferien und an den Wochenenden die Eltern und Kinder Sidney, David und Julian bereit zur Rehkitzrettung. 

„Während der Schulzeit muss ich Sidney einbremsen, dass sie um 8 Uhr ausgeruht ist“, sagt Mutter Simone Kindel. In der kleinen familiären Einsatztruppe ist sie die Fahrerin.

Mit den Kitzrettungen der Badischen Jäger Rastatt und Baden-Baden sowie der Jägervereinigung Karlsruhe haben sie in deren Revieren die Wiesen, die zur Mahd anstehen, abgesucht. Die Landwirte melden sich über eine Website an, per Whatsapp-Nachricht erfahren die Retter ihre Einsatzorte. Meist sind sie in Bretten, Büchig oder Wöschbach unterwegs. 

Die Rehe sind nicht besonders schlau, sie versuchen nur eine kurze Flucht hinzulegen.
Simone Kindel, ehrenamtliche Rehkitzretterin

„Einer aus einem Fünfer-Team fliegt die Drohne mit der Wärmebildkamera über das Feld, deshalb machen wir das bei Nacht“, berichtet Sidney. Die anderen vier bilden eine Kette und werden über Funkgeräte punktgenau durchs hohe Gras zum entdeckten Kitz dirigiert. 

Frisch gesetzte Kitze bleiben liegen, ab zehn Tagen Lebensalter laufen sie schon mal von selber weg. „Die Rehe sind nicht besonders schlau, sie versuchen nur eine kurze Flucht hinzulegen“, hat Simone Kindel beobachtet. „Dabei laufen sie in einem verhängnisvollen Kreis an ihren Platz zurück.“

Helfer dürfen eigenen Geruch nicht aufs Kitz übertragen

Beim Kitz angekommen, tragen die Helfer Handschuhe und hochgeschlossene Kleidung, um ihren Eigengeruch bei sich zu halten. Um keine Feinde anzulocken, habe das Kitz noch keinen Eigengeruch. 

Sidney und David Kindel aus Stutensee haben ein Rehkitz gefunden. Damit es nicht ihren Geruch annimmt, tragen sie es in Gras.
Sidney und David Kindel aus Stutensee haben ein Rehkitz gefunden. Damit es nicht ihren Geruch annimmt, tragen sie es in Gras. Foto: Simone Kindel

Relativ kleine Kitze schauen verdutzt aus der Wäsche, so die Beobachtung. „Allein am Sonntag beim Baden-Airpark habe ich sechs Kitze rausgetragen“, sagt Sidney. 

Dann komme das Kitz in einen Karton, zusammen mit Gras, in dem es lag, und gesichert mit einem Spanngurt. Sonst bestehe die Gefahr, dass das Tier ins Mähwerk rennt. 

Der Bauer wartet schon am Wiesenrand mit dem Traktor, so dass nach einer oder anderthalb Stunden die Kitze am Feldrand wieder entlassen werden. 

Spaziergänger sollten bei Rehkitz-Fund Jäger informieren

Täglich kommen so rund 30 Hektar zusammen. Seit Beginn der Aktionen haben die Rastatter nach eigenen Angaben schon 330 Kitze gerettet, aber auch Fasanengelege oder Igel. Auf die Frage, was sie motiviert, Nacht für Nacht Wiesen zu durchstreifen, antwortet Familie Kindel sofort: „Einfach Leben retten.“ 

„Leute, die meinen, helfen zu müssen und Kitze selbst aus der Wiese tragen, machen sich der Wilderei schuldig“, warnt Jägerin Susanne Kraft von der Jägervereinigung Karlsruhe. Sie begleitet die Kitzrettungen. 

Wer als Spaziergänger ein Kitz entdeckt, solle das bei einem Jäger melden. Kitze seien zudem sehr empfindlich und könnten einen Herzinfarkt erleiden. 

Hilfe von Drohnenpilot aus Graben-Neudorf wird gut angenommen

Drohnenpilot Wolfgang Schuster aus Graben-Neudorf sucht täglich seit Mitte Mai acht bis zehn Wiesen ab. In seinem Suchgebiet zwischen Waghäusel und Liedolsheim hat er bisher rund 150 Wiesen überflogen, manche Wiesen seien bis zu 25 Hektar groß. 

Er ist sei drei Jahren in der Rehkitzrettung tätig, mittlerweile habe es sich unter Landwirten und Jägern herumgesprochen. „Es wird gut angenommen und manchmal müssen wir Einsätze absagen und einen anderen Termin finden.“ 

Auf seiner Website können sich die Landwirte anmelden und das Suchgebiet auf einer Karte markieren. „Die Drohne mit Wärmebildkamera fliege ich von Hand“, so Schuster. Auf diese Weise hat er laut eigener Aussage bisher rund 50 Kitze aus der Wiese genommen. 

Leider gebe es Kandidaten, die einfach drauflos mähen. Dennoch: „95 Prozent halten sich daran und melden die Mahd an.“ Ein Ärgernis seien auch uneinsichtige Hundebesitzer, die ihre Tiere frei laufen ließen. Schuster warnt: „Der Hund darf nicht mal am Kitz schnuppern, sonst ist es todgeweiht.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang